HINTERGRUND: Konjunkturprognosen - Kaffeesatz oder Wissenschaft?
FRANKFURT (dpa-AFX) - Konjunkturprognosen haben Konjunktur - vor allem in Zeiten unsicherer Wirtschaftsentwicklung. Seit knapp einem Jahr, als sich eine weltweite Flaute zaghaft andeutete, bewegt Regierungen, Unternehmen und Verbraucher die Frage: "Kommt die befürchtete Rezession oder geht es mit der Wirtschaft bald wieder aufwärts?" Antworten verspricht man besonders von der hoch bezahlten Gilde der Wirtschaftsforscher und Volkswirte.
Diese Experten lagen zuletzt jedoch kräftig daneben. Quasi von Monat zu Monat mussten sie ihre zu optimistischen Prognosen korrigieren, und anschließend die Korrektur der Korrektur vornehmen. Den vorläufigen Höhepunkt lieferte am Dienstag das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Berliner trauen Deutschland 2001 allenfalls noch ein reales Wirtschaftswachstum von einem mageren Prozent zu - nach im Frühjahr prognostizierten 2,1 Prozent. Damit hat sich das DIW im Wettrennen der Institute und Banken um die niedrigste Wachstumsvorhersage an die Spitze gesetzt.
TREFFERQUOTE DER VOLKSWIRTE NICHT GERADE BEEINDRUCKEND
Wenn die mit viel Geld und Sachverstand angestellten Berechnungen aber nur noch eine Halbwertzeit von einigen Monaten oder gar Wochen haben, stellt sich zwangsläufig die Frage nach Sinn oder Unsinn solcher Zahlen. "Wer kann schon in die Zukunft schauen, dann wären wir ja alle reich", lautet schließlich eine Binsenweisheit an den Börsen. Und auch in den vergangenen Jahren war die Trefferquote der führenden Volkswirte bei der Vorhersage der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht gerade beeindruckend.
"Es hat sicher falsche Einschätzungen gegeben. Aber auch die größte Fachkenntnis schützt nicht vor Fehlprognosen", verteidigt der Chefvolkswirt der Frankfurter DG Bank, Michael Heise, seine Zunft. Die Vorhersagen über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hier zu Lande waren nach seiner Meinung in den vergangenen zehn Jahren "gar nicht so schlecht". In diesem Jahr hätten jedoch eine Reihe "unvorhersehbarer Störfaktoren" die Aussagen erschwert. Vor allem die Auswirkungen des hohen Ölpreises, die Benzinverknappung auf dem Weltmarkt, die durch BSE und MKS ausgelöste Agrarkrise sowie der anhaltend schwache Euro machten die Prognosen rasch zunichte.
DRESDNER BANK-ÖKONOM: AKTUELLE KORREKTUREN SIND AUSNAHME
"Wer konnte denn ahnen, dass einem in Deutschland die Wurst vom Brot genommen wird", pflichtet ihm sein Kollege Klaus Friedrich von der Dresdner Bank in Anspielung an den BSE-Skandal bei. Der erfahrene Chefökonom bezeichnet die aktuellen Korrekturen als "Ausnahme" - bedingt durch die genannten Sonderfaktoren. "Ich selbst habe noch nie so stark zurücknehmen müssen wie in dieser Runde. Aber wenn die Welt verrückt spielt, dann schlägt sich das auch in den Prognosen nieder." Die fundamentalen Daten seien stetig weggebrochen, sagt Friedrich.
Die Prognosen seien dennoch wichtige und unerlässliche Grundlage für die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, ergänzt Heise. Entscheidend sei dabei allerdings nicht die nackte Zahl des wahrscheinlichen BIP-Wachstums. Diese werde in der öffentlichen Darstellung oftmals überinterpretiert und von der Politik - je nach eigenen Interessen - "missbraucht". Viel wichtiger seien die Grundtendenzen: also die Entwicklung der Beschäftigung und der Produktion bei der Entstehung des BIP, die Faktoren Export, Konsum und Investitionen bei der Verwendung sowie natürlich die Lohn- und Gewinnentwicklung bei der Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft./DP/bz
--- Von Olaf Zapke, dpa ---
10.07. - 18:47 Uhr
FRANKFURT (dpa-AFX) - Konjunkturprognosen haben Konjunktur - vor allem in Zeiten unsicherer Wirtschaftsentwicklung. Seit knapp einem Jahr, als sich eine weltweite Flaute zaghaft andeutete, bewegt Regierungen, Unternehmen und Verbraucher die Frage: "Kommt die befürchtete Rezession oder geht es mit der Wirtschaft bald wieder aufwärts?" Antworten verspricht man besonders von der hoch bezahlten Gilde der Wirtschaftsforscher und Volkswirte.
Diese Experten lagen zuletzt jedoch kräftig daneben. Quasi von Monat zu Monat mussten sie ihre zu optimistischen Prognosen korrigieren, und anschließend die Korrektur der Korrektur vornehmen. Den vorläufigen Höhepunkt lieferte am Dienstag das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Berliner trauen Deutschland 2001 allenfalls noch ein reales Wirtschaftswachstum von einem mageren Prozent zu - nach im Frühjahr prognostizierten 2,1 Prozent. Damit hat sich das DIW im Wettrennen der Institute und Banken um die niedrigste Wachstumsvorhersage an die Spitze gesetzt.
TREFFERQUOTE DER VOLKSWIRTE NICHT GERADE BEEINDRUCKEND
Wenn die mit viel Geld und Sachverstand angestellten Berechnungen aber nur noch eine Halbwertzeit von einigen Monaten oder gar Wochen haben, stellt sich zwangsläufig die Frage nach Sinn oder Unsinn solcher Zahlen. "Wer kann schon in die Zukunft schauen, dann wären wir ja alle reich", lautet schließlich eine Binsenweisheit an den Börsen. Und auch in den vergangenen Jahren war die Trefferquote der führenden Volkswirte bei der Vorhersage der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht gerade beeindruckend.
"Es hat sicher falsche Einschätzungen gegeben. Aber auch die größte Fachkenntnis schützt nicht vor Fehlprognosen", verteidigt der Chefvolkswirt der Frankfurter DG Bank, Michael Heise, seine Zunft. Die Vorhersagen über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hier zu Lande waren nach seiner Meinung in den vergangenen zehn Jahren "gar nicht so schlecht". In diesem Jahr hätten jedoch eine Reihe "unvorhersehbarer Störfaktoren" die Aussagen erschwert. Vor allem die Auswirkungen des hohen Ölpreises, die Benzinverknappung auf dem Weltmarkt, die durch BSE und MKS ausgelöste Agrarkrise sowie der anhaltend schwache Euro machten die Prognosen rasch zunichte.
DRESDNER BANK-ÖKONOM: AKTUELLE KORREKTUREN SIND AUSNAHME
"Wer konnte denn ahnen, dass einem in Deutschland die Wurst vom Brot genommen wird", pflichtet ihm sein Kollege Klaus Friedrich von der Dresdner Bank in Anspielung an den BSE-Skandal bei. Der erfahrene Chefökonom bezeichnet die aktuellen Korrekturen als "Ausnahme" - bedingt durch die genannten Sonderfaktoren. "Ich selbst habe noch nie so stark zurücknehmen müssen wie in dieser Runde. Aber wenn die Welt verrückt spielt, dann schlägt sich das auch in den Prognosen nieder." Die fundamentalen Daten seien stetig weggebrochen, sagt Friedrich.
Die Prognosen seien dennoch wichtige und unerlässliche Grundlage für die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, ergänzt Heise. Entscheidend sei dabei allerdings nicht die nackte Zahl des wahrscheinlichen BIP-Wachstums. Diese werde in der öffentlichen Darstellung oftmals überinterpretiert und von der Politik - je nach eigenen Interessen - "missbraucht". Viel wichtiger seien die Grundtendenzen: also die Entwicklung der Beschäftigung und der Produktion bei der Entstehung des BIP, die Faktoren Export, Konsum und Investitionen bei der Verwendung sowie natürlich die Lohn- und Gewinnentwicklung bei der Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft./DP/bz
--- Von Olaf Zapke, dpa ---
10.07. - 18:47 Uhr