Ben Bernanke verursachte gestern den Kursrutsch an den US Börsen:
Kriminalfall Ben Bernanke, ein Psychogramm
Und wieder betätigte sich Ben Bernanke als Buhmann der Märkte. Nachdem schon die Ankündigung des Irans im Falle eines Militärschlages der USA Öl als Waffe einzusetzen, die Märkte verunsicherte, setzte Ben Bernanke dem ganzen noch die Krone auf: Er erklärte gestern auf einer Banken-Veranstaltung in Washington, an der auch der EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und der stellvertretende japanische Notenbankchef Toshiro Muto teilnahm: Der Markt solle nicht die Fed in ihrem Bestreben, die Inflation einzudämmen, unterschätzen. Die jüngsten Zahlen hätten gezeigt, dass die Kerninflation zunehme und damit am oberen oder sogar über dem oberen Ende der Spanne liege, welche die Fed als optimal betrachte.
Kurz: Wir müssen mit weiteren Zinserhöhungen rechnen. Sieht er nicht, dass sich die US-Konjunkturdaten massiv verschlechtern? Erneut bekräftigte er jedoch auch, dass die Fed nun, mehr den je auf das Bild der wirtschaftlichen Entwicklung achte, welches durch die monatlichen Konjunkturdaten beschrieben wird. Zudem wies er auch auf den Verzögerungseffekt der Zinserhöhungen hin, den ich hier häufiger erwähnt habe. Demnach müsste er aber die Zinserhöhungen aussetzen?
Kriminalistischer Spürsinn dringend notwendig!
Es wird Zeit, mit kriminalistischem Spürsinn die Figur des Ben Bernanke zu durchleuchten. Profiler erstellen in der Kriminalistik (u.a.) ein charakteristisches Persönlichkeitsbild des Täters, um Hinweise auf sein (weiteres) Handeln zu erhalten. Es sei mir mit einem Zwinkern in den Augen erlaubt, diese Tätigkeit auf Ben Bernanke anzuwenden.
Wer ist Ben Bernanke, was treibt ihn, wie agiert er, was ist sein Ziel? Diese Frage ist letzten Endes wesentlich und entscheidend für die weitere Entwicklung in den USA und hängt damit direkt mit der weiteren Entwicklung der weltweiten Börsen zusammen!
Ben Bernanke, aus der Sicht eines Laien-Profilers
Ben Bernanke wurde am 13. Dezember 1953 in Augusta, Georgia geboren. Er machte seinen Highschool-Abschluss 1971 und promovierte 1979 am Massachusetts Institute of Technology.
Zwischen 1996 und 2002 war er Professor und dann Vorsitzender der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Princeton. 2002 wurde er zum Gouverneur im Federal Reserve Board. Am 21. Juni 2005 wurde er von US-Präsident Bush zum Vorsitzenden des Council of Economic Advisers, einem der wichtigsten wirtschaftspolitischen Gremien der amerikanischen Regierung, ernannt. Der Rest ist bekannte Geschichte.
Zielstrebig und machtorientiert
Soweit so gut. Aus diesen wenigen Daten geht hervor, dass Ben Bernanke „zielstrebig“ und auch „machtorientiert“ ist. Anders ist eine derart schnelle Karriere kaum denkbar. Offenbar weiß er sich dabei gut zu verkaufen und Menschen auf seine Seite zu bringen. In diesem Zusammenhang wird ihm nachgesagt, er sei „umgänglich“ und „humorvoll“. Interessanterweise gilt er trotzdem als schüchtern und introvertiert, als Bücherwurm, der Statistiken liebt.
Wir wissen, dass Ben Benanke viele Vorschusslorbeeren aus der Finanzwelt erhalten hat. Er gilt als hochintelligenter Mann, der über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügt. Gern wird darauf hingewiesen, dass er als Schüler den nationalen Buchstabierwettbewerb gewonnen hat.
(Ob das ein Hinweis auf Intelligenz, oder aber eher ein Hinweis auf gute Lernfähigkeit und hohem Eifer ist, sei einmal dahingestellt, es passt aber zu seinem Hang zu Statistiken.)
Allerdings auch hier gilt: Wer so einen Wettbewerb gewinnen will, muss sehr ehrgeizig sein und seine Ziele hinter alles andere (soziale Kompetenz, etc) stellen.
Typisch Professor, fehlender Realitätssinn?
Ben Beranke hasst Anzüge und wurde sogar schon von Präsident Bush wegen seiner beigefarbenen Socken scherzhaft gerügt. Ben Bernanke reagierte humorvoll und kaufte daraufhin beigefarbene Socken für den gesamten Beraterstab (beratungsresistent?). Er arbeitete eine Zeit als Chefredakteur des angesehenen Fachjournals American Economic Review, schrieb viele Artikel und Veröffentlichungen. Schon als Doktorand am Massachusetts Institute of Technology hatte er Ende der siebziger Jahren den 1929er Crash und die damalige Depression eingehend studiert. Auffällig ist, dass er an diesem Thema noch viele Jahre so lange weiter arbeitete, bis er „zum Schluss“ das bisherige Lösungsszenario der Ökonomen: Die Fed hätte damals nur ausreichend viel Geld in die Wirtschaft pumpen müssen, um den Crash zu verhindern“, um einen weiteren Aspekt erweiterte: Bernanke ist der Auffassung, dass das nicht alleine ausgereicht hätte, die Fed hätte auch den Banken finanziell zur Seite stehen müssen, dann wäre auf den Crash 1929 nur eine mäßige Konjunktur-Delle gefolgt (hier erkennen Sie übrigens auch schon den ersten Ansatz der bekannten späteren Hubschrauberaussage.)
Wir haben es also mit einem ausgesprochenen Theoretiker zu tun. Wir können uns offenbar als Ansatzpunkt das typische Negativklischee des etwas weltfremden Mathematikstudenten zur Hilfe nehmen, um einen gewissen Eindruck von Ben Bernankes Persönlichkeit zu erhalten. Eine Abweichung findet sich lediglich in der Umgänglichkeit und des Humors. Es bleibt dann jedoch das typische Bild des „mathematischen“ weltfremden Professors übrig, welches ich hier schon einige Male umrissen hatte.
Kaum schlechte Erfahrungen
Im Gegensatz zu Alan Greenspan (geboren 1926) hat Ben Bernanke in seinem Leben kaum ernsthafte Krisen miterlebt. Er wuchs in den unbeschwerten 50er Jahren auf, sein Vater war Apotheker, seine Mutter Lehrerin. Die Angst Greenspans vor Depression und Krisen, die sicherlich auch aus Kindheitserfahrungen resultierte, dürfte er insoweit nicht teilen (Alan Greenspans Vater war zudem Börsenmakler, daher resultierte von jeher eine enge Verbindung zu den Märkten). Man sagt Bernanke sogar nach, er stelle eine gewisse Arroganz zur Schau, nach dem Motto, das jedwede Situation an den Märkten zu überstehen und zu regeln sei. Kein Wunder, die Ölkrisen in den 70er, der 87er Crash, etc. alles wurde mit Bravour gemeistert und haben den USA nicht schaden können. Eine gefährliche Arroganz, aus der meines Erachtens auch die Gefahr eines Bernanke-Crashs erwächst. Der Markt lehrt Demut...
Theorien und bekannte Ziele von Ben Bernanke
Wir wissen, dass Ben Bernanke zur Bekämpfung der Deflation sogar zu drastischen Schritten bereit wäre. Nach seinen Worten ist Deflation kein „großes Problem“, man könne schließlich notfalls auch Geld aus einem Hubschrauber abwerfen. Diese Aussage bestätigt erstens die oben beschriebene Arroganz: Zu jedem Problem gäbe es eine Lösung, aber es steckt noch etwas anderes dahinter. Natürlich unterstützt auch diese Aussage den Eindruck, dass Ben Bernanke extrem zielstrebig ist. Doch darüber hinaus ist sie auch ein Hinweis darauf, dass ihm zur Erreichung seiner Ziele jedes noch so abstruse Mittel recht ist. Ein Hinweis auf eine: „Der Zweck heiligt die Mittel“-Ideologie. Das wiederum auch wieder ein Hinweis auf den etwas „weltfremden/theoretischen“ Charakter und auf eine mögliche Beratungsresistenz.
Inflationsziel
Als Professor war er ein Verfechter der auch von der EZB betriebenen Inflationssteuerung. Es geht hierbei darum, dass die Zentralbanken nicht mehr primär, wie bisher, die Geldmenge als Instrumentarium benutzen, um die Inflationsgefahren zu begegnen, sondern über die kurzfristigen Zinssätze Einfluss nehmen sollen. (Übrigens ist hierin auch der „wirkliche“
Grund zu finden, warum die USA die Geldmenge M3 nicht mehr veröffentlicht, nicht wie einige Skeptiker meinen, um das wahre Ausmaß der nur von ihnen gesehenen „Katastrophe“ zu verschleiern. Die Fed versucht einfach die Märkte auf eine andere Sichtweise: „Inflationsziel“ einzuschwören und damit von der Geldmengenentwicklung ab zu bringen.)
Der Hintergrund ist folgender: Die Steuerung der Inflation über die Zinsraten führe zu mehr Transparenz, so die Theorie. Wenn ein klares Zins- und Inflationsziel angegeben werde, könnten die Märkte besser als sonst beurteilen, wie die Zentralbank mit der weiteren Zinspolitik vorgehen werde. Das könne Unsicherheiten reduzieren und damit die Gefahren für die Märkte eindämmen. Der Markt solle zudem so langfristiges Vertrauen in die Preisstabilität haben können (Politik des starken Dollars!).
Bernanke tritt damit für eine offenere und vorhersehbarere Informationspolitik der Notenbank ein. Dies steht allerdings im Widerspruch zu zahlreichen Traditionen. Wir erkennen auch hier seinen Einfluss daran, dass die Notenbankprotokolle bereits jetzt schon früher als sonst veröffentlicht werden (Alan Greenspan war übrigens immer ein vehementer Gegner einer festen Regelbindung der Geldpolitik – er wird wissen, warum.)
Doch Ben Bernanke geht noch weiter: Die Festlegung eines so genannten Inflationsziels bedeutet für ihn, die Notenbank kündigt für einen Zeitraum von zwei Jahren klar an, wie niedrig die Inflation sein solle, und versucht dann alles, um sich daran zu halten (Der Zweck heiligt die Mittel s.o.). Die Zielmarke hat er auch genannt, ähnlich der Zielmarke der EZB 2 %.
Zusammenfassung:
Wenn ich das soweit betrachte, entsteht das Bild eines extrem zielstrebigen Theoretikers, der vielleicht in der Gefahr steht, die Realität aus den Augen zu verlieren. Das Bild unterstützt den Eindruck, den wir in den letzten Wochen gewinnen konnten: Ben Bernanke scheint noch nicht so recht mit diesen „hysterischen“ und „emotionalen“ Märkten zurecht kommt. Sie passen offenbar nicht so recht in sein „vernunftbegabtes“, weltfremdes mathematisch starres Weltbild.
Wir wissen aber, dass die Märkte nicht „vernünftig“ reagieren. Und so scheinen die Versuche Ben Bernankes zur Transparenz und Ehrlichkeit, wie auch Zielstrebigkeit im Moment (noch ?) zu mehr Verwirrung, als Klarheit zu führen. Insoweit kann es sein, wie ich schon einmal geschrieben habe, das Ben Bernanke vielleicht einen gewissen „Elfenbeinturm-Komplex“ unterliegt. Sein Ziel: Transparenz, die Wirkung: Verunsicherung. Darin liegt die Gefahr, dass der Markt ihn aus diesem Elfenbein schmerzhaft runter holen wird.
Die Zielstrebigkeit, die jedes Mittel „heiligt“, verbunden mit der Arroganz, dass man jedes Problem an den Märkten schon lösen könne, kann im schlimmsten Falle dazu führen, dass Ben Bernanke die Erreichung des Inflationsziels 2 % allen anderen Zielen voranstellt. Wenn er dabei dann auch noch die Reaktion der Märkte ignoriert und ein wenig scheint das bereits der Fall zu sein – siehe gestern, könnte das eine gefährliche Mischung geben.
Inflationsziel kontra wirtschaftliches Wachstum
Nun soll aber die US-Notenbank nicht nur die Inflation stabil halten, sondern im Gegensatz zur EZB laut Gesetz auch ein wirtschaftliche Wachstum anstreben.
Und das ist einer der wichtigsten Traditionsbrüche, von denen ich weiter oben geschrieben habe. Wird Ben Bernanke sich hier gegen die anderen Fed-Mitglieder durchsetzen können? Die Hinweise weisen ihn als beratungsresistent aus. Zuzutrauen ist ihm das demnach durchaus. Nur, die USA ist nicht Europa. Und selbst hier in Deutschland (Exportweltmeister) haben diese seltsamen Zielvorgaben (starke DM/Inflationsziele) schon zu seit Jahrzehnten anhaltenden, eher deflationären Tendenzen bei niedrigem Wirtschaftswachstum geführt. Die Folge davon erleben wir in Form hoher Arbeitslosigkeit, die mittlerweile ihrerseits zu Problemen mit dem Sozialstsaat führt. Die USA kann sich dieses Szenario eigentlich nicht erlauben.
Ben Bernanke, der niemals eine tiefe Rezession erlebt hat, könnte also tatsächlich die bisherige sehr auf Wachstum ausgerichtete Politik des Alan Greenspans umkehren – die Folgen davon sind kaum abzusehen.
Fazit:
Wir müssen damit rechnen, dass Ben Bernanke seine neue Inflations-Politik mit ignoranter Vehemenz durchsetzt. Die Anzeichen und Hinweise dazu sind mehr als deutlich. Wir müssen uns damit von der Hoffnung verabschieden, dass er als Notenbankchef anders agiert, wie als theoretisierender Professor. Wir haben es zudem nicht mehr mit einem Notenbankchef zu tun, der Wachstum an erster Stelle sieht. Es steht zu befürchten, dass Ben Bernanke als
Theoretiker an seiner Theorie festhalten wird, bis der Markt ihn vom Gegenteil überzeugt.
Während Alan Greenspan die Geldpolitik (zurecht) als Kunst bezeichnete, wird Ben Bernanke versuchen, sie in starre Regeln und Statistiken zu quetschen – ein unsinniges, wenn nicht gar gefährliches Unterfangen. Man kann es mit folgendem Vergleich am treffendsten umschreiben: Der US-Notenbank wurde ein vielleicht genialer, sicherlich auch etwas verrückter „Künstler“ der Märkte genommen, stattdessen hat sie einen weltfremden Beamten dafür erhalten.
Ich glaube jedoch, dass der Markt das erst langsam verstehen wird. Wir erleben im Moment die ersten Erschütterungen, welche diese neue Politik verursacht. Hoffen wir, dass Ben Bernanke diese Warnschüsse versteht und entsprechend reagiert, auch wenn ich nach meinen Recherchen (s.o.) so meine Zweifel habe.
Kurzfristig wird der Markt noch auf eine Aussetzung der Zinserhöhungen aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten spekulieren, zudem nähern sich wie gesagt, die Kongresswahlen. Mittelfristig müssen wir mehr und mehr mit einem Notenbankchefwechsel-Crash rechnen und zwar wird immer deutlicher in welcher Anlageklasse: Am Aktienmarkt.
Investors daily