01. Oktober 2003 Mit der abnehmenden Konjunkturzuversicht fallen die Zinsen: Zur Wochenmitte sind die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen sowohl in Amerika als auch im Euroraum unter 4 Prozent gerutscht. Der jüngste Zinsrückgang in Amerika straft diejenigen Fachleute Lügen, die wegen der Dollar-Schwäche vor einem kräftigen Anstieg der Renditen gewarnt haben. Zu den Käufern amerikanischer Staatspapiere dürfte im September nicht zuletzt die japanische Notenbank gehört haben, die nach eigenen Angaben bei Interventionen am Devisenmarkt rund 40 Milliarden Dollar angekauft hat. Die weitere Zinsentwicklung dürfte Fachleuten zufolge aber vor allem von der Entwicklung der Konjunktur in Amerika geprägt werden.
Auf beiden Seiten des Atlantiks liegen die Renditen derzeit wieder ungefähr auf dem gleichen Niveau wie zu Jahresbeginn - allerdings nach heftigen Schwankungen. So hatte die Angst vor Deflation die Zinsen im Frühjahr auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten gedrückt. Aufkommender Konjunkturoptimismus hatte sie dann bis Anfang September steil nach oben schießen lassen, wobei das Auf und Ab an den amerikanischen Märkten viel kräftiger ausfiel als im Euroraum (siehe Graphik).
Analysten sehen Konjunkturentwicklung in Amerika optimistisch
Robert Gay, globaler Zinsstratege der Commerzbank, erklärt die heftigen Zinsschwankungen in Amerika mit einem technischen Faktor: Aufgrund einer Kündigungsoption reagierten die Kurse amerikanischer Hypothekenanleihen auf eine Änderung des allgemeinen Zinsniveaus überproportional; dies wiederum lasse auch die Kurse von Staatsanleihen stark schwanken. So habe der Markt von Mitte Juni bis Ende Juli eine "Mini-Krise" erlebt, in der die Zinsen nach oben geschnellt seien. Seit einigen Wochen habe sich die Krisenstimmung wieder gelegt, was dem jüngsten Zinsrückgang den Boden bereitet habe. Gay geht davon aus, daß in nächster Zeit vor allem die Konjunkturerwartungen die Zinsentwicklung bestimmen werden. Er selbst erwartet, daß der Aufschwung in Amerika andauert. Deshalb werde verstärkte Kreditnachfrage die Zinsen nach oben treiben. So sieht Gay die Renditen zehnjähriger Treasuries in den nächsten sechs Monaten zwischen 3,95 und 4,65 Prozent schwanken. Sollte die Konjunktur in Amerika aber nicht halten, was sie derzeit verspreche, seien niedrigere Zinsen möglich, räumt Gay ein.
Nach Ansicht von Ulrich Beckmann, einem Zinsexperten bei der Deutschen Bank in Frankfurt, ist auf absehbare Zeit nicht damit zu rechnen, daß die Bank of Japan ihre Ankäufe von Dollar einschränkt und damit als Nachfrager amerikanischer Staatsanleihen ausfällt. Deshalb dürfte vor allem das Wirtschaftswachstum das Geschehen an den Anleihemärkten bestimmen. Ähnlich wie Gay ist Beckmann für die Konjunktur in Amerika optimistisch. Als Konsequenz sieht er die Rendite zehnjähriger Treasuries bereits bis Jahresende auf 4,85 Prozent nach oben schießen. Im Euroraum dürften die Anleihemärkte wohl etwas von Kapitalzuflüssen aus dem Dollar-Raum profitieren, sagt Beckmann. Doch dürfte auch hierzulande eine konjunkturbedingt anspringende Kreditnachfrage der dominierende Faktor bleiben. Deshalb werde der Zins für zehnjährige Bundesanleihen bis Jahresende auf 4,20 Prozent steigen.
Text: bf., Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2003, Nr. 229 / Seite 23
Bildmaterial: F.A.Z.
es grüßt
das Zentrum der Macht
wußtet Ihr schon, man kann jetzt bis zu