KOFFEIN - der Blick in die Medien

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KOFFEIN - der Blick in die Medien

 
09.12.02 08:39
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Die nackten Fakten von „Focus“

09. Dezember 2002 Jede Woche neu trägt uns Helmut Markwort im Werbefernsehen das vor, worauf es ihm und seinem Magazin „Focus“ einzig und allein ankommt: „Fakten, Fakten, Fakten“. Und, natürlich: „Immer an die Leser denken“. Die Leser wiederum denken, weil die Werbung so einprägsam ist, immer an Helmut Markwort. Sie stellen sich vor, wie der „Focus“-Chef mit strenger Miene die fast fertige neue Ausgabe durchblättert, hier ein paar überflüssige Floskeln und flapsige Bemerkungen herausstreicht und dort noch einige Infokästen hineinsetzt. Nichts soll den Leser ablenken von den nackten Fakten.

Eine ganz andere Konnotation bekommt dieser Satz, wenn man ins Internet blickt. „Focus“ ist natürlich auch im Netz vertreten, dessen Besucher offensichtlich andere Bedürfnisse haben als die Leser der Zeitschrift. Sonst würde es bei „Focus Online“ kaum eine Rubrik namens „Vermischtes“ geben, bei der die Fakten nicht gar so wichtig erscheinen. Hier findet der „Focus“-Leser Geschichten wie „Nicole Kidman - Affäre mit dem 'Gladiator'?“ oder „Jacko - Prügelte er seinen Affen windelweich?“ - Themen, die in der gedruckten Ausgabe klar vernachlässigt werden.

Markwort wohnt hier nicht mehr

Vor allem aber findet man in der „Vermischtes“-Sektion von „Focus Online“ kleine Geschichten über prominente junge Frauen. So etwas geht natürlich immer gut, vor allem im Netz, wo man zu den kleinen Geschichten viele schöne Bilder zeigen kann. Liest man freilich die Texte über die jungen Frauen, dann ahnt der Leser, dass dies nicht mehr die puristische, die faktenorientierte Welt Helmut Markworts ist. Wüsste man es nicht besser, so glaubte man, versehentlich bei den „Hotlinks“ von „Playboy.de“ gelandet zu sein, die in einer Ecke der „Focus“-Website lauern. Man ist aber immer noch bei „Focus“.

Ein „Focus“-Autor also ist es, der Tag für Tag die „Vermischtes“-Rubrik mit Geschichten wie dieser füttert: „Trieb's Heidi richtig wild?“. Am dazugehörigen Text über das „Frolleinwunder“ (sic) Heidi Klum hängt der Link „Heiße Fotos der erotischen Heidi!“ Die Schauspielerin Esther Schweins ist bei einer Fernsehaufzeichnung ohnmächtig zusammengebrochen, meldet „Focus Online“ - und schickt die Aufforderung hinterher: „Sehen Sie sich die erotische Esther an!“ Eine weitere „Vermischtes“-Nachricht lautet: „Lutsch! - Giulia Siegels Blinde Date im Puff, Exklusiv-Fotos“.

Das nackte Treiben

Den Leser, an den „Focus Online“ hier denkt, will man sich besser nicht vorstellen. Die gesamte „Vermischtes“-Rubrik ist ein Appell an niedere Instinkte, und der Besucher der Seite, der doch womöglich nur nach Fakten suchte, folgt willenlos einer Aufforderung nach der nächsten: „Klicken Sie sich durch die heiße Christina!“ - „Ziehen Sie sich Shakira rein!“ - „Klicken Sie sich durch die zuckersüße Lolita!“ Den Leser als Lustmolch hat die Online-Redaktion selbst bei harmlosen Modestrecken vor Augen („Gucken Sie sich die sexy Laufsteg-Miezen an!“) oder bei der Berichterstattung zur Love Parade: „Werfen Sie einen Blick auf das nackte Treiben!“

Bei „Focus Online“ begegnen wir der „hocherotischen Slip-Sarah“ Connor ebenso wie der „Moderations-Sexbombe“ Barbara Schöneberger. Ein Attribut wird ausnahmslos allen Damen verliehen: „sexy“. Bei „Focus Online“ tummeln sich „sexy Kylie“, „sexy Halle“, „sexy Angelina“, „sexy Patrice“, „sexy Naddel“ oder die „sexy Pop-Nymphe“ Britney. So reduziert wie das Welt- und das Frauenbild ist bei „Focus Online“ auch die Sprache. Gäbe man bei „Google“ als Suchwort „sexy“ ein, es müsste direkt zu Markworts Mannen führen.

Bitte lechzen

Wobei sich die Frage stellt: Sitzen in der „Vermischtes“-Redaktion von „Focus Online“ wirklich echte Menschen? Oder ist es nur ein Computer, der Agenturmeldungen auf die Seite stellt und per Automatismus vor jeden Frauennamen das Wort „sexy“ setzt? Und mitunter auch Dinge zusammenfügt, die partout nicht zusammengehören, wie im Fall von „Unwetter halten Feuerwehr in Atem, sexy Sonnen-Fotos“?

Wahrscheinlich ist es doch ein Redakteur - ein Computer hätte sich bei der Shakira-Bildstrecke schließlich kaum einen solchen Freudschen Verschreiber geleistet: „Wer kann schon diesem Lächseln widerstehen?“ Gönnen wir dem Mann sein Lechzen; er hat es ja nicht leicht. Dem Namen seines Ressorts zum Trotze, können wir uns nämlich keinen eintönigeren Job vorstellen als den eines „Vermischtes“-Redakteurs bei „Focus Online“.

Text: @jöt
Bildmaterial: FAZ.NET
ruhrpott:

Dreckmagazin. Die Inhalte sind platt und grottensc

 
09.12.02 09:11
Viele Grüße

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