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10.07.01 19:06
Unfähige Politik lähmt Wirtschaft
 
Von Martin Stephan
Warum nur klappt es in den USA mit dem Wirtschaftswachstum seit Jahren besser als in Europa? Diese Frage drängt sich gerade jetzt angesichts der neuesten Negativ-Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung für Deutschland und Europa durch die verschiedenen Institute erneut auf. Inzwischen werden für dieses Jahr europaweit gerade noch 1,25 Prozent erwartet, 2002 sollen es dann wieder etwas über 2 Prozent werden, so die Hoffnung.

Nun könnte man mit diesem Mini-Wachstum klaglos leben, wenn es in den vorherigen Jahren stattliche Zuwächse gegeben hätte, doch das war ja, wie hinlänglich bekannt, nicht der Fall. Hohe Zuwächse von 4 Prozent und mehr gab es im vergangenen Jahr nur auf der anderen Seite des Atlantiks und auch für nächstes Jahr wird den USA von Seiten der Finanzmärkte eine schnellere Erholung und deutlich mehr Wachstum als Kontinental-Europa zugetraut.

Das Schlimmste ist, dass sich inzwischen alle an diesen Zustand gewöhnt haben. Er wird klaglos hingenommen, als sei das eine Gesetzmäßigkeit, die man eben akzeptieren müsse. Doch dem ist nicht so, es gibt einleuchtende Gründe warum Europa den USA hinterherläuft. Hat man diese erst einmal erkannt, ist leider nichts gewonnen, so die traurige Erkenntnis, denn: In den USA ziehen die wirtschaftlich Verantwortlichen am gleichen Strang, zumindest demontieren sie sich nicht gegenseitig.

Das Schwarze-Peter-Spiel

Zwei Beispiele: Könnten Sie sich vorstellen, dass Präsident Bush an Notenbankchef Greenspan öffentlich Kritik übt - oder umgekehrt? Oder das die Politik unternehmerfeindliche (Steuer-)Gesetze erlässt. Weder Demokraten noch Republikaner kämen auf diese Idee!

Und hier in Deutschland und Europa? Minister Riester und das DIW fordern endlich eine Zinssenkung durch die EZB. Deren Chef Duisenberg wird seit Monaten in die Ecke getrieben und gibt den Ball mehr oder minder direkt an die Politik zurück, die teilweise mitverantwortlich an der aus EZB-Sicht deutlich zu hohen Inflationsrate ist. Seit Jahren wartet Europa auf einer Steuer- und Arbeitsmarktharmonisierung, die de facto einer Liberalisierung gleichkäme und damit nach einhelliger Expertenmeinung größere Wachstumsimpulse freisetzen würde. Doch hier fehlt nicht nur der politische Wille, sondern gar die entsprechende Kompetenz, endlich Ernst zu machen und diese Probleme anzugehen.

Während in den USA begriffen wurde, dass Politik nur den Rahmen für wirtschaftliche Entwicklung abstecken kann, ansonsten die Einmischung durch den Staat aber verhindert werden muss, meint der europäische Politiker, dass bei Ihm die Verantwortung läge, es also einer aktiven Wirtschaftslenkung bedarf, um die Probleme dieser Welt zu lösen. Ein folgenschwerer Irrtum, wie der Blick auf den Zustand der Staatsaushalte zeigt.

Doch die Kreatur im Parlament verteilt wiederholt munter Wahlgeschenke an Wählergruppen, subventioniert mal hier, mal da und wundert sich dann, dass die Verschuldung nicht mehr zu den Maastrichter Kriterien passt. Gut nur, dass von denen eh nicht mehr die Rede ist.

Wirtschaftsexperten vor!

Europa wäre sehr gedient, wenn statt der Politiker endlich Experten aus Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Umweltschutz die Führung übernehmen würden und im Rahmen des möglichen die notwendigen Strukturreformen angehen und ohne Rücksicht auf Interessen ? und Wählergruppen - verabschieden würden.

Die Leitzinsen würden schneller purzeln, als die Politiker diese Senkungen einfordern könnten! Doch hierzulande versucht sich vornehmlich das politische Beamtentum als Problemlöser, immer mit Blick auf das Parteibuch und die doch wohlverdiente Wiederwahl. Schuld an der derzeitigen Misere sind immer die anderen ? und wenn der politische Gegner mal nicht als Feindbild taugt, dann bleibt ja noch die EZB, denn die hat sich in der Vergangenheit eben auch nicht mit Ruhm bekleckert, so dass ein Abwälzen von Verantwortung und der eigenen Unfähigkeit sogar verkaufbar erscheint und öffentlichkeitswirksam ist.

Doch instinktiv durchschauen die Bürger dieses Spielchen, denn: Wenn schon nicht die Zinsen sinken, dann doch wenigstens die Wahlbeteiligung. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man sagen: Für beide gilt: Je tiefer, desto besser!


10.07. - 17:44 Uhr
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