Steinigung bei Ehebruch.
Aus gegebenem Anlaß, da im Iran wieder 4 Steinigungen vorgesehen sind.
Viel Text. Aber in Anbetracht des ganzen Mülls am Board vielleicht keine Zumutung.
Prolog
Ein immer wieder die Gemüter aufwühlendes Thema ist die Frage, ob die Sharia als Strafe für Ehebruch die Steinigung vorsieht.
Diese Steinigungen - oder andere Formen der Tötung - erfolgen im "real existierenden Islam" immer wieder, insbesondere bei Frauen. Nicht selten sprechen anerkannte Rechtsgelehrte das Todesurteil, aber auch Familienangehörige nehmen immer wieder das "Recht" in die eigene Hand und ermorden eine Tochter, Schwester oder Ehefrau, die "Unehre" über die Familie gebracht hat.
Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die Steinigung bei Ehebruch auch bei Nichtmuslimen - also etwa bei Christen - angewandt werden darf oder nicht. Diese Frage steht darum auch im Mittelpunkt dieses Artikels, der sich ja vor allem an Christen wendet, die sich über den Islam informieren wollen.
Ein aktueller Vorfall
Wie viele "Ehebrecher" - vor allem Frauen - ermordet werden (oder ihr Leben nach 100 Peitschenhieben in einem fensterlosen Verließ fristen), ist unbekannt. Die meisten Bestrafungen von "Ehebrecherinnen", "Unzüchtigen" usw. werden von der Weltöffentlichkeit gar nicht wahrgenommen. Nur selten erfährt die Welt etwas über dieses Thema, dem jedes Jahr unzählige Frauen und Männer zum Opfer fallen.
Nach einer Meldung von Radio Vatikan wurden im Jahr 2002 zwei junge Frau im Sudan und im muslimischen Norden Nigerias zum Tod durch Steinigung wegen Ehebruchs verurteilt (Radio Vatikan, 7.2.2002).
Eine Christin als Ehebrecherin
Fälschlicherweise erklärte Radio Vatikan zu der zum Tode verurteilten christlichen Sudanesin - dem Opfer einer Vergewaltigung -, "dabei darf dieses Recht bei ihr als Christin eigentlich gar nicht angewandt werden". Der katholische Erzbischof Laurent Monsengwo von Kisangani hatte erklärt: "Man darf außerdem nicht die Scharia anwenden auf Personen, die sich gar nicht zum Islam bekennen. Diese Verwirrung müssen wir absolut verwerfen: Man kann nicht staatliches und religiöses Recht durcheinanderwerfen, erst recht nicht gegen jemand, der dieser Religion nicht angehört." Der Erzbischof befindet sich vollkommen im Unrecht. Der Islam und die Sharia kennen keine Unterscheidung von einerseits Religiösem und andererseits Profanem wie Politik, Recht, Strafverfolgung, Moral usw. Im Islam und gemäß der Sharia sind Religion und Profanes eins, und es gibt nur ein Recht, das angewandt wird: die Sharia.
Die Sharia und die Nichtmuslime
Natürlich können etwa die Kultordnungen der Sharia nicht auf Nichtmuslime angewandt werden, aber die Sharia regelt immerhin auch den äußeren Rahmen für die Religionsausübung der Juden und Christen, denen die Sharia ausdrücklich die Religionsausübung zugesteht, aber eben innerhalb gewisser Grenzen, die kein Jude und kein Christ überschreiten darf (kein Neubau von Kirchen, kein lauter Kirchgesang, keine Mission, Christen dürfen nicht von der Konversion zum Islam abgehalten werden usw.). Innerhalb gewisser Grenzen (sozusagen im Rahmen des bürgerlichen Rechts) dürfen Juden und Christen in ihren eigenen Angelegenheiten Recht sprechen.
Doch die Sharia regelt ja nicht nur den Kult, sondern das ganze Leben des einzelnen Muslimen und ebenso der islamischen Gesellschaft, der Umma.
Wird ein Jude oder Christ nun straffällig, so ist nach islamischem Verständnis nicht nur die jüdische oder christliche Gemeinschaft, sondern ist vielmehr - und mit weit größerer Bedeutung - ebenso die islamische Gemeinschaft (Umma) als das islamische, allein Gott und seinem Propheten Muhammad verpflichtete Gemeinwesen betroffen, und über den Straftäter wird wie über jeden Muslim nach der Sharia Recht gesprochen, wobei es durchaus üblich ist, die Strafvorschriften der Juden und Christen (sprich das mosaische Gesetz) heranzuziehen, meist dann, wenn diese eine härtere Strafe vorsehen als das islamische Recht (was nicht häufig der Fall ist).
Die Einbeziehung des mosaischen Gesetzes in die Sharia zur Bestrafung von Juden und Christen geht auf eine Sitte Muhammads zurück. Dadurch fließt das mosaische Gesetz de jure in die Sharia ein und wird somit selbst Sharia-Recht, es wird gewissermaßen islamisiert. Eine Unterscheidung zwischen "mosaischem Gesetz" und "Sharia" ist also juristisch nicht von Belang, da das mosaische Gesetz in die Sharia aufgenommen und zur Anwendung gebracht wird.
Muslimische Apologetik
Die Empörung im Westen gegen das islamische Steinigen einer Ehebrecherin ruft natürlich eine islamische Apologetik auf den Plan.
Die muslimische Apologetik zum Thema "Steinigen bei Ehebruch" erklärt für gewöhnlich zwei Thesen:
1. Im Islam werde ein Ehebrecher angeblich nicht durch Steinigung bestraft, sondern durch Auspeitschen, Frauen würden zudem lebenslänglich im Haus eingesperrt
2. Ehebrecher durch Steinigung zu bestrafen, sei mosaisches Gesetz, und somit könne ja erstens weder Jude noch Christ etwas gegen diese Strafe haben, und zweitens sei es ja gerade im Falle jüdischer oder christlicher Ehebrecher durchaus gerechtfertigt, das mosaische Gesetz mit der Steinigung für Ehebrecher zur Anwendung zu bringen
Wir wolle diese Thesen nun untersuchen.
Erstens ist die Aussage, die Sharia kenne keine Steinigung für Ehebruch, unzutreffend. Tatsächlich findet sich im Koran kein Vers, nachdem die Strafe für Ehebruch die Steinigung wäre, aber dieser Vers hat nicht etwa nie existiert, sondern wurde abrogiert, das heißt aus dem Text entfernt. Hierin ist sich die Islamwissenschaft einig.
Der Islamkundler Dr. Christoph Heger schreibt zur Aussage, "im Islam soll die Frau mit Peitschenhieben bestraft werden, und lebenslang im Haus eingesperrt werden": "Das ist ein Irrtum. Nach Scharia-Recht sind männliche und weibliche Ehebrecher zu steinigen, wenn sie schon einmal in einer Ehe Geschlechtsverkehr hatten, und auszupeitschen, wenn noch nicht. Diese Regel stützt sich nicht nur auf die in diversen Hadithen behauptete Sunna ("Sitte") Muhammads, sondern auch auf den berühmten "Steinigungsvers", der nach der Theorie der Abrogation (al-naasiH wa l-mamsuwH zwar im Wortlaut (tilaawah) des Korans abrogiert ist, aber nicht in seiner Rechtskraft." (Quelle)
Die Islamwissenschaftlerin Dr. Christine Schirrmacher schreibt in ihrem Buch "Der Islam Band 1" (Neuhausen, 1994) auf Seite 329: "Ehebruch gilt im Islam generell als schweres Verbrechen, das nach den Bestimmungen des Korans mit je 100 Peitschenhieben für Mann und Frau bestraft (24,2) wird. Der Koran warnt hier ausdrücklich vor Milde aufgrund von Mitleid. Durchgesetzt im islamischen Recht hat sich jedoch nicht die Prügelstrafe, sondern die Todesstrafe durch Steinigung, da die Überlieferung diese Strafe benennt und davon ausgeht, daß auch der Koran einst diesen 'Steinigungsvers' enthalten habe. Ist der Täter unverheiratet, soll er mit der Prügelstrafe bestraft werden."
Übrigens ist die Behauptung, die Überführung einer Person des Ehebruchs sei nur durch vier Zeugen möglich, ist nicht ganz zutreffend. Tatsächlich kann eine Person sowohl durch Geständnis als auch durch vier Zeugen des Ehebruchs überführt werden.
Zur zweiten These, Ehebrecher durch Steinigung zu bestrafen, sei mosaisches Gesetz, und somit könne ja erstens weder Jude noch Christ etwas gegen diese Strafe haben, und zweitens sei es ja gerade im Falle jüdischer oder christlicher Ehebrecher durchaus gerechtfertigt, das mosaische Gesetz mit der Steinigung für Ehebrecher zur Anwendung zu bringen, ist folgendes zu sagen:
Das mosaische Gesetz ist für Christen ohne Bedeutung; zudem hat Jesus ja ausgerechnet eine wegen Ehebruch zum Tod durch Steinigung verurteilte Frau freigesprochen. Christen lehnen darum die Steinigung von Ehebrechern entschieden ab.
Hinter dieser These steckt freilich der kindische Gedankengang, "wenn die Juden und Christen die Steinigung als Strafe für Ehebruch kennen, können sie wohl kaum etwas gegen das Auspeitschen oder selbst die Steinigung von Ehebrechern im Islam sagen". Dieser Gedankengang, "was der darf, darf ich auch", muß wohl kaum kommentiert werden.
Freilich kann man auch schlecht eine christliche Frau, für die das mosaische Gesetz nicht gilt (aus der Sicht muslimischer Theologen und Rechtsgelehrter allerdings ist die "Abschaffung" des mosaischen Gesetzes durch die Christen nicht im Willen Gottes und somit ohnehin hinfällig, und sie setzen es in ihrer Rechtsprechung "stellvertretend" wieder ein) nach dem mosaischen Gesetz des Judentums bestrafen. Da es allerdings im Neuen Testament kein vergleichbares Strafgesetz wie im Alten Testament gibt, bleibt muslimischen Rechtsgelehrten, die eine christliche Ehebrecherin bestrafen wollen, entweder nur der Gang zum islamischen Recht (Auspeitschen und lebenslänglich einsperren oder aber Steinigung) oder zum mosaischen Gesetz. "Laufen lassen" will man eine solche Ehebrecherin natürlich nicht, vor allem dann nicht, wenn nicht nur eine Christin, sondern auch muslimische Männer in den Ehebruch einbezogen waren.
In diesem konkreten Fall ist aber die Frage, ob man eine christliche Ehebrecherin nun nach islamischem oder jüdischem Recht bestraft, irrelevant, weil die Frau in der Regel zum Tod durch Steinigung verurteilt wird. Da ist die Frage, ob nun das islamische oder das mosaische Gesetz greift, ohne jede praktische Bedeutung - und dient nur der Verteidigung des Islam: "Wir haben ja streng nach christlichem (!) Recht gehandelt".
Epilog
Bei der Abhandlung zu diesem Thema wurde eines sicherlich klar: Die Steinigung wegen Ehebruchs oder auch "nur" das Auspeitschen und lebenslange Einsperren im Hause betrifft vor allem Frauen. Männer kommen oftmals ohne Bestrafung weg - vor allem, wenn die Frau keine Muslimah ist, der Mann (oder die Männer) Muslime sind.
Die Steinigung von Ehebrechern ist in der Sharia vorgesehen und kann nicht wegdiskutiert werden. Die Anwendung der Sharia ist Pflicht für Muslime, freilich auch gegenüber Nichtmuslimen.
Was nun die Steinigung betrifft, so ist dieser Begriff für diese grausame Strafe eigentlich unpassend, verharmlosend. Das in einen weißen Umhang gekleidete Opfer wird bis zu den Schultern eingegraben und der Kopf dann mit Steinen beworfen, die nicht zu groß sein dürfen, bis - oft erst nach vielen Minuten - der Tod eintritt, meist durch einen "barmherzigerweise" besonders großen Stein.
Eines freilich fällt bei der muslimischen Apologetik "der Islam kennt nicht die Steinigung, sondern das Auspeitschen und Einsperren" völlig unter den Tisch: Die zur Verteidigung angeführte Prügelstrafe ist ebenso wenig wie das lebenslängliche Einsperren in irgend einer Form human. Es geht hier immerin um einhundert Peitschenhiebe - eine Strafe, die nicht selten ebenso tödlich ist wie die Steinigung. Und das lebenslange Einsperren einer Ehebrecherin (übrigens nach einigen islamischen Rechtsschulen auch einer Frau, die vom Islam abfällt) wird in der Regel so unmenschlich durchgeführt, wie man es sich kaum vorstellen kann: Die Frau wird in ein fensterloses Verließ eingemauert, zu dem nur eine kleine Klappe führt, durch die sie Nahrung und Wasser erhält. In diesem Loch muß die Frau dann bis zu ihrem Ende verharren, mitunter viele Jahre oder gar Jahrzehnte - ohne Licht, frische Luft, Gesellschaft oder irgend eine Form von Ablenkung.
Nicht umsonst bezeichnen manche Befürworter der Steinigung diese als die mildere Form der Bestrafung gegenüber dem Auspeitschen und dem lebenslangen Einsperren; obwohl das eigentlich im Widerspruch zum Koran steht, der den Gläubigen Milde in diesem Fall ausdrücklich verbietet.