Hilft ein Irak-Krieg der Weltwirtschaft?
Deutsche Bank erwartet einen US-amerikanischen Angriff im Januar
Von Hermannus Pfeiffer
Der Krieg gegen Irak bricht im Januar aus. Für diesen Zeitpunkt rechnet die Deutsche Bank mit einem Angriff der USA. Die Banker erwarten dadurch eine »spürbare Erholung der Weltkonjunktur«. Die deutsche Wirtschaft rechnet im Falle eines Krieges mit einem schweren Schlag gegen die Konjunktur.
Derzeit deuten mehrere Anzeichen darauf hin, dass der Konflikt in den letzten beiden Januar-Wochen ausbrechen dürfte«, versichert die Deutsche Bank in ihrem jetzt veröffentlichen Ausblick für das erste Quartal des kommenden Jahres 2003. Das deutlichste Signal sehen die in New York ansässigen Finanzanalysten der Deutschen Bank in der Stationierung von fünf Flugzeugträgerverbänden in der Golfregion, die ab Anfang Januar vollzogen sein wird.
Bei ihrer Kriegserwartung kalkuliert die Deutsche Bank offensichtlich damit, dass der tatsächliche Inhalt des irakischen Berichts über Massenvernichtungswaffen keineswegs über das »Ob« eines Waffengangs entscheidet, sondern diese Entscheidung scheine in Washington längst gefallen zu sein. Seit September, so zählen die Geldverleiher akribisch auf, hat die USA-Luftwaffe an 33 Tagen 48 Luftabwehrstellungen Iraks bombardiert. »Wären zwei andere Länder beteiligt, würde dies bereits als Krieg bezeichnet werden«, heißt es in der Analyse »Globale Trends Q1 2003« durchaus überzeugend.
Für die Weltwirtschaft wäre eine Invasion nach Meinung der Bank kein Menetekel. So könnte Irak, in dessen Boden ein Zehntel der nachgewiesenen Ölreserven der Erde lagert, seine tägliche Fördermenge leicht verdoppeln und dadurch den Ölpreis international herabdrücken, was den Industriestaaten zugute käme. Für die Weltwirtschaft bietet ein Krieg aus Sicht der Deutsch-Banker eine große Chance, denn eine spürbare Erholung der Weltkonjunktur hänge davon ab, dass ein rascher Erfolg der USA »wie erwartet« errungen werde.
Begründet wird diese Hoffnung auf einen militärisch ausgelösten Konjunkturaufschwung mit der »abnehmenden Unsicherheit« nach einem Krieg. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende? Dann würden die Unternehmen nämlich endlich wieder investieren und Arbeitskräfte einstellen, wodurch wiederum das Verbrauchervertrauen und der Konsum beflügelt würden.
Ohne den Irak-Krieg beim Namen zu nennen, hatte auch der Präsident der US-Notenbank, Alan Greenspan, im New Yorker Wirtschaftsclub nach dem Krieg einen Wachstumssprung vorausgesagt. Positive Kriegseffekte erwartet die Deutsche Bank für die USA, Großbritannien und Euroland. Nur Japan werde durch den Krieg nicht aus seiner Dauerdepression erwachen. Immerhin zeichnet sich auch für Tokio ein bescheidenes Mini-Wachstum ab.
Freilich kann selbst die Deutsche Bank nicht in die Zukunft schauen. Mit dem Hinweis auf die American Academy of Arts and Sciences wird in einem »pessimistischen Krisenszenario« erwartet, dass die US-amerikanische Besetzung und der Wiederaufbau Iraks sehr kostspielig werden. Zudem könnten die weltweiten Ölmärkte und die globale Konjunktur stark in Mitleidenschaft gezogen werden. In einem solchen Fall belaufen sich die Kosten im Laufe eines Jahrzehnts auf 1,9 Billionen Dollar. Eine Summe, die immerhin dem jährlichen Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik entspricht.
Auch ohne Krieg wird die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) 2003 schwer zu strampeln haben. Man habe jedoch »die Chance auf eine allmähliche Erholung im Frühjahr, wenn es nicht zu einem anhaltenden Irak-Krieg kommt«, sagte der Präsident des Verbandes, Ludwig Georg Braun, am Montag. Er rechne dann mit einer anziehenden Weltwirtschaft. Sollte es allerdings zu einem Irak-Krieg kommen, sei das Ausmaß der Schäden für die deutsche und weltweite Wirtschaft nicht einschätzbar. Dies hänge auch von der Stabilität im gesamten Nahen Osten ab. Sicher werde der Ölpreis in die Höhe schießen. »Auf jeden Fall wäre es ein schwerer Schlag gegen die Weltkonjunktur, von der wir nun mal abhängen«, betonte Braun.
(ND 24.12.02)