Sehr interessanter Artikel ! Regt zum nachdenken an !
www.spiegel.de/spiegel/0,1518,514436,00.html
GELDPOLITIK
Party für Reiche
Von Wolfgang Reuter
Über Jahre hinweg haben die Notenbanken die Welt mit billigem Geld überschwemmt - und damit die Wohlhabenden noch wohlhabender gemacht. Jetzt droht die Inflation. Und die macht die Armen ärmer.
Wirtschaftliche Not kündigt sich an den Börsen an. Jede Stagnation, jeder Abschwung und jede Rezession geht mit fallenden Aktiennotierungen einher, oft sogar mit einem Absturz. Schwarzer Freitag heißt das dann, wie im Jahr 1929, oder Schwarzer Montag, wie 1987.
Börse (in Chicago): Wer zu der Sause Zutritt hatte, konnte eigentlich nichts falsch machen
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REUTERS
Börse (in Chicago): Wer zu der Sause Zutritt hatte, konnte eigentlich nichts falsch machen
Manchmal aber schickt das Unheil als Vorboten ein Kursfeuerwerk. Axel Weber, Chef der Bundesbank und Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), weiß das. Misstrauisch beobachtet er seit einigen Monaten die steil nach oben zeigenden Kurven der internationalen Wertpapier-Indizes, vor allem an den Warenterminbörsen.
Frühjahrsweizen beispielsweise, gehandelt an der Getreidebörse in Minneapolis, hat sich seit Mai von 5,50 Dollar pro Scheffel - etwa 35 Liter - auf 9 Dollar verteuert. Vor einem Jahr kostete das Getreide nur 4,60 Dollar pro Scheffel, ein Plus von fast hundert Prozent.
Der Preis von Mais und Sojabohnen ist binnen Jahresfrist an den wichtigsten Handelsplätzen um bis zu 70 Prozent gestiegen. Auch viele Metalle, Bauholz, Kautschuk, Wolle und andere Rohstoffe, die für Konsumartikel relevant sind, steigen seit Monaten stetig an. Weitere statistische Daten und Preisentwicklungen lassen ebenfalls nichts Gutes ahnen. Und außerdem übersteigt der Ölpreis immer neue Rekordmarken.
Am vergangenen Sonntag schlug Weber Alarm. "Als Notenbank machen wir uns in der Tat Sorgen", sagte der Geldpolitiker. "Was beunruhigt, ist der Anstieg der Preise auf breiterer Front, also nicht nur bei Energie und Nahrungsmitteln. Bis zum Jahresende könnte die Inflation auf drei Prozent steigen." Das wäre der größte Preisschub sei 14 Jahren.
Auch der Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, warnte düster, die Inflationsgefahr im Euro-Raum habe sich in den vergangenen Wochen erhöht - trotz der internationalen Finanzkrise und einer Konjunktur, die durch den starken Euro gedämpft werde. Es waren ungewöhnlich klare Aussagen für Währungshüter, die ihre Worte normalerweise auf die Goldwaage legen.
Die Mischung aus steigenden Preisen und schwächelnder Konjunktur ist der Alptraum eines jeden Notenbankers und Wirtschaftspolitikers. Sie bringt unweigerlich mehr Arbeitslose mit sich, geringere Staatseinnahmen und steigende Armut.
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Was Weber und Stark geflissentlich verschweigen: Schuld an der Misere sind sie und ihre Kollegen aus den wichtigsten Notenbanken der Welt selbst. Jahrelang haben sie die Welt mit so viel Geld überschwemmt wie niemals zuvor in der Geschichte. Hauptsache, die Konjunktur kam und blieb in Gang.
Das billige Geld wirkte zwar zunächst, wie es wirken musste: als Schmiermittel der Wirtschaft rund um den Globus und somit scheinbar wie ein Segen für die Welt.
Jetzt aber wird die Niedrigzinspolitik zum Fluch. Bereits in den vergangenen Jahren hat sie ganz wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Einkommen immer weiter auseinanderentwickelten. Die Reichen wurden, auch in Deutschland, mehr aber noch in den Vereinigten Staaten, immer reicher.
Mittlerweile ist die Liquiditätsschwemme, die von den Geldpolitikern verursacht wurde, kaum noch zu beherrschen. Wie die Zauberlehrlinge haben sich die Notenbanker in der Dosierung des Allheilmittels vertan und sich dabei in eine fast aussichtslose Lage manövriert.
Heben sie nun die Zinsen an, um die stetig anschwellende Inflation einzudämmen oder zumindest abzumildern, droht vor dem Hintergrund der Finanzkrise ein massiver Konjunktureinbruch. Bleiben sie jedoch weiter auf ihrem vergleichsweise niedrigen Zinsniveau, werden die Preise weiter nach oben schießen und die Armen unweigerlich noch ärmer machen. Denn Inflation wirkt wie eine große Umverteilungsaktion - von unten nach oben.
Es war ein Mittwoch, an dem die Welt begann, aus den Fugen zu geraten. Nur ahnte es damals noch niemand. Am 3. Januar 2001 senkte Alan Greenspan, damals Chef der mächtigen US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die amerikanischen Leitzinsen von 6,5 auf 6 Prozent. An sich ein unbedeutendes Ereignis - doch es war nur der erste von insgesamt 13 Schritten, mit denen die Währungshüter die Zinsen auf ein klägliches Prozent drückten.
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DER SPIEGEL
Aus Sicht der Fed machte das durchaus Sinn. Denn anders als die EZB, deren einziges Ziel die Geldwertstabilität ist, hat die Fed auch die Aufgabe, die Konjunktur anzuheizen. Und dafür gibt es kaum ein geeigneteres Mittel als niedrige Zinsen. Je niedriger die Zinsen sind, desto weniger lohnt sich das Sparen. Stattdessen macht es Sinn, das Geld auszugeben. Oder sich sogar Geld zu leihen und in Unternehmen zu investieren. Die Wirtschaft kann gar nicht anders, als in Schwung zu kommen.
Auch die beiden anderen wichtigen Notenbanken der Welt, die EZB und die Bank of Japan, senkten ihre Sätze, bis auf zwei beziehungsweise sogar 0,1 Prozent.
Doch das billige Geld hat seinen Preis, und der heißt Inflation. Je mehr Geld in Umlauf ist, desto schneller steigen die Preise - zumindest in der Theorie.
Tatsächlich passierte zunächst, was passieren musste: Die Geldmenge stieg weltweit kräftig an. Eigentlich ist das ein zuverlässiger Indikator für eine steigende Inflation. Doch die Konsumentenpreise blieben überraschend stabil.
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Konjunktur – Aufschwung für alle?
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1010 Beiträge
Neuester: Heute 21:20 Uhr
von firstart
Der Grund dafür lag in der immer vernetzteren Welt mit immer mehr Wettbewerb und immer weniger Handelsbeschränkungen. Den Unternehmen in den großen Industriestaaten fehlte die Macht, höhere Preise durchzusetzen, weil die Angebote von Konkurrenzprodukten, auch aus den Schwellenländern, qualitativ immer besser und obendrein günstiger wurden. Das galt zunehmend selbst für Investitionsgüter, also für Maschinen und Anlagen, mit denen die eigene Produktion gesteigert werden kann.
Stattdessen flossen die überschüssigen Dollar, Euro oder Yen in lukrativere Anlageformen. Die Börsen in China und Indien, aber auch in anderen aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften boomten, ebenso wie in der Türkei und in Südamerika. Auch die Immobilienpreise in den USA, in England oder Spanien stiegen.
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Wirtschaftliche Not kündigt sich an den Börsen an. Jede Stagnation, jeder Abschwung und jede Rezession geht mit fallenden Aktiennotierungen einher, oft sogar mit einem Absturz. Schwarzer Freitag heißt das dann, wie im Jahr 1929, oder Schwarzer Montag, wie 1987.
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Manchmal aber schickt das Unheil als Vorboten ein Kursfeuerwerk. Axel Weber, Chef der Bundesbank und Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), weiß das. Misstrauisch beobachtet er seit einigen Monaten die steil nach oben zeigenden Kurven der internationalen Wertpapier-Indizes, vor allem an den Warenterminbörsen.
Frühjahrsweizen beispielsweise, gehandelt an der Getreidebörse in Minneapolis, hat sich seit Mai von 5,50 Dollar pro Scheffel - etwa 35 Liter - auf 9 Dollar verteuert. Vor einem Jahr kostete das Getreide nur 4,60 Dollar pro Scheffel, ein Plus von fast hundert Prozent.
Der Preis von Mais und Sojabohnen ist binnen Jahresfrist an den wichtigsten Handelsplätzen um bis zu 70 Prozent gestiegen. Auch viele Metalle, Bauholz, Kautschuk, Wolle und andere Rohstoffe, die für Konsumartikel relevant sind, steigen seit Monaten stetig an. Weitere statistische Daten und Preisentwicklungen lassen ebenfalls nichts Gutes ahnen. Und außerdem übersteigt der Ölpreis immer neue Rekordmarken.
Am vergangenen Sonntag schlug Weber Alarm. "Als Notenbank machen wir uns in der Tat Sorgen", sagte der Geldpolitiker. "Was beunruhigt, ist der Anstieg der Preise auf breiterer Front, also nicht nur bei Energie und Nahrungsmitteln. Bis zum Jahresende könnte die Inflation auf drei Prozent steigen." Das wäre der größte Preisschub sei 14 Jahren.
Auch der Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark, warnte düster, die Inflationsgefahr im Euro-Raum habe sich in den vergangenen Wochen erhöht - trotz der internationalen Finanzkrise und einer Konjunktur, die durch den starken Euro gedämpft werde. Es waren ungewöhnlich klare Aussagen für Währungshüter, die ihre Worte normalerweise auf die Goldwaage legen.
Die Mischung aus steigenden Preisen und schwächelnder Konjunktur ist der Alptraum eines jeden Notenbankers und Wirtschaftspolitikers. Sie bringt unweigerlich mehr Arbeitslose mit sich, geringere Staatseinnahmen und steigende Armut.
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Das billige Geld wirkte zwar zunächst, wie es wirken musste: als Schmiermittel der Wirtschaft rund um den Globus und somit scheinbar wie ein Segen für die Welt.
Jetzt aber wird die Niedrigzinspolitik zum Fluch. Bereits in den vergangenen Jahren hat sie ganz wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Einkommen immer weiter auseinanderentwickelten. Die Reichen wurden, auch in Deutschland, mehr aber noch in den Vereinigten Staaten, immer reicher.
Mittlerweile ist die Liquiditätsschwemme, die von den Geldpolitikern verursacht wurde, kaum noch zu beherrschen. Wie die Zauberlehrlinge haben sich die Notenbanker in der Dosierung des Allheilmittels vertan und sich dabei in eine fast aussichtslose Lage manövriert.
Heben sie nun die Zinsen an, um die stetig anschwellende Inflation einzudämmen oder zumindest abzumildern, droht vor dem Hintergrund der Finanzkrise ein massiver Konjunktureinbruch. Bleiben sie jedoch weiter auf ihrem vergleichsweise niedrigen Zinsniveau, werden die Preise weiter nach oben schießen und die Armen unweigerlich noch ärmer machen. Denn Inflation wirkt wie eine große Umverteilungsaktion - von unten nach oben.
Es war ein Mittwoch, an dem die Welt begann, aus den Fugen zu geraten. Nur ahnte es damals noch niemand. Am 3. Januar 2001 senkte Alan Greenspan, damals Chef der mächtigen US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die amerikanischen Leitzinsen von 6,5 auf 6 Prozent. An sich ein unbedeutendes Ereignis - doch es war nur der erste von insgesamt 13 Schritten, mit denen die Währungshüter die Zinsen auf ein klägliches Prozent drückten.
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Aus Sicht der Fed machte das durchaus Sinn. Denn anders als die EZB, deren einziges Ziel die Geldwertstabilität ist, hat die Fed auch die Aufgabe, die Konjunktur anzuheizen. Und dafür gibt es kaum ein geeigneteres Mittel als niedrige Zinsen. Je niedriger die Zinsen sind, desto weniger lohnt sich das Sparen. Stattdessen macht es Sinn, das Geld auszugeben. Oder sich sogar Geld zu leihen und in Unternehmen zu investieren. Die Wirtschaft kann gar nicht anders, als in Schwung zu kommen.
Auch die beiden anderen wichtigen Notenbanken der Welt, die EZB und die Bank of Japan, senkten ihre Sätze, bis auf zwei beziehungsweise sogar 0,1 Prozent.
Doch das billige Geld hat seinen Preis, und der heißt Inflation. Je mehr Geld in Umlauf ist, desto schneller steigen die Preise - zumindest in der Theorie.
Tatsächlich passierte zunächst, was passieren musste: Die Geldmenge stieg weltweit kräftig an. Eigentlich ist das ein zuverlässiger Indikator für eine steigende Inflation. Doch die Konsumentenpreise blieben überraschend stabil.
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Der Grund dafür lag in der immer vernetzteren Welt mit immer mehr Wettbewerb und immer weniger Handelsbeschränkungen. Den Unternehmen in den großen Industriestaaten fehlte die Macht, höhere Preise durchzusetzen, weil die Angebote von Konkurrenzprodukten, auch aus den Schwellenländern, qualitativ immer besser und obendrein günstiger wurden. Das galt zunehmend selbst für Investitionsgüter, also für Maschinen und Anlagen, mit denen die eigene Produktion gesteigert werden kann.
Stattdessen flossen die überschüssigen Dollar, Euro oder Yen in lukrativere Anlageformen. Die Börsen in China und Indien, aber auch in anderen aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften boomten, ebenso wie in der Türkei und in Südamerika. Auch die Immobilienpreise in den USA, in England oder Spanien stiegen.