GoingPublic-Kolumne: Die Reihen lichten sich - Kehraus am Neuen Markt
08.10.2001 14:51
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic.de) - Die Betreiber des Neuen Marktes machen ernst. Seit einer Woche greifen die Delisting-Regeln, und jeder ist dafür - nur die betroffenen Unternehmen nicht.
Eine Reform am Neuen Markt war überfällig. Zu viele Werte, die längst zum Ballast für Ansehen und Performance des jungen Segments geworden waren. Im Zuge der langen Korrektur hat sich klar herauskristallisiert, wer die Existenzberechtigung für eine Wachstumsbörse hat. Die anderen sind Luftnummern, Schnellschüsse. Im Hype der New Economy hatten sie es bis auf´s Parkett geschafft, aber jetzt ist die Luft draußen. Und genau dafür gibt es die zusätzlichen Regeln des Neuen Marktes. Betroffen sind nun zwei Gruppen: Insolvenzkandidaten und Penny Stocks.
Wird das Insolvenzverfahren über ein Unternehmen eröffnet oder mangels Masse abgewiesen, verliert das betreffende Unternehmen seine Zulassung zum Neuen Markt und wird einen Monat nach Bekanntmachung ausgeschlossen. Diesen Worten sind nun Taten gefolgt. Erster und noch dazu prominenter Kandidat: Die Multimedia-Agentur Kabel New Media . Hochgelobt und tief gefallen, so läßt sich die Entwicklung kurz zusammenfassen. Nach einem desaströsen Geschäftsverlauf wurde am 1. September das Insolvenzverfahren eröffnet. Letzte Woche dann der endgültige Richterspruch der Deutschen Börse AG: Kabel New Media wird zum 2. November vom Neuen Markt ausgeschlossen. Nur zwei Tage später sollte Management Data folgen, ebenfalls wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zwar will Management Data gegen den Beschluss der Deutschen Börse juristisch vorgehen, der Erfolg dieser Klage scheint allerdings fraglich. Am 4. November dürfte also auch hier Schluss sein.
Doch damit sind die Aufräumarbeiten noch nicht beendet. Die nächsten Insolvenzkandidaten stehen schon in den Startlöchern. Da wäre zum Beispiel die Internetagentur PopNet . Der Insolvenzantrag wurde erste Mitte vergangenen Monats gestellt. Wegen des Antrags auf Insolvenz wohl ebenfalls im Visier der Deutschen Börse: Prodacta und mb Software . Es bleibt spannend.
Um seine Zulassung zum Neuen Markt zu verlieren, muss man allerdings nicht gleich insolvent sein. Es reicht auch eine zu geringe Marktkapitalisierung (unter 20 Mio. Euro) gepaart mit einem zu geringen Aktienkurs (tagesdurchschnittlich weniger als 1 Euro), die an 30 aufeinanderfolgenden Tagen auftreten. Wird diese Grenze innerhalb der nächsten drei Monate nicht an 15 aufeinander folgenden Tagen überschritten, heißt es Abschied nehmen von Nemax und Co.
Diese Regel klingt weniger klar als die Insolvenzregel und das ist wohl auch der Grund, warum immer mehr Unternehmen versuchen, sich selbst davon auszunehmen. Schönster Fall dabei: Foris . Das Prozeßfinanzierungsunternehmen trat diesmal in eigener Sache vor den Richter und erklagte für sich einen Aufschub der Delisting-Regeln (lesen Sie dazu die Kolumne "Foris und die Deutsche Börse - Wenn zwei sich streiten..." vom 20.8.). Auch wenn es dem Unternehmen selbst nicht eben viel gebracht hat, so gab es doch einige Nachahmer. Advanced Medien zum Beispiel. Das Münchner Unternehmen erstritt einen Aufschub der Regeln um sechs Monate. Ob das wirklich die Rettung ist, bleibt zweifelhaft, denn der Aktienkurs ist schließlich nicht grundlos gefallen! Dieses Argument hält andere Werte allerdings nicht davon ab, ebenfalls aktiv zu werden. Telekom-Dienstleister TelesensKSCL erwirkte erst kürzlich eine einstweilige Verfügung, verbunden mit einem Aufschub der Regeln. CPU Softwarehouse geht in der Klage noch einen Schritt weiter. Das Unternehmen fordert eine nicht nur zeitweise Aussetzung der Regeln.
Wesentlich kreativer gibt sich die Partnervermittlungsbörse MatchNet . Nachdem Marktkapitalisierung und Aktienkurs unter die Grenzwerte gesackt waren, konnte die Aktie mit einer etwas ungewöhnlichen Ad hoc-Meldung über den letzten Geschäftsverlauf (Lesen Sie dazu auch die Kolumne "MatchNet - Investor Relations at its best" vom 4.10.) wieder beflügelt werden.
Jedes Unternehmen, ob oben beschrieben oder nicht, handelt eigennützig. Das ist nur natürlich und keineswegs schändlich. Doch Fakt ist auch, dass diese Unternehmen mit ihrem Vorgehen langfristig dem Neuen Markt Schaden in einer Dimension zufügen, der jeden eigenen, kurzfristigen Erfolg zunichte macht. Weitsicht zahlt sich aus, auch an der Börse.
Neu!! Am 28. und 29. August 2001 veranstaltete die Value Relations IR Services GmbH & Co. KG den Value Relations Stock Day 2001. Die Video-Beiträge von GoingPublic TV können im Real Media-Format unter www.goingpublic.de abgerufen werden.
08.10.2001 14:51
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic.de) - Die Betreiber des Neuen Marktes machen ernst. Seit einer Woche greifen die Delisting-Regeln, und jeder ist dafür - nur die betroffenen Unternehmen nicht.
Eine Reform am Neuen Markt war überfällig. Zu viele Werte, die längst zum Ballast für Ansehen und Performance des jungen Segments geworden waren. Im Zuge der langen Korrektur hat sich klar herauskristallisiert, wer die Existenzberechtigung für eine Wachstumsbörse hat. Die anderen sind Luftnummern, Schnellschüsse. Im Hype der New Economy hatten sie es bis auf´s Parkett geschafft, aber jetzt ist die Luft draußen. Und genau dafür gibt es die zusätzlichen Regeln des Neuen Marktes. Betroffen sind nun zwei Gruppen: Insolvenzkandidaten und Penny Stocks.
Wird das Insolvenzverfahren über ein Unternehmen eröffnet oder mangels Masse abgewiesen, verliert das betreffende Unternehmen seine Zulassung zum Neuen Markt und wird einen Monat nach Bekanntmachung ausgeschlossen. Diesen Worten sind nun Taten gefolgt. Erster und noch dazu prominenter Kandidat: Die Multimedia-Agentur Kabel New Media . Hochgelobt und tief gefallen, so läßt sich die Entwicklung kurz zusammenfassen. Nach einem desaströsen Geschäftsverlauf wurde am 1. September das Insolvenzverfahren eröffnet. Letzte Woche dann der endgültige Richterspruch der Deutschen Börse AG: Kabel New Media wird zum 2. November vom Neuen Markt ausgeschlossen. Nur zwei Tage später sollte Management Data folgen, ebenfalls wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zwar will Management Data gegen den Beschluss der Deutschen Börse juristisch vorgehen, der Erfolg dieser Klage scheint allerdings fraglich. Am 4. November dürfte also auch hier Schluss sein.
Doch damit sind die Aufräumarbeiten noch nicht beendet. Die nächsten Insolvenzkandidaten stehen schon in den Startlöchern. Da wäre zum Beispiel die Internetagentur PopNet . Der Insolvenzantrag wurde erste Mitte vergangenen Monats gestellt. Wegen des Antrags auf Insolvenz wohl ebenfalls im Visier der Deutschen Börse: Prodacta und mb Software . Es bleibt spannend.
Um seine Zulassung zum Neuen Markt zu verlieren, muss man allerdings nicht gleich insolvent sein. Es reicht auch eine zu geringe Marktkapitalisierung (unter 20 Mio. Euro) gepaart mit einem zu geringen Aktienkurs (tagesdurchschnittlich weniger als 1 Euro), die an 30 aufeinanderfolgenden Tagen auftreten. Wird diese Grenze innerhalb der nächsten drei Monate nicht an 15 aufeinander folgenden Tagen überschritten, heißt es Abschied nehmen von Nemax und Co.
Diese Regel klingt weniger klar als die Insolvenzregel und das ist wohl auch der Grund, warum immer mehr Unternehmen versuchen, sich selbst davon auszunehmen. Schönster Fall dabei: Foris . Das Prozeßfinanzierungsunternehmen trat diesmal in eigener Sache vor den Richter und erklagte für sich einen Aufschub der Delisting-Regeln (lesen Sie dazu die Kolumne "Foris und die Deutsche Börse - Wenn zwei sich streiten..." vom 20.8.). Auch wenn es dem Unternehmen selbst nicht eben viel gebracht hat, so gab es doch einige Nachahmer. Advanced Medien zum Beispiel. Das Münchner Unternehmen erstritt einen Aufschub der Regeln um sechs Monate. Ob das wirklich die Rettung ist, bleibt zweifelhaft, denn der Aktienkurs ist schließlich nicht grundlos gefallen! Dieses Argument hält andere Werte allerdings nicht davon ab, ebenfalls aktiv zu werden. Telekom-Dienstleister TelesensKSCL erwirkte erst kürzlich eine einstweilige Verfügung, verbunden mit einem Aufschub der Regeln. CPU Softwarehouse geht in der Klage noch einen Schritt weiter. Das Unternehmen fordert eine nicht nur zeitweise Aussetzung der Regeln.
Wesentlich kreativer gibt sich die Partnervermittlungsbörse MatchNet . Nachdem Marktkapitalisierung und Aktienkurs unter die Grenzwerte gesackt waren, konnte die Aktie mit einer etwas ungewöhnlichen Ad hoc-Meldung über den letzten Geschäftsverlauf (Lesen Sie dazu auch die Kolumne "MatchNet - Investor Relations at its best" vom 4.10.) wieder beflügelt werden.
Jedes Unternehmen, ob oben beschrieben oder nicht, handelt eigennützig. Das ist nur natürlich und keineswegs schändlich. Doch Fakt ist auch, dass diese Unternehmen mit ihrem Vorgehen langfristig dem Neuen Markt Schaden in einer Dimension zufügen, der jeden eigenen, kurzfristigen Erfolg zunichte macht. Weitsicht zahlt sich aus, auch an der Börse.
Neu!! Am 28. und 29. August 2001 veranstaltete die Value Relations IR Services GmbH & Co. KG den Value Relations Stock Day 2001. Die Video-Beiträge von GoingPublic TV können im Real Media-Format unter www.goingpublic.de abgerufen werden.