Konjunktur: Alles wird noch schlimmer

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Nassie:

Konjunktur: Alles wird noch schlimmer

 
06.04.03 17:41
Die Stimmung könnte schlechter kaum sein. Wenn Kanzler Gerhard Schröder an diesem Sonntag in seiner Heimatstadt Hannover die größte Industrieschau der Welt eröffnet, dann wird er bei den Unternehmern auf wenig Begeisterung treffen: Der Krieg im Irak lähmt die Weltwirtschaft, die Globalisierung macht schon seit geraumer Zeit Pause, und in Asien, der einzigen Hoffnungsregion der Welt, grassiert die Krankheit SARS, die das Wirschaftsleben zu lähmen droht. Düstere Aussichten sind das für die traditionell exportorientierte deutsche Industrie.

"Gründe für Optimismus lassen sich kaum finden", klagt Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Ein ums andere Mal haben seine Experten in den vergangenen Monaten ihre Prognosen nach unten korrigiert. Ein halbes Prozent Wachstum hat der BDI zuletzt für Deutschland veranschlagt. Jetzt sind alle froh, wenn die deutsche Wirtschaft, ohne zu schrumpfen, aus diesem Jahr herausfindet. Die Drohung einer Stagnation steht im Raum. Vom "kräftigsten Einbruch seit Ende des Zweiten Welkriegs" spricht Dietmar Harting, Präsident des Verbandes der Elektroindustrie ZVEI. "Wir erwarten eine schwarze Null", heißt es dagegen trotzig beim Maschinenbau. Angesichts der weltpolitischen Lage sei das schon "ganz beruhigend", fügt die Branche hinzu. So weit ist der Defätismus schon gediehen.  

Um so dringlicher bettelt die deutsche Industrie beim Kanzler jetzt, er möge seiner Rede an die Nation vom 14. März rasch Taten folgen lassen, ohne Irritation von den Blockierern in SPD und Gewerkschaften. Die Hoffnung steht auf tönernen Füßen. Denn in der Zwischenzeit haben Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), die heimlichen Führer einer de facto großen Koalition, sich längst an der Industrie schadlos gehalten und eine veritable Steuererhöhung für die Kapitalgesellschaften beschlossen. Angesichts der weltweiten Unsicherheiten ein fatales Signal.

Export

Die Impulse aus dem Außenhandel - traditionell die Stütze der deutschen Industrie - reichen in diesem Jahr nicht mehr aus, die Binnenwirtschaft zu stabilisieren. Nur ein leichtes Exportwachstum erwartet der BDI für das laufende Jahr. Im besten Fall könne eine drohende Rezession abgewendet werden, heißt es. Hinzu kommt der dauerhaft schwächere Dollar, welcher die Erlöse dämpft. Die Klagen vieler Unternehmen über den erstarkten Euro teilt der BDI indessen nicht: Die Abwertung des Dollars verhelfe Amerika zum Abbau seines Leistungsbilanzdefizits und beschere jene Exporterfolge, durch welche Amerika wieder zum Motor der Weltwirtschaft werden könne.

Globalisierung

Die Warnungen nehmen zu, daß die Globalisierung in diesem Jahr einen empfindlichen Rückschlag erleiden könnte. Deutsche Unternehmen haben im vergangenen Jahr im Ausland gerade 26 Milliarden Euro investiert, was einem Rückgang von 55 Prozent entspricht. "Die Zeit der großen Fusionen ist vorbei", sagt BDI-Präsident Rogowski. Insbesondere bei der Telekommunikation und der Informationstechnologie, wo bis in das Jahr 2001 hinein ein ungebremster Optimismus die Direktinvestitionen angetrieben hat, ist unterdessen Realismus eingekehrt.

Schlimmer noch: Die Welthandelsrunde (Doha) steht auf der Kippe. Europa päppelt seine Bauern und kann sich nicht dazu entschließen, die Agrarsubventionen zu stutzen. Das konservative Amerika George W. Bushs, getrieben von nationalen Interessengruppen, verfolgt immer egoistischer eine bilaterale Handelspolitik. "Die Vereinigten Staaten verwässern alle Regeln des liberalen Welthandels", kritisiert der indische Ökonom Jagdish Bhagwati.

Innovation

Wenigstens eine positive Nachricht gibt es: Auf ihre Erfindungen sind die deutschen Ingenieure immer noch stolz. Zwar wissen die Unternehmer, daß sie bei Chips, Computern oder Internet die technologische Führung an die Vereinigten Staaten verloren haben. Dafür sind die Deutschen jetzt dabei, die Fabriken zu automatisieren. "Miniaturisierung" und "Digitalisierung" heißen die Stichworte dieser Hannover-Messe. Es geht um die intelligente Vernetzung der Produktion. "Da sind wir führend", verkündet stolz ZVEI-Präsident Harting. Auch die deutschen Autobahnen würde die Branche gerne elektronisch aufrüsten ("Telematik") und klagt darüber, daß die öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur mit einem Anteil von vier Prozent des Staatshaushaltes niedrig wie noch nie seien.

Schon wird der Nachwuchs bei Maschinenbauern und Ingenieuren knapp. Denn die Nachfrage nach technischer Intelligenz in den Unternehmen wächst. "Die Ingenieurlücke wird größer", jammern die Verbände. 13000 neue Elektroingenieure braucht die Branche jährlich. Dem stehen gerade einmal etwas mehr als 6000 Abschlüsse gegenüber. Der alte Schweinezyklus lebt.

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