Kein Meister fiel vom Himmel - absolut lesenswert

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das Zentrum d.:

Kein Meister fiel vom Himmel - absolut lesenswert

 
10.08.01 12:10
Wer ist der Sündenbock?
 
Von Axel Mühlhaus
In Deutschland gab es im Jahr 2000 insgesamt 382.800 Verkehrsunfälle. Bei 68.100 war Alkohol im Spiel. Sie kennen vielleicht die witzig gemeinte Sichtweise, die aus der Tatsache folgert, dass fast 315.000 Unfälle auf das Konto nüchterner Fahrer gehen, Saufen, Saufen und nochmals Saufen sei die sicherste Methode, um unbeschadet durch den Straßenverkehr zu kommen. Besonders gern wird diese These an Stammtischen nach dem achten Bier oder fünften Rotwein geäußert. Intelektuell bleibt sie (dennoch) schmalbrüstig.

An den gleichen Stammtischen ist spätestens seit dem Börsengang der Deutschen Telekom und der Gründung des Neuen Marktes die Börse ein Thema. Erst himmelhoch jauchzend, "Hurra, wir werden alle reich - Was, Du bist noch kein Millionär?" später dann zu Tode betrübt "Nie wieder mach ich was mit Aktien - Ich wußte gleich, dass das schief geht."

Da der kalte Krieg auch nicht mehr das ist, was er mal war, kann man den Russen die Schuld für die eigenen Aktienverluste nur schwer in die Schuhe schieben. Fast genauso geeignet sind aber Analysten und ihre komischen neumodischen Bewertungsmethoden. Tatächlich gibt es vieles zu kritisieren, und es ist völlig in Ordnung, Verbesserungen zu fordern - und es ist auch verständlich, wenn der gefrustete Anleger ab einem gewissen Promillestand mal die verbale Keule zückt. Bei einigen Diskussionsteilnehmern habe ich allerdings den Eindruck, als wähnten sie sich stets am Stammtisch.

An dieser Stelle war vor einigen Tagen ein Kommentar zu lesen, bei dem Analyseinstrumente, wie die PEG-Ratio oder gar das Discounted-Cash-Flow-Modell, in Bausch und Bogen verdammt wurden. Selbst einfache Begriffe wie EBIT (Gewinn vor Steuern und Zinsen) erklärte der Autor zum Teufelszeug, welches eine Horde studierter Ignoranten nur nutze, um sich wichtig zu machen. Der Rat "Viel Alkohol für mehr Sicherheit im Straßenverkehr" liegt auf einer Wellenlänge mit "Wenig Fachwissen für mehr Erfolg an der Börse".


 
Unwissenheit macht keinen Meister
 
Der Autor des erwähnten Kommentars schlug vor, statt EBIT doch das deutsche Wort "Einnahmen" zu verwenden. Das macht sicher vieles einfacher, ist allerdings inhaltlich grober Unfug. Das EBIT als Größe aus der Gewinn- und Verlustrechnung wird bestimmt durch Aufwendungen und Erträge, und letztere sind eben nicht zwingend das selbe wie Einnahmen. Aber solche Feinheiten werden gern übersehen, stören sie doch den Argumentationsfluss.
Die bemängelte Tatsache, dass sich unter Börsianern mittlerweile ein Fachjargon etabliert habe, der Aussenstehenden nicht immer sofort verständlich ist, finde ich nicht wirklich verwerflich. Unter Briefmarkensammlern ist dies genauso, und auch in einer Gruppe von Golfspielern wird der Laie einem Fachgespräch nicht auf Anhieb folgen können. Begriffe wie EBIT sind kurz und bündig, jeder, der sich mit der Materie beschäftigt, weiß was gemeint ist und dies sogar international.

Als Fluggast weiß ich es schließlich auch zu schätzen, wenn der (hoffentlich solide ausgebildete Pilot) sich mit dem Tower irgendeines Flughafens auf der Welt problemlos und ohne viel Drumherumgerede verständigen kann. Wenn trotzdem jedes Jahr Flugzeuge abstürzen, sollte dies Mahnung sein, die Ausbildung weiter zu verbessern, die Technik zu optimieren und Verständigungsprobleme zu vermeiden. Die Behauptung, an den Abstürzen zeige sich, dass die ganze Pilotenausbildung auch keine Sicherheit biete, man könne gut darauf verzichten und überhaupt solle doch jeder Pilot und Fluglotse künftig wieder in seiner Landessprache kommunizieren, scheint hingegen nicht ganz angebracht.

Kommen wir aber zum Grundproblem, welches offenbar viele Kommentatoren umtreibt, nämlich die Frage, ob Börse wirklich kompliziert sein muss oder ob von einer hochbezahlten Analystenschar viel Rauch um Nichts gemacht wird.

In einer Welt, in der Investoren immer globaler agieren, ist es durchaus notwendig, nach Größen zu suchen, mit denen Unternehmen vergleichbarer gemacht werden als es das gute alte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) erlaubt. Dazu kann es sinnvoll sein, steuerliche Unterschiede zu eliminieren, ebenso wie es vorteilhaft sein kann, das Finanzergebnis manchmal auszublenden, mit dem operativ schwache Unternehmen ihr Ergebnis schönfärben können. Auch hilft es der Vergleichbarkeit, wenn unterschiedliche Abschreibungsmethoden ausgeblendet werden, dies wissen Marktteilnehmer spätestens seit es am Neuen Markt vor Medientiteln nur so wimmelt, wobei jeder seine Filmrechte etwas anders abzuschreiben pflegt. Insoweit hat es auch seine Berechtigung, das EBITDA, den Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen, in Relation zur Marktkapitalisierung oder dem Enterprise Value (Marktkapitalisierung abzüglich Nettoliquidität) zu setzen.


 
Der Mix macht's
 
Discounted-Cash-Flow-Modelle sind theoretisch sogar noch ausgereifter. Richten Sie doch den Blick auf jenen Geldbetrag, der den Anteilseignern eines Unternehmens pro Jahr theoretisch zur Verfügung steht, und diese Betrachtung wird vom Ansatz her über die gesamte Lebensdauer einer Firma ausgedehnt, wobei später anfallende Beträge auf ihren heutigen Wert abgezinst werden. In der Praxis lauert hier so mancher Pferdefuß, schließlich werden weit in die Zukunft gerichtete Prognosen immer unsicherer. Auch das Hilfsmittel, irgendwann mit einem konstanten ewigen Wachstum zu rechnen, hat seine Tücken. Der so entstehende Restwert hat enormen Einfluss auf das Gesamtergebnis, eine minimale Veränderung der unterstellten Wachstumsrate ebenso. Gleiches gilt für die Wahl des Zinssatzes, mit dem diskontiert wird.
Ob KGV, EBIT/Enterprise Value, EBITDA/Enterprise Value, PEG (Price Earnings to Growth Ratio) oder Discounted Cash Flow - die Ansätze sind vielfältig und haben alle ihre Vor- und Nachteile. Bei der Aktienanalyse wird sich deshalb auch kein gründlicher Börsianer nur auf das Ergebnis eines "Rechenweges" verlassen, sondern einen Mix aus verschiedenen Vorgehensweisen wählen. Ich persönlich achte beim Kauf eines Autos auch nicht nur auf den Bezinverbrauch oder nur auf die PS-Zahl oder nur auf die Höchstgeschwindigkeit. Etwas zu kurz gekommen ist in den vergangenen Jahren aber wohl die Beurteilung des Gesamteindrucks der Fahrzeuge und ein Blick unter die Motorhaube. Dann hätte sich unter Umständen bei einigen Modellen heraus gestellt, dass die vom Verkäufer genannten Daten wenig glaubhaft sind, da das Auto schlicht keinen intakten Motor hat.

Neben der reinen Zahlenfuchserei muss der Analyst künftig noch stärker als bisher auf die Menschen im Unternehmen achten und auf die Qualität der Geschäftsmodelle. Auch dies erfordert Know-how und Zeiteinsatz. Mit der gern gepflegten Illusion, dass erfolgreiche Anlageentscheidungen im Vorbeigehen, ohne Arbeit, ohne Beschäftigung mit der Materie getroffen werden können, lassen sich zwar trefflich Börsenbücher verkaufen, aber die Praxis sieht anders aus. Es spricht vieles dafür, dass in Zukunft noch mehr qualifizierte Spezialisten im Umfeld der Börse benötigt werden. Dennoch scheint sich die feste Überzeugung in einigen Hinterköpfen zu halten, auf zwei Gebieten sei jeder Laie besser als die Fachleute: Gemeint sind der Fußball mit einer Schar von verkappten Bundestrainern vor den Fernsehern - und die Börse. Nur, damit wir uns richtig verstehen, wahrscheinlich ist bei der Qualität mancher Trainer einiges zu verbessern und bestimmt bei vielen Börsenfachleuten, aber dies geschieht nicht durch Verzicht auf Wissen un d Zeiteinsatz.

Natürlich, es gibt immer noch die theoretische Möglichkeit, dass die Aktienkurse auch langfristig ausschließlich vom Zufall bestimmt werden. Dann bleibt dem Anleger entweder der Gang ins Spielkasino, der dann ähnlich erfolgversprechend aber mutmaßlich deutlich lustiger wäre, oder der Kauf eines Satzes Wurfpfeile für die Aktienauswahl (ja genau, der gerade jetzt vielzitierte Affe!). Im letzteren Fall wäre es zudem eine Überlegung wert, ob nicht der Kauf der Aktien eines Wurfpfeilproduzenten noch renditeträchtiger wäre ;-)

1Mio.€:

Von mir einen grünen :-))) Klasse und mahlzeit ! o.T.

 
10.08.01 12:12
woody w:

xxxx

 
10.08.01 12:18
tom68:

Wißt Ihr, welchen Artikel der meint.....

 
10.08.01 12:33
den hier!

blau.ariva.de/board/thread.m?nr=76327

mfg tom68

P.S. Mühlhaus,als gescheiterter Mainvestorherrausgeber legt sich ganz schön ins "Zeug".....
das Zentrum d.:

Ich glaube eher - die Mross Kolumne o.T.

 
10.08.01 13:30
vega2000:

Na denn Prost auf Mühlhaus & Co. o.T.

 
10.08.01 13:42
chartgranate:

da bin ich ja dann mal sehr gespannt

 
10.08.01 13:59
zu welchen Thesen der Zapf-Stammtisch in Berlin nacht dem achten Bier bzw.fünften Rotwein kommen wird.... :-))
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