Wenn es nach dem Willen einer Handvoll kapitalkräftiger Investoren geht, gehört der Kabelsalat in den Wohnstuben bald der Vergangenheit an. Telefon-, TV- und Stromkabel, die schon jetzt eine flächendeckende Infrastruktur bilden, sollen in Zukunft vielfältig genutzt werden können. Möglich wird dann zum Beispiel das Telefonieren über das Stromkabel, ein Besuch im Internet über den Fernseher oder umgekehrt das Fernsehen am Computer. Unter dem Begriff Kabelgeschäft scheint alles möglich zu sein und nichts unmöglich.
Wenn sie Kabel hören, denken viele immer noch an das ehemalige TV-Kabelnetz der Deutschen Telekom. Der Ex-Monopolist musste seine TV-Kabelnetze aus kartellrechtlichen Gründen verkaufen. Die Telekom teilte das Kabelnetz in neun regionale Verkaufseinheiten mit den jeweiligen Betreibergesellschaften ein und begann 1998 mit dem Ausverkauf.
Inzwischen sind alle Einheiten verkauft. Die Kabelregion Baden-Württemberg und das Kabelnetz Nordrhein-Westfalen gehören heute dem US-Investor Callahan. Der Londoner Finanzmakler Gary Klesch und der ebenfalls britische Kabelnetzbetreiber NTL sind die Mehrheitseigentümer der Regionalgesellschaft Hessen. Die übrigen sechs Kabelnetze Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern, Bremen/Niedersachsen, Rheinland-Pfalz/Saarland, Berlin/Brandenburg, Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen und Bayern hat der US-Medienkonzern Liberty Media Anfang September offiziell erworben. Das Bundeskartellamt muss den Verkauf allerdings noch billigen.
Das TV-Kabel war bisher eine Einbahnstraße, die Fernsehprogramme durchleitete. Investoren wollen aus dem schmalen Weg eine breite Datenautobahn machen. Dann könnte das Fernsehen "laufen lernen" und interaktiv werden. Der Zuschauer könnte dann nicht nur fernsehen, sondern auch im Internet surfen oder telefonieren. Sie könnten von der Wohnzimmercouch Videos bestellen oder in den Werbepausen E-Mails verschicken.
Bis es soweit ist, müssen Investitionen in Milliarden-Höhe die maroden Kabelnetze erst einmal aufpolieren. Darin inbegriffen ist nicht die so genannte "letzte Meile". Das Kabelstück zwischen Straßennetz und den Wohnungen muss noch geöffnet werden. Der entscheidende Abschnitt gehört zumeist Kabelunternehmen wie Bosch, Primacom, Telecolumbus oder Wohnungsbaugesellschaften. Dadurch sind die Investoren auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Netzbetreibern angewiesen. Mit einer Ausnahme: Liberty Media hat sich über den Kauf von Telecolumbus 1,4 Mio. Anschlüsse gesichert.
Gehört das letzte Stückchen Kabel nicht dem Netzbetreiber, ist es ein mühsamer organisatorischer Aufwand, die Infrastruktur aufzurüsten. Und die Zeit läuft. Die Konkurrenz schläft nicht. Schnelle Internetanschlüsse gibt es nämlich inzwischen auch über DSL, die Nachfolgetechnik von ISDN, über Satelit oder über die Stromleitung.
Bisher kann noch niemand sagen, ob sich die hohen Investionen in das Kabelnetz lohnen. Ob der Verbraucher die neuen Möglichkeiten überhaupt nutzt und dafür Geld ausgibt, ist momentan noch unsicher. Derzeit gibt es in Deutschland 17 Mio. Kabelhaushalte. Und an diesen können die Betreiber jetzt ausprobieren, wie hoch die finanzielle Schmerzgrenze liegt. Das Online-Forschungsinstitut Jupiter MMXI sieht Deutschlands User jedenfalls eher vor einem DSL-Internetzugang sitzen als über das TV-Kabelnetz surfen. Prognosen sind schwierig, da man noch nicht einmal weiß, ob das Bundeskartellamt die Übernahme der Kabelnetze durch Liberty Media überhaupt genehmigt und die Infrastruktur ist noch nicht ausgebaut, so das Forschungsinstitut.
Die Callahan-Tochter Ish ist ein Stück weiter und erprobt die Zukunftsmusik bereits in Düsseldorf und Neuss. Bisher hat der Kommunikationsdienstleister 500.000 Haushalte umgerüstet. Bis Ende des Jahres sollen eine Millionen Haushalte über ein aufgemotztes Netz verfügen. Rund vier Mrd. Mark will Ish bis 2004 allein in NRW investieren. In Baden Württemberg sollen es weitere drei Mrd. Mark sein. Wieviele Kunden sich für den Datenhighway entscheiden werden, bleibt unklar. Angepeilt hat Ish 25 Prozent der Haushalte, die über die neue Technik verfügen. Es handelt sich um eine sehr langfristige Investiton, so eine Unternehmens-Sprecherin.
Bleibt zu hoffen, dass Callahan gut kalkuliert hat. Sonst geht es den Usern am Rhein vielleicht auch bald wie Millionen Internetnutzern in den USA. Diesen wurde per Gericht der "Online-Hahn" abrupt abgedreht. Der Internetprovider ExciteAtHome hatte sich verkalkuliert. Woraufhin der Konkursrichter dem Internetdienstleister gestattete, die Verträge mit den Kunden kurzfristig zu kündigen.