Houston (vwd) - Enron Corp, Houston, arbeitet fieberhaft an der Vorbereitung eines Antrags für Chapter 11. Laut Kreisen will der Konzern sich danach einer grundlegenden Restrukturierung unterziehen und als kleineres, jedoch überlebensfähiges Unternehmen weiterbestehen, schreibt das "Wall Street Journal" (WSJ). Allerdings zweifeln viele Fachleute angesichts des unübersichtlichen Geflechts von Kontrakten und Verbindlichkeiten daran, dass Enron nicht doch in Teile zerlegt und liquidiert werden muss.
Die für Europa zuständige unabhängige Tochtergesellschaft von Enron hat bereits am Donnerstag einen Antrag auf Gläubigerschutz eingereicht. Der Aussage einer Sprecherin zufolge war der Auslöser ein Zahlungsstopp der Muttergesellschaft. Der Antrag löste an den europäischen Energiebörsen erhebliche Unruhe aus. Händler kauften in der Befürchtung, auch andere Unternehmen könnten in den Sog geraten, Rohstoffkontrakte, um sich abzusichern. Darüber hinaus fielen die Aktien der großen nordischen Papierhersteller, da nun der Verkauf der hohen Papierbestände von Enron anstehen könnte, wodurch ein zeitweiliger Preisverfall ausgelöst werden würde.
In den USA gehen unterdessen die Diskussionen über den wahren Stand der Verbindlichkeiten von Enron weiter. In der Bilanz werden lediglich 13 Mrd USD ausgewiesen, jedoch dürfte dies nur ein Bruchteil der gesamten Schulden sein. Auf ungefähr 27 Mrd USD schätzen Fachleute die Höhe der Verbindlichkeiten, die außerhalb der Bilanz anstehen: Drei Mrd USD an Bankschulden und sieben Mrd USD an Bonds seien noch nachvollziehbar. Die restlichen 17 Mrd USD entfielen allerdings auf komplexe, schwer durchschaubare Transaktionen mit einer Vielzahl von Partnern, vermuten die Experten. In diesem Kontext ist von Energie-Derivatgeschäften, Dokumentenakkreditiven und anderen exotischen Finanzierungsinstrumenten die Rede.
Angesichts dieses Schuldenberges bezweifeln viele Beobachter, dass es für Enron noch ein Entkommen gibt. Es sei unwahrscheinlich, dass Finanzinstitute dem Energiehändler weitere Überbrückungskredite gewähren würden, um die Restrukturierungsphase zu überstehen, argumentieren die Vertreter dieser Theorie. Darüber hinaus sei mit einem schnellen Abwandern der Handelspartner von Enron zu rechnen, da es zahlreiche konkurrierende Plattformen dieser Art gebe, heißt es.
vwd/DJ/30.11.2001/ip