Ohne Reformen gibt es keinen nachhaltigen Aufschwung
Analyse
Von Peter Hahne
Der Aufschwung kommt – davon ist die Bundesregierung überzeugt. Die G7-Staaten glauben daran und auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag leitet die Erklärung zu seiner traditionellen Frühjahrsumfrage mit diesen hoffungsfrohen Worten ein. Der Aufschwung kommt – darüber sind sich die meisten Auguren einig. Nur über den Zeitpunkt wird noch gestritten.
Viel wichtiger als die Frage, wann die Konjunktur die Talsohle endgültig durchschritten hat, ist allerdings jene, ob der kommende Aufschwung auch ein nachhaltiger sein wird. Daran zweifelt der DIHK: „Die Auftriebskräfte dürfen nicht wieder versanden – wie schon drei Mal in den letzten zehn Jahren“, warnt der Verband nach der Befragung von mehr als 25.000 Unternehmen.
Der Blick auf den Wahltag
Damit ist der wunde Punkt der Politik getroffen. Gegenwärtig scheint sich die Bundesregierung um nichts weiter Sorgen zu machen, als über die Frage, ob die Konjunkturbelebung auch früh genug einsetzt, um ihr hinreichend Rückenwind für die Bundestagswahlen im September zu verschaffen. Stärkung der Wachstumskräfte durch wirtschaftspolitische Reformen? Fehlanzeige. In Berlin verlässt man sich lieber auf eine Wiederbelebung der US-Konjunktur und einen kräftigen Impuls durch den Export.
Richtig ist zwar, dass hier einige Wachstumspotenziale schlummern – gerade dann, wenn der erwartete US-Aufschwung die Märkte in Europa erfasst. Genauso richtig ist aber, dass die Binnenkonjunktur nach allen Prognosen in diesem Jahr kaum etwas zur Belebung der deutschen Wirtschaft beitragen wird. Die Konsumenten halten sich zurück, weil sie zunächst mit dem Euro zurecht kommen müssen. Der Arbeitsmarkt drückt auf die Stimmung, weil bei einer unsicheren Jobsituation niemand unnötig Geld ausgeben will. Die Erhöhung der Ökosteuer und steigende Beiträge für die Krankenversicherung tun ihr übriges. Zuletzt hat der Winterschlussverkauf gezeigt, wie sehr die Einzelhändler die Kunden umwerben müssen, um ihre Konsumzurückhaltung zu brechen.
Kaum besser schätzen die Unternehmen ihre Lage ein. Zwar deuten die letzten Geschäftsklimaindices des Münchener Ifo-Instituts auf eine Verbesserung der Erwartungen hin. Die Umfragen der großen Wirtschaftsverbände aber sprechen eine andere Sprache. Der Maschinenbau und die Elektroindustrie erwarten einen Rückgang oder eine Stagnation, der BDI spricht von einem schwierigen Jahr. Vor allem die düsteren Ertragserwartungen der Unternehmen aber lassen an Eichels Aufschwung zweifeln, den der Finanzminister für die zweite Jahreshälfte mit zwei bis drei Prozent beziffert. Womöglich steht sogar ein neuerlicher Konjunkturrückschlag bevor, wenn sich die guten amerikanischen Frühindikatoren doch als Strohfeuer entpuppen sollten.
Tatsache ist jedenfalls, dass es um die Stimmung in der Wirtschaft noch immer schlecht bestellt ist. Die DIHK-Umfrage hat gezeigt, dass die Investitionsneigung auf einem Tiefpunkt ist und sich die Unternehmen angesichts der zu erwartenden harten Tarifrunde mit Investitionen zurückhalten. Die Investitionsplanungen sind sogar geringer als während der Rezession 1993. So lange die Investitionen aber nicht anziehen, geht es auch mit der Wirtschaft nicht bergauf und neue Arbeitsplätze werden schon gar nicht entstehen. Der von den Gewerkschaften erhoffte Kaufkraftimpuls wird in einer solchen Situation, in der eher mit einem weiteren Stellenabbau zu rechnen ist, schneller als erwartet ins genaue Gegenteil umschlagen. Auch weitere außenwirtschaftliche Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass der aufkeimende Optimismus noch mit vielen Fragezeichen versehen werden muss. Die Weltwirtschaft hat den 11. September noch nicht verdaut. Die Angst vor weiteren Terroranschlägen, eine Krise im Nahen Osten und die unsichere Lage in Argentinien lähmt die Akteure auch auf internationaler Ebene.
Politik gegen Wirtschaft?
Nur kann das nicht weiter eine Ausrede für die Bundesregierung sein. Trotz der fragilen Weltkonjunktur müssen im Inland die Voraussetzungen für einen stabilen Aufschwung geschaffen werden. Dazu gehören Reformen am Arbeitsmarkt genauso wie ein Umkrempeln der sozialen Sicherungssysteme, wie die EU-Finanzminister sie Hans Eichel gerade wieder ins Stammbuch geschrieben haben. Die Bundesregierung wird die Forderungen des DIHK nach Strukturreformen als das übliche Verbandsgeschrei abtun. Sie sollte sich aber fragen, ob eine Politik gegen die Wirtschaft die richtige Voraussetzung für den erhofften Aufschwung ist.
[Die Welt]
Analyse
Von Peter Hahne
Der Aufschwung kommt – davon ist die Bundesregierung überzeugt. Die G7-Staaten glauben daran und auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag leitet die Erklärung zu seiner traditionellen Frühjahrsumfrage mit diesen hoffungsfrohen Worten ein. Der Aufschwung kommt – darüber sind sich die meisten Auguren einig. Nur über den Zeitpunkt wird noch gestritten.
Viel wichtiger als die Frage, wann die Konjunktur die Talsohle endgültig durchschritten hat, ist allerdings jene, ob der kommende Aufschwung auch ein nachhaltiger sein wird. Daran zweifelt der DIHK: „Die Auftriebskräfte dürfen nicht wieder versanden – wie schon drei Mal in den letzten zehn Jahren“, warnt der Verband nach der Befragung von mehr als 25.000 Unternehmen.
Der Blick auf den Wahltag
Damit ist der wunde Punkt der Politik getroffen. Gegenwärtig scheint sich die Bundesregierung um nichts weiter Sorgen zu machen, als über die Frage, ob die Konjunkturbelebung auch früh genug einsetzt, um ihr hinreichend Rückenwind für die Bundestagswahlen im September zu verschaffen. Stärkung der Wachstumskräfte durch wirtschaftspolitische Reformen? Fehlanzeige. In Berlin verlässt man sich lieber auf eine Wiederbelebung der US-Konjunktur und einen kräftigen Impuls durch den Export.
Richtig ist zwar, dass hier einige Wachstumspotenziale schlummern – gerade dann, wenn der erwartete US-Aufschwung die Märkte in Europa erfasst. Genauso richtig ist aber, dass die Binnenkonjunktur nach allen Prognosen in diesem Jahr kaum etwas zur Belebung der deutschen Wirtschaft beitragen wird. Die Konsumenten halten sich zurück, weil sie zunächst mit dem Euro zurecht kommen müssen. Der Arbeitsmarkt drückt auf die Stimmung, weil bei einer unsicheren Jobsituation niemand unnötig Geld ausgeben will. Die Erhöhung der Ökosteuer und steigende Beiträge für die Krankenversicherung tun ihr übriges. Zuletzt hat der Winterschlussverkauf gezeigt, wie sehr die Einzelhändler die Kunden umwerben müssen, um ihre Konsumzurückhaltung zu brechen.
Kaum besser schätzen die Unternehmen ihre Lage ein. Zwar deuten die letzten Geschäftsklimaindices des Münchener Ifo-Instituts auf eine Verbesserung der Erwartungen hin. Die Umfragen der großen Wirtschaftsverbände aber sprechen eine andere Sprache. Der Maschinenbau und die Elektroindustrie erwarten einen Rückgang oder eine Stagnation, der BDI spricht von einem schwierigen Jahr. Vor allem die düsteren Ertragserwartungen der Unternehmen aber lassen an Eichels Aufschwung zweifeln, den der Finanzminister für die zweite Jahreshälfte mit zwei bis drei Prozent beziffert. Womöglich steht sogar ein neuerlicher Konjunkturrückschlag bevor, wenn sich die guten amerikanischen Frühindikatoren doch als Strohfeuer entpuppen sollten.
Tatsache ist jedenfalls, dass es um die Stimmung in der Wirtschaft noch immer schlecht bestellt ist. Die DIHK-Umfrage hat gezeigt, dass die Investitionsneigung auf einem Tiefpunkt ist und sich die Unternehmen angesichts der zu erwartenden harten Tarifrunde mit Investitionen zurückhalten. Die Investitionsplanungen sind sogar geringer als während der Rezession 1993. So lange die Investitionen aber nicht anziehen, geht es auch mit der Wirtschaft nicht bergauf und neue Arbeitsplätze werden schon gar nicht entstehen. Der von den Gewerkschaften erhoffte Kaufkraftimpuls wird in einer solchen Situation, in der eher mit einem weiteren Stellenabbau zu rechnen ist, schneller als erwartet ins genaue Gegenteil umschlagen. Auch weitere außenwirtschaftliche Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass der aufkeimende Optimismus noch mit vielen Fragezeichen versehen werden muss. Die Weltwirtschaft hat den 11. September noch nicht verdaut. Die Angst vor weiteren Terroranschlägen, eine Krise im Nahen Osten und die unsichere Lage in Argentinien lähmt die Akteure auch auf internationaler Ebene.
Politik gegen Wirtschaft?
Nur kann das nicht weiter eine Ausrede für die Bundesregierung sein. Trotz der fragilen Weltkonjunktur müssen im Inland die Voraussetzungen für einen stabilen Aufschwung geschaffen werden. Dazu gehören Reformen am Arbeitsmarkt genauso wie ein Umkrempeln der sozialen Sicherungssysteme, wie die EU-Finanzminister sie Hans Eichel gerade wieder ins Stammbuch geschrieben haben. Die Bundesregierung wird die Forderungen des DIHK nach Strukturreformen als das übliche Verbandsgeschrei abtun. Sie sollte sich aber fragen, ob eine Politik gegen die Wirtschaft die richtige Voraussetzung für den erhofften Aufschwung ist.
[Die Welt]