Die EZB in Zugzwang
Von GERHARD GREBE
Gerhard Grebe ist Mitglied des Vorstands der Julius Bär Kapitalanlage AG.
Nächste Woche stehen sowohl in den USA als auch in Europa Zinssenkungen auf der Agenda. Wahrscheinlich wird die EZB am 8. November die Zinsen nur um 25 Basispunkte auf 3,50 % zurücknehmen und damit die erwartete Zinssenkung der US-Notenbank vom 6. November lediglich nachvollziehen. Während die US-Notenbank Fed aktuell nur noch einen kleinen Spielraum für Zinssenkungen besitzt, ist der Spielraum in der Eurozone eher größer geworden. Die Konjunkturprognosen in der Eurozone sind in den letzten Wochen drastisch nach unten korrigiert worden. Frühindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex signalisieren eine weitere Wachstumsabschwächung im vierten Quartal 2001 und im ersten Quartal 2002. Mit rund 1% liegt das Wachstum dann weit unter der Potenzialwachstumsrate von rund 2,25 %.
Inflationsgefahren sind daher nicht zu erkennen. Die Kapazitätsauslastung liegt bereits unter Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit wird auch in Kontinentaleuropa zunehmen und keinen Lohndruck aufkommen lassen. Die Inflationsentspannung zeichnet sich in der aktuellen Entwicklung bereits ab. Die Inflationsrate in der Eurozone wird sich im Oktober weiter zurückbilden. Im nächsten Jahr wird die Inflationsrate mit 1,5 % wieder genau auf dem von der EZB gewünschten Niveau liegen.
Die EZB benötigt wohl die guten Nachrichten von der „Inflationsfront“ als Argument für eine Zinssenkung, um die schlechten Nachrichten der deutlichen Beschleunigung des Geldmengenwachstums zu neutralisieren. Allerdings sind auch in der Zunahme der Geldmenge keine Inflationsgefahren zu erkennen, da das Kreditwachstum rückläufig ist. Die Geldmenge wird momentan durch Umschichtungen aus dem Aktienmarkt in kurzfristige Anlagen aufgebläht. Diese Entwicklung ist reversibel, sobald der Aktienmarkt sich erholt hat. Es ergibt sich also die scheinbar paradoxe Situation, dass die EZB über eine Zinssenkung indirekt zur Normalisierung des Geldmengenwachstums beitragen könnte.
Ähnliches gilt übrigens auch für den Wechselkurs. Eine Zinssenkung in der Eurozone dürfte zu einer Erholung des Euros führen, was der EZB weiteren Spielraum für Zinssenkungen verschafft, da über eine starke Währung die Risiken einer importierten Inflation abnehmen.
Dieser Zinssenkungsspielraum sollte von der EZB mutiger als bisher genutzt werden. Die Eurozone benötigt eine stärkere Inlandsnachfrage, um wieder auf einen langfristigen Wachstumspfad zu gelangen. Mit dieser Politik wäre aber nicht nur der Eurozone geholfen, sondern auch der Weltwirtschaft, die sich in einem synchronen Abschwung befindet. Es ist zu wenig, sich in diesem Umfeld auf einen schwachen Euro als Konjunkturstimulanz zu verlassen.
Von GERHARD GREBE
Gerhard Grebe ist Mitglied des Vorstands der Julius Bär Kapitalanlage AG.
Nächste Woche stehen sowohl in den USA als auch in Europa Zinssenkungen auf der Agenda. Wahrscheinlich wird die EZB am 8. November die Zinsen nur um 25 Basispunkte auf 3,50 % zurücknehmen und damit die erwartete Zinssenkung der US-Notenbank vom 6. November lediglich nachvollziehen. Während die US-Notenbank Fed aktuell nur noch einen kleinen Spielraum für Zinssenkungen besitzt, ist der Spielraum in der Eurozone eher größer geworden. Die Konjunkturprognosen in der Eurozone sind in den letzten Wochen drastisch nach unten korrigiert worden. Frühindikatoren wie der Ifo-Geschäftsklimaindex signalisieren eine weitere Wachstumsabschwächung im vierten Quartal 2001 und im ersten Quartal 2002. Mit rund 1% liegt das Wachstum dann weit unter der Potenzialwachstumsrate von rund 2,25 %.
Inflationsgefahren sind daher nicht zu erkennen. Die Kapazitätsauslastung liegt bereits unter Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit wird auch in Kontinentaleuropa zunehmen und keinen Lohndruck aufkommen lassen. Die Inflationsentspannung zeichnet sich in der aktuellen Entwicklung bereits ab. Die Inflationsrate in der Eurozone wird sich im Oktober weiter zurückbilden. Im nächsten Jahr wird die Inflationsrate mit 1,5 % wieder genau auf dem von der EZB gewünschten Niveau liegen.
Die EZB benötigt wohl die guten Nachrichten von der „Inflationsfront“ als Argument für eine Zinssenkung, um die schlechten Nachrichten der deutlichen Beschleunigung des Geldmengenwachstums zu neutralisieren. Allerdings sind auch in der Zunahme der Geldmenge keine Inflationsgefahren zu erkennen, da das Kreditwachstum rückläufig ist. Die Geldmenge wird momentan durch Umschichtungen aus dem Aktienmarkt in kurzfristige Anlagen aufgebläht. Diese Entwicklung ist reversibel, sobald der Aktienmarkt sich erholt hat. Es ergibt sich also die scheinbar paradoxe Situation, dass die EZB über eine Zinssenkung indirekt zur Normalisierung des Geldmengenwachstums beitragen könnte.
Ähnliches gilt übrigens auch für den Wechselkurs. Eine Zinssenkung in der Eurozone dürfte zu einer Erholung des Euros führen, was der EZB weiteren Spielraum für Zinssenkungen verschafft, da über eine starke Währung die Risiken einer importierten Inflation abnehmen.
Dieser Zinssenkungsspielraum sollte von der EZB mutiger als bisher genutzt werden. Die Eurozone benötigt eine stärkere Inlandsnachfrage, um wieder auf einen langfristigen Wachstumspfad zu gelangen. Mit dieser Politik wäre aber nicht nur der Eurozone geholfen, sondern auch der Weltwirtschaft, die sich in einem synchronen Abschwung befindet. Es ist zu wenig, sich in diesem Umfeld auf einen schwachen Euro als Konjunkturstimulanz zu verlassen.