Loser haben die bessere Lobby

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Loser haben die bessere Lobby

 
15.02.02 09:24
Egal, ob Gerhard Schröder oder Edmund Stoiber: Die Regierenden haben einen kuriosen Hang, gerade jenen Unternehmen zu helfen, die wenig Zukunft haben. Ein Phänomen, das sich ökonomisch erklären lässt.

In einem Punkt unterscheiden sich Gerhard Schröder und Edmund Stoiber kaum. Wenn Unternehmen in Not geraten, helfen Kanzler und Kandidat, wo und wie sie können - und sei es mit guten Worten: Ob beim kriselnden Waggonbauer in Ammendorf oder bei der angeschlagenen Kirch-Gruppe. Oder beim Stahlkonzern Neue Maxhütte, den Bayerns Landeschef kräftig unterstützte.

Warum aber helfen Politiker Unternehmen wie der Maxhütte oder Kirch - und nicht einem der zigtausend anderen Betriebe, die jedes Jahr vor der Pleite stehen? Und warum haben sie überhaupt ein solches Herz für Verlierer und für Unternehmen ohne Zukunft?

Eine mögliche Antwort liefern die beiden Ökonomen Richard Baldwin und Frédéric Robert-Nicoud, die das Problem in einer jetzt veröffentlichten Studie neu zu ergründen versuchen*. Das Loser-Paradox ist demnach keineswegs nur ein deutsches Rätsel. Und die Auflösung könnte darin liegen, dass Verlierer schlicht die besseren Lobbyisten sind.

Problembranchen verschwinden ohnehin

"Im Grunde müsste jede Regierung ein größeres Interesse haben, zukunftsträchtige Firmen zu fördern", schreiben die beiden Ökonomen. Die Jobpotenziale sind dort größer; umgekehrt können Subventionen den Niedergang von Sektoren nach aller Erfahrung gar nicht dauerhaft aufhalten. Schlechter wegkommen müssten Verliererbranchen auch deshalb, weil profitable Firmen per Definition mehr Geld übrig haben, um Lobbying betreiben zu können.

Die Wirklichkeit ist bis auf Ausnahmen dennoch eine andere. In diversen Studien für die USA kam heraus, dass staatliche Schutzmechanismen in jenen Bereichen am ausgeprägtesten sind, die am wenigsten wachsen. In Deutschland gehen mehr als ein Viertel aller sektorspezifischen Staatshilfen an die Problembranchen Landwirtschaft, Berg- und Schiffbau.

Nun läge die Vermutung nahe, dass Regierungen zum Beispiel zu wenig Weitblick besitzen, um die Langfristwirkung von Subventionen zu übersehen. Nur kann dies allein kaum erklären, warum ein so großer Teil der Hilfen einseitig den Losern zugute kommt.

Als plausibler könnte sich die Annahme mancher Ökonomen erweisen, dass das Risiko eines Wohlstandsverlusts gesellschaftlich stets höher gewichtet wird als die (unsichere) Chance auf künftiges Wachstum. Dazu kommt womöglich noch jener menschliche Reflex, dass das Schicksal einzelner, identifizierbarer Personen (auch bei Politikern) eher Betroffenheit auslöst als abstrakte und anonyme Werdegänge.

Beides spräche dafür, dass in der Praxis eher den Verlierern geholfen wird als jenen (noch nicht bestimmbaren) künftigen Gewinnern einer sinnvolleren Subventionspolitik. Nur haben auch diese Erklärungen noch einen Haken: Sie ließen offen, "warum nicht alle schrumpfenden Industrien subventioniert werden", so Baldwin und Robert-Nicoud.

Die beiden Wissenschaftler vermuten, dass die Ursache für das Loser-Paradox weniger im bewussten Bestreben der Politiker liegt als in der Schlagkraft der jeweiligen Lobbyisten. Der Eifer unternehmerischer Interessenvertreter steige mit den Chancen darauf, dass sich die Investition in das Lobbying am Ende rentiere, sagt Baldwin. In expandierenden Branchen bestehe dabei stets das Risiko, dass andere Unternehmen in den Markt einsteigen und die Früchte der Lobbyarbeit mitnehmen. Die Rendite auf jenes Geld, das in die Interessenvertretung investiert werde, tendiere im Extremfall dann gegen null.

Diese Gefahr sei umso geringer, je höher für neue Konkurrenten die Barrieren für einen Markteintritt ausfallen; und je weniger gleichzeitig die Dynamik der Nachfrage neue Wettbewerber anziehe. Genau das treffe eben auf typische Subventionsempfänger wie Landwirte, Stahl- oder Bergbaubetriebe zu, so Baldwin.

Warum sich Lobbying für Kirch lohnt

"Niemand würde eine neue Kohlengrube ausheben, ein Stahlwerk bauen oder eine Farm gründen, nur weil es dort Subventionen gibt", so der Ökonom. Dagegen sprächen allein die hohen und unwiderruflichen Einstiegsinvestitionen ("sunk costs") in diesen Branchen. Umso besser ist für die Altbetriebe die Aussicht, ihre Subventionsgewinne nicht teilen zu müssen und den Lobbyaufwand damit finanziell wieder hereinzubekommen.

Die These mag noch nicht in jedem Einzelfall erklären, warum welche Subvention fließt. Immerhin ließe sich daraus aber ableiten, weshalb der Lobbyisteneifer in manchen Fällen größer ausfällt als in anderen - je nachdem, wie stark die Begünstigten vor neuen Konkurrenten am Markt geschützt sind. Und das scheint in bestechender Weise auch auf die jüngsten deutschen Beispiele anwendbar: auf Stoibers Maxhütte oder auf Schröders Waggonwerk in Ammendorf. In beiden Fällen wären die Anfangskosten für Neulinge produktionsbedingt sehr hoch, und die Aussichten auf dauerhaft hohe Nachfrage sind eher mäßig.

Selbst der Fall des Medienmoguls Kirch könnte in das Schema von Baldwin und Robert-Nicoud passen: Der Einstieg potenzieller Konkurrenten ins Pay-TV wird durch hohe Einstiegsbarrieren erschwert. Die mageren Abonnentenzahlen lassen kaum auf künftige Boomzeiten bei der Nachfrage schließen.

Die Verlierer sind die Gewinner - zumindest im Kampf um die Gunst der Politiker. Und das liegt offenbar nicht so sehr am großen Herzen der Regierenden, sondern vielmehr am mehr oder weniger großen Eifer der Interessenvertreter. Und an der schnöden Frage, ob sich die Investition in das Lobbying auszahlt. Nur: Vernünftig sei das Ergebnis deswegen nicht, sagt Baldwin. "Es wäre besser, die Beschäftigten der Loser-Betriebe sozial abzusichern, als verlorenen Branchen zu helfen."

Gruß
Happy End
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