Kriegsanst versetzt die Aktienmärkte in Unruhe

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Kriegsanst versetzt die Aktienmärkte in Unruhe

 
28.01.03 08:58
Kriegsangst, Konjunktursorgen und Zwangsverkäufe lassen Kurse fallen / Gold steigt weiter


bf. FRANKFURT, 27. Januar. Kriegsangst und zwischenzeitliche Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des Irakkonflikts haben die Kurse an den Finanzmärkten am Montag heftig schwanken lassen. Am Abend drehten die Aktienmärkte wieder deutlich ins Minus, als UN-Inspektor Hans Blix berichtete, daß der Irak Nervengas entwickle. Damit sei ein Krieg mit seinen ungewissen Folgen für die Weltwirtschaft wahrscheinlicher geworden, kommentierten Händler. Der Deutsche Aktienindex Dax lag daraufhin 3,7 Prozent tiefer bei 2617 Punkten, konnte sich dann aber wieder auf 2652 Punkte erholen. Der Index lag zeitweise nur noch knapp 100 Punkte über seinem zyklischen Tief vom vergangenen Oktober.

Kriegsangst und Konjunktursorgen ziehen inzwischen Kreise: Nach den tagelangen Kursverlusten an den Aktienmärkten bangen Anleger um die finanzielle Stabilität der Versicherer. Das hat die Aktien vieler Versicherer zum Wochenauftakt kräftig fallen und die allgemeine Verkaufswelle weiter anschwellen lassen. Der DJ Stoxx 50-Index für die wichtigsten Titel im Euroraum, Großbritannien, Scheden und der Schweiz ist daraufhin erstmals unter sein zyklisches Tief vom vergangenen Oktober gefallen. Mit zeitweilig 2138 Punkten sank er auf den niedrigsten Stand in fünfeinhalb Jahren. Von der "Flucht aus Aktien" profitierten wie schon an den Tagen zuvor Staatsanleihen und Gold. Der Euro setzte seinen Höhenflug fort und stieg zeitweilig auf 1,0905 Dollar; am Abend wurde er mit 1,0852 Dollar gehandelt.

Mehrere deutsche Standardwerte, darunter TUI, Eon, Daimler-Chrysler, Schering und Münchner Rück, fielen auf mehrjährige Tiefs. Die TUI-Aktie leidet unter der Angst, daß ein Krieg das Tourismusgeschäft auf Dauer verhagelt. Bei Schering und vielen anderen Werten belastet, daß wegen der kräftigen Euro-Aufwertung Einbußen im Exportgeschäft befürchtet werden. Auch zum Yen ist der Euro am Montag zeitweilig auf ein langjähriges Hoch gestiegen. Die Eon-Aktie - und viele weitere europäische Versorgerwerte - wiederum drückt, daß die Konjunkturschwäche die Energienachfrage dämpft. Diese Sorgen haben dazu beigetragen, daß europäische Energiewerte seit Jahresbeginn im Durchschnitt rund 15 Prozent gefallen sind; ihr Index bildet damit das Schlußlicht der Stoxx-Branchenindizes.

In Europa zählten am Montag Versicherer-Aktien zu den größten Tagesverlierern, darunter Münchner Rück, ING, Axa und Swiss Re. Händler erklärten dies damit, daß Versicherer einen Teil ihres Vermögens in Aktien anlegen. Die fortwährenden Kursverluste haben die Vermögenswerte wieder kräftig schrumpfen lassen. Daran machen sich Sorgen über etwaige Schieflagen bei einzelnen Unternehmen fest. Als besonders brisant gilt die Lage britischer Versicherungsunternehmen, da viele von ihnen besonders stark am Aktienmarkt engagiert sind. Weiter wird befürchtet, daß die Aufsichtsbehörden viele Versicherer nun zwingen könnten, ihre Aktienportefeuilles zur Begrenzung ihrer Risiken zurückzustutzen und Aktien zu verkaufen. Das würde den allgemeinen Kursdruck aufgrund der Kriegsangst sowie der Konjunktursorgen noch verstärken.

Die Spirale aus sinkenden Aktienkursen, Zwangsverkäufen und weiter fallenden Kursen könnte damit eine Eigendynamik entfalten. Solche Abwärtsspiralen wiederum sind ein gefundenes Fressen für kaltblütige Investoren wie zum Beispiel die Manager von Hedgefonds: Sie machen sich die Zwangslage zu Nutze, indem sie geliehene Aktien leerverkaufen - und damit den Kursdruck noch verstärken. Damit wird bezweckt, die betreffenden Papiere später zu niedrigeren Kursen zurückzukaufen und aus der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs (abzüglich des Leihzinses) einen Gewinn zu erzielen.

Von den Kursverlusten an den Aktienmärkten profitierten Staatsanleihen. Ihre Kurse sind wegen Umschichtungen von Aktien in Anleihen zunächst weiter gestiegen. Die Renditen von Bundesanleihen fielen daraufhin zeitweilig auf mehrjährige Tiefstände. Im Verlauf gaben die Anleihekurse allerdings nach. Kräftige Nachfrage trieb auch den Preis der traditionellen Fluchtwährung Gold weiter nach oben. In der Spitze wurden für die Feinunze Gold mit sofortiger Lieferung 373,15 Dollar gezahlt, der höchste Preis in sechs Jahren.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.2003, Nr. 23 / Seite 21
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