Revolution bei Karstadt, Thomas Middelhoff im Interview (EuramS)
Comeback geschafft: Nach dem Kauf von Thomas Cook ist KarstadtQuelle ein völlig neuer Konzern –
Comeback geschafft: Nach dem Kauf von Thomas Cook ist KarstadtQuelle ein völlig neuer Konzern – eine Hälfte Handel, eine Hälfte Tourismus. Vorstand Thomas Middelhoff im Exklusiv-Interview über weitere Zukäufe, höhere Umsatz- und Gewinnprognosen und seine Pläne für 2007
von Stephan Bauer
€uro am Sonntag: Wie lief denn das Weihnachtsgeschäft?
Thomas Middelhoff: Sehr gut. Wir werden absolut gesehen beim Umsatz gegenüber dem Vorjahr
zulegen, obwohl es 2006 zwei Verkaufstage weniger gab. Das ist nicht bei allen Händlern so, wir
haben Marktanteile gewonnen.
€uro am Sonntag: Der Ladenschluss wird lockerer. Bereits im Advent hatten einzelne Karstadt-
Filialen bis 22 Uhr geöffnet. Bringt das mehr Umsatz?
Middelhoff: Ja, wir machen mehr Umsatz. Der Kunde ist dankbar, dass er abends länger
einkaufen kann. Sehr interessant wird die
Sache, wenn wir die längeren Öffnungszeiten mit Events verbinden. Wenn die Leute einen
besonderen Service erhalten, etwa einen Einpackdienst oder die Ware zum Auto getragen
bekommen. Dabei müssen wir natürlich darauf achten, dass die Kunden auch morgens kommen.
Das kann man beispielsweise mit speziellen Angeboten steuern.
€uro am Sonntag: Die Übernahme der restlichen 50 Prozent am Reisekonzern Thomas Cook ist
nach langem Anlauf endlich durch. Aus KarstadtQuelle wird damit ein Mischkonzern. Warum der
Kauf?
Middelhoff: Das wird kein Mischkonzern. Wir übernehmen Thomas Cook, weil wir Händler sind.
Wir verkaufen Produkte. Die Lufthansa ist eine reine Fluggesellschaft, die mit dem Reisegeschäft
von Thomas Cook wenig im Sinn hat.
€uro am Sonntag: Wo sehen Sie denn Synergien zwischen Handel und Reisegeschäft?
Middelhoff: Schon heute sind die Karstadt- und Neckermann-Reisebüros ein bedeutender
Distributionskanal für Thomas Cook in Deutschland. Das werden wir noch verstärken. Zudem
können wir die Kunden- und Kreditkarten der KarstadtQuelle-Bank mit den Kreditkarten von
Thomas Cook verbinden. Künftig können wir also unseren Karstadt- oder Quellekunden anbieten,
ihre Bonuspunkte in Urlaubsreisen oder Flugtickets einzulösen. Die Profile der Firmen ergänzen
sich zudem auch auf der Finanzseite ideal. Wenn wir bei KarstadtQuelle die höchste
Inanspruchnahme von Cash haben, also beim Aufbau der Warenlager für das
Weihnachtsgeschäft im Herbst, gibt es bei Thomas Cook die höchste Freisetzung von Geld.
€uro am Sonntag: Insbesondere die Übernahme von Condor galt als strittig. Soll die Fluglinie jetzt
dauerhaft im Konzern bleiben?
Middelhoff: Die Lufthansa ist heute bereits mit zehn Prozent an der Condor beteiligt. Für eine
Übergangsperiode erwirbt die Lufthansa weitere 14,9 Prozent, hält somit also 24,9 Prozent an der
Linie.
Thomas Cook wird aber schon in dieser Zeit die Linie völlig frei führen und weiterentwickeln.
Zudem gibt es eine feste Vereinbarung über den Ausstieg der Lufthansa nach zwei Jahren.
€uro am Sonntag: Wollen Sie danach verkaufen?
Middelhoff: Die Condor wird sehr erfolgreich geführt. Das Unternehmen dürfte heute die
profitabelste deutsche Linie im Charterbereich sein. Wir haben sehr klare Vorstellungen, wie man
die Linie am besten weiterentwickelt, sei es allein innerhalb von Thomas Cook oder aber in
Partnerschaften.
€uro am Sonntag: Airlines sind ein kapitalintensives Geschäft. Die Linie belastet doch den
Konzern.
Middelhoff: Warum? Condor ist profitabel, hat einen hohen Cashflow, ein gutes Image und ist gut
geführt. Ich sehe da eher Reserven für eine positive Entwicklung. Zudem hilft uns die Lufthansa
dabei, den Übergang professionell zu managen. Condor wird Ihrer Fragestellung in der relativen
Bedeutung zu Thomas Cook völlig überbewertet. Condor macht heute rund 15 Prozent vom
Thomas-Cook-Umsatz aus.
€uro am Sonntag: Inwiefern hilft Ihnen die Lufthansa? Zahlt sie etwa einen Teil der beachtlichen
Pilotengehälter weiter?
Middelhoff: Das ist nicht nötig, da Condor in der heutigen Struktur wettbewerbsfähig ist.
€uro am Sonntag: Die Flotte muss gewartet, Ersatzteile müssen beschafft und neue Maschinen
gekauft werden. Noch einmal: Belastet das nicht die Konzernkasse?
Middelhoff: Alle blicken hierzulande immer auf Condor, weil der Name so bekannt ist. Dabei
haben wir bei Thomas Cook in Großbritannien und Belgien bereits eine Flotte, die genauso groß
ist wie die von Condor in Deutschland.
€uro am Sonntag: Sie verdoppeln die Anzahl der Maschinen. Also steigt der Finanzbedarf.
Middelhoff: Der freie Cashflow von Thomas Cook ist gewaltig. Was auch daran liegt, dass die
Maschinen zu einem großen Teil unser
Eigentum sind und nicht wie bei der Konkurrenz zum größten Teil geleast. Ich kann nicht
erkennen, dass wir auf Jahre gesehen einen gewaltigen Finanzbedarf haben werden. Im
Gegenteil: Der Free Cashflow allein von Condor ist ein dreistelliger Millionenbetrag.
€uro am Sonntag: Sie wollten Neckermann zur Reiseplattform auch für Thomas Cook ausbauen.
Jetzt soll das Versandgeschäft an die Börse. Wie vertreiben Sie künftig Ihre Touristikprodukte?
Middelhoff: Wir werden den Vertrieb von Thomas-Cook-Produkten mit großer Intensität in den
Karstadt-Reisebüros und über Quelle und Quelle.de starten.
€uro am Sonntag: Und im Web?
Middelhoff: Thomas Cook hat in Großbritannien 18 Prozent Online-Anteil am Umsatz, in
Deutschland ist unser Reisegeschäft lange nicht so online-lastig. Deshalb wird der Schwerpunkt
unseres Web-Reisevertriebs auch künftig auf der Thomas-Cook-Plattform liegen.
€uro am Sonntag: Thomas Cook wird mit dem Verkauf der restlichen Anteile an Ihrem
Immobilien-Joint-Venture mit der Goldman-Sachs-Tochter Whitehall finanziert. Wann fließt denn
das Geld?
Middelhoff: Wir bekommen die 800 Millionen Euro nach Abschluss des Geschäfts. Das wird
voraussichtlich Ende des ersten Quartals der Fall sein. Mit diesem Cash
kaufen wir Thomas Cook inklusive Condor, ohne dass wir aus der
Bezahlung des Kaufpreises Finanzschulden machen.
€uro am Sonntag: Sie haben Interesse an weiteren Übernahmen signalisiert. Angeblich
verhandeln Sie bereits mit dem britischen Reisekonzern First Choice?
Middelhoff: Bei den britischen Reiseveranstaltern zeichnet sich eine Konsolidierung ab. Hier
werden wir Übernahmen prüfen und, wenn sinnvoll, aktiv dabei sein.
€uro am Sonntag: Wann soll es so weit sein?
Middelhoff: Das könnte schon im Laufe der nächsten Monate der Fall sein.
€uro am Sonntag: Wie sieht der Konzern aus, wenn Sie, wie angekündigt, im Jahr 2008 die
Pilotenkanzel bei Karstadt verlassen?
Middelhoff: Der Konzern wird sich gewaltig verändert haben. Und es wird kein Vergleich zu 2004
sein. Damals waren wir mit Fitness-Studios, der Textilkette Sinn-Leffers, den Laufschuhläden
Runners Point eine Gemischtwarenwüste. Bis 2008 wird der Umsatz auf rund 20 Milliarden Euro
anwachsen, wenn noch Übernahmen dazukommen. Der operative Gewinn auf Ebitda-Basis
(Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen, Red.) wird einen gewaltigen Sprung auf 1,1
Milliarden Euro machen, also deutlich über der ursprünglichen Planung von einer Milliarde liegen.
€uro am Sonntag: Die Sanierung soll bis 2008 abgeschlossen sein. Was sind denn Ihre
konkreten Ziele für das kommende Jahr?
Middelhoff: Meilensteine werden die Integration von Thomas Cook und die Prüfung weiterer
Übernahmen in Großbritannien oder Deutschland sein. Darüber hinaus kommt es jetzt auf unsere
operative Exzellenz an. Wir sind erkennbar gut unterwegs beim Warenhaus und gewinnen
Marktanteile, das hätte uns 2004 keiner zugetraut. Wir haben die richtige Konzeption im
Versandhandel und bei Thomas Cook jetzt auch den richtigen Mann an der Spitze.
€uro am Sonntag: Ende September hatte Karstadt noch rund 400 Millionen Euro Schulden. Wie
hoch ist der Schuldenstand jetzt?
Middelhoff: Im vierten Quartal
haben wir unser Finanzprofil weiter verbessert.
€uro am Sonntag: Sind weitere Übernahmen nicht riskant? Um zu kaufen, müssten Sie die
Schulden wieder erhöhen. Und das Tafelsilber ist mit den Immobilienverkäufen weitestgehend
weg.
Middelhoff: Hier muss ich widersprechen. Der Konzern saß 2004 auf 6,5 Milliarden Euro
Schulden. Jetzt sind wir schuldenfrei und haben bald drei Geschäfte, die wieder Gewinn machen.
Was soll das immer mit dem Tafelsilber? Das angebliche Tafelsilber Immobilien hat doch nur
dann Wert, wenn das operative Geschäft läuft, was jahrelang nicht der Fall war. Thomas Cook ist
ein Wert an sich mit acht Milliarden Umsatz, die Versandhandelsgruppe macht sechs Milliarden
Euro Umsatz, die Warenhäuser vier Milliarden. Nehmen wir an, ich erreiche meine 1,1 Milliarden
Ebitda in 2008. Nehmen Sie das mal Faktor acht bis neun und sie haben den geschätzten
Börsenwert des Unternehmens. Das, glaube ich, ist wahres Silber.
€uro am Sonntag: Aber die Immobilien sind raus. Ab jetzt kommt es also entscheidend auf das
operative Geschäft an.
Middelhoff: Ich kann Ihnen sagen, dass wir planen, das operative Ergebnis der
Karstadt-Warenhäuser in 2006 gegenüber dem Vorjahr fast zu verdoppeln. Die Zahlen, die wir
vorlegen werden, sind gut. Karstadt ist im vergangenen Jahr beim Umsatz gewachsen, das hat
es zuletzt vor sieben Jahren gegeben.
€uro am Sonntag: Wird Karstadt auch im kommenden Jahr wachsen?
Middelhoff: Ja. Außerdem werden wir hier auch 2007 wieder deutlich zweistellig beim Gewinn
zulegen.
€uro am Sonntag: Wann wird denn der Versandhandel endlich operativ schwarz?
Middelhoff: Der Spezialversand war immer schwarz. Der Universalhandel Deutschland, also
Quelle, ist defizitär. Das Geschäft soll am
Ende des Jahres die Gewinnzone
erreichen.
€uro am Sonntag: Im Sommer wollten Sie Neckermann noch sanieren, jetzt soll das Geschäft
raus. Haben Sie aufgegeben?
Middelhoff: Im Gegenteil. Wir haben 2005 entschieden, dass wir Neckermann auf E-Commerce
positionieren. Damals sagten wir, dass wir 2008 die Hälfte des Geschäfts im Web machen
wollen. Diese Quote haben wir bereits im vierten Quartal 2006 geschafft. Ende 2007 werden es
70 Prozent sein. Gegenwärtig ist das Interesse an solchen Unternehmen außerordentlich groß.
Und sagen Sie mir mal einen Grund, weshalb wir mit Quelle.de und Neckermann.de zwei
Online-Plattformen haben müssen? Zumal ja Quelle weit mehr Umsatz im Internet macht als
Neckermann.
€uro am Sonntag: Der Haken an Quelle.de ist aber, dass die Marke bei jüngeren, internet-affinen
Kunden ziemlich angestaubt wirkt.
Middelhoff: Quelle ist nach Untersuchungen die weitaus bekanntere Marke, das Vertrauen der
Kunden ist groß. Neckermann kommt hier nicht ran. Das haben wir alles
abgecheckt.
€uro am Sonntag: Auch bei jüngeren Leuten?
Middelhoff: Bei jüngeren Leuten ist Quelle nicht en vogue, da haben Sie recht. Gerade weil das
bei Neckermann so ist, können wir das Unternehmen auf die jüngere Zielgruppe fokussieren.
Damit ist Neckermann als Börsenkandidat bestens geeignet. Quelle dagegen müssen wir erst
mal in Ruhe sanieren. Selbst wenn wir wollten, können wir das Unternehmen nicht an die Börse
bringen oder verkaufen.
€uro am Sonntag: Gerüchten zufolge ist ein Verkauf von Neckermann wahrscheinlicher als ein
Börsengang.
Middelhoff: Schwer zu sagen. Wir halten uns beide Wege offen. Aus heutiger Sicht ist ein
Börsengang wahrscheinlicher.
€uro am Sonntag: Was ist bei Quelle noch zu tun?
Middelhoff: Wir wollen bei Quelle Homeshopping integrieren, also werden wir einen
Fernsehsender Quelle-TV gründen. Dann haben wir die Vertriebswege Katalog, Internet, TV und
die Filialen und damit einen wettbewerbsfähigen Multikanal-Versandhändler. Wenn wir das
geschafft haben, brauchen wir gar nicht zu verkaufen. Damit werden wir schon Geld verdienen.
€uro am Sonntag: Bleibt Osteuropa im Fokus?
Middelhoff: Eindeutig ja. Russland ist derzeit das größte Wachstumsfeld der Quelle. Auch Mittel-
und Osteuropa läuft gut. Deshalb konzentrieren wir uns hierauf und ziehen uns aus Westeuropa,
wo wir nur Nummer 4 sind, zurück.
€uro am Sonntag: Wann werden Sie Ihr erstes Warenhaus im Osten eröffnen?
Middelhoff: Terminlich können wir das noch nicht genau vorhersagen. Wir prüfen diese Option
sehr ernsthaft für unsere Premium-gruppe in St. Petersburg und
Moskau, darüber hinaus auch für Istanbul und in Dubai.
€uro am Sonntag: Und wie sollen die ausländischen Premium-Häuser heißen, etwa Karstadt?
Middelhoff: Nein. Die Karstadt-Premium-Group wird der Absender sein. Ob wir darüber dann
KaDeWe schreiben, mag von Fall zu Fall geprüft werden.
€uro am Sonntag: Ihr scheidender Finanzvorstand Harald Pinger hat vor einem Jahr im Gespräch
mit €uro am Sonntag Aktionären eine Dividende für 2007 in Aussicht gestellt. Lebt die Hoffnung
weiter?
Middelhoff: Vor dem Hintergrund unserer Portfolioveränderungen ist das schwer vorhersagbar.
Was wir uns vorstellen können, ist eine Sachdividende in Form von Neckermann-Aktien für die
KarstadtQuelle-Aktionäre. Bei unseren Anteilseignern könnten wir uns so mit Anteilen an einem
Wachstumswert, der börsennotiert ist, bedanken. Ausgeschlossen ist eine Dividende also nicht.