Joachim Goldberg: Der Psychökonom
Von Karsten Huhn, Frankfurt
Der Ex-Devisenhändler Joachim Goldberg untersucht, wie bei Anlegern aus Freude Gier und aus Angst Panik wird. Der Mann will die Märkte verstehen.
Seit fünf Jahren beschäftigt sich der frühere Deutschbanker Joachim Goldberg mit dem Verhalten von Anlegern. Wie entstehen Masseneuphorien, Spekulationsblasen und Panikverkäufe? Börsen-Profis wie auch Anfänger weisen bestimmte Verhaltensmuster auf. Ein gescheitertes Börsenengagement vergleicht Joachim Goldberg gern mit einer Liebesbeziehung. Beim Kennenlernen ist man noch verliebt und euphorisch. Wenn es zu kriseln beginnt, wird an der getroffenen Entscheidung festgehalten. An der Börse kauft man in dieser Situation nach. Die Wahrnehmung verändert sich, die schlechten Eigenschaften werden ausgeblendet. Erst wenn der psychische Druck nicht mehr auszuhalten ist, trennt man sich.
Irrational
Goldberg will die Märkte verstehen. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit dem Verhalten von Anlegern. Warum handeln Menschen oft irrational? Hoffnung, Freude, Gier - an den Finanzmärkten dominieren Gefühle. Angst, Lähmung, Verzweiflung - warum verlieren Anleger die Selbstkontrolle? Mit Behavorial Finance hat Goldberg eine Methode gefunden, mit der er Phänomene, die sich ökonomisch nicht erklären lassen, begreiflich macht.
25 Jahre diente Goldberg der Deutschen Bank, am Tag der Silberhochzeit mit dem Finanzkonzern verließ er ihn gemeinsam mit drei Kollegen. Goldberg gründete Cognitrend. Von der Selbständigkeit versprach er sich mehr Geld, Zufriedenheit und Unabhängigkeit. Die Bank wollte das Team gern weiter beschäftigen und wurde der erste große Kunde.
Das Geschäft soll wachsen; zur Zeit sucht Goldberg einen Psychologen. In den ersten sechs Monaten waren die Gehälter noch niedriger als beim alten Arbeitgeber, inzwischen gibt es mehr. Geld verdient Goldberg vor allem mit dem Training von Händlern und Anlageberatern. Bis zum Ende des Jahres ist er ausgebucht, absolviert pro Woche zwei Veranstaltungen, im Jahr mehr als 100 Präsentationen und Schulungen. Einen Behavorial-Finance-Fonds will er auflegen - und irgendwann an die Börse gehen, auch wenn das momentan unrealistisch erscheint. Noch ist Cognitrend das einzige Unternehmen in Deutschland, das Behavorial Finance-Dienstleistungen anbietet. Goldberg geht davon aus, dass sich das bald ändern wird.
Faul
Trotz Anzug und Krawatte fühlt er sich nicht als Banker. "Mich interessiert Psychologie mehr als Ökonomie." Goldberg lehnt sich zurück, flegelt sich in den Stuhl, rutscht immer weiter nach vorne. Offenbar fühlt er sich wohl. Zwischendurch richtet er sich etwas auf, um gleich darauf wieder abzurutschen. Plötzlich steht er auf, skizziert am Flipchart seine Gedanken. Nur wenn er vom eigenen Scheitern erzählen soll, wird er einsilbig.
Goldbergs Leben weist eine seltsame Lernkurve auf. Bis zum 26. Lebensjahr war er nach eigener Aussage faul. "Lernen war für mich nur notwendig, um mich durchzumogeln." Er ging auf eine Walddorfschule, lernte Bankkaufmann und machte eine Weiterbildung zum Bankfachwirt. Goldberg wurde Devisenhändler, merkte aber nach drei Jahren, dass er kein guter Broker ist. 1983 wurde er Analyst.
Die Arbeit, die er jahrelang selbst betrieben hat, stellt Goldberg inzwischen in Frage: "30 Prozent der technischen Analyse sind brauchbar, den Rest können sie über Bord schmeißen". Dass er sich von seinem alten Arbeitsfeld distanziert hat, wird ihm von vielen in der Branche verübelt. Die meisten Ökonomen halten nichts von Psychologie.
"Behavorial Finance", sein jüngstes Buch, gilt als Standardwerk. Das nächste soll "Behavorial Living" heißen und ein Ratgeber für bessere Entscheidungen im Privatleben sein. Goldberg glaubt, dass Menschen sich zu lange an Fehlentscheidungen klammern. "Was sie an der Börse falsch machen, machen sie auch im Privaten falsch."
Der größte Verlust in seinem Leben war der Kauf eines weißen Peugeot. Den hatte sich seine Frau von einem Gebrauchtwagenhändler aufschwatzen lassen, zwei Jahre später haben die Goldbergs den Wagen mit 70 Prozent Verlust wieder verkauft.
Genussmensch
Er ist ein Genussmensch, raucht gern Zigarillos, bevorzugt italienische und französische Küche. "Lieber einmal exzellent als zehnmal mittelmäßig." Einmal im Monat genehmigt er sich "eine sehr teure Flasche Rotwein", Bordeaux Château Latour. Wein "bei dem Glas und Mehrwertsteuer teurer sind als der Inhalt" lehnt er ab. Lieber Klasse als Masse. Leider hat auch Klasse Kalorien. Goldberg nascht gerne Schokolade und Pralinen. Aber selbst für gutes Essen braucht er Disziplin, hat sich gerade wieder einmal auf Diät gesetzt. "Das ist ein ständiges Auf und Ab in meinem Leben."
Früher war er öffentlichkeitsscheu. Heute freut er sich, wenn es ihm gelingt, in einen Saal mit 300 Leuten Stimmung reinzubringen. Zudem analysiert er zweimal in der Woche beim Nachrichtensender N-TV die Märkte.
Für private Anlageentscheidungen greift Goldberg auf Aktien- und Rentenfonds zurück. Keine Hedge Funds, keine Devisen, weder Futures noch Optionen. Und die Anlageentscheidungen trifft seine Frau. Nur wenn es darum geht, ab- oder zuzunehmen, lässt er die Disziplin auch mal sausen. "Der Homo Oeconomicus hat keinen Spaß am Leben."
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Cognitrend
Das Unternehmen gründete Joachim Goldberg im Jahr 2000, als er die Deutsche Bank nach fast 25 Jahren verließ. Cognitrend bietet Schulungen und Beratungen für verhaltensorientierte Kapitalmarktanalyse sowie Research für Aktien und Zinsen an.
Der Chef begann als 20-Jähriger eine Ausbildung bei der Deutschen Bank. Er arbeitete als Devisenhändler, später als technischer Analyst. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit Behavorial Finance, dem Verhalten von Marktteilnehmern, und ist Verfasser eines Standardwerkes zum Thema. Goldberg ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater zweier Töchter.
Von Karsten Huhn, Frankfurt
Der Ex-Devisenhändler Joachim Goldberg untersucht, wie bei Anlegern aus Freude Gier und aus Angst Panik wird. Der Mann will die Märkte verstehen.
Seit fünf Jahren beschäftigt sich der frühere Deutschbanker Joachim Goldberg mit dem Verhalten von Anlegern. Wie entstehen Masseneuphorien, Spekulationsblasen und Panikverkäufe? Börsen-Profis wie auch Anfänger weisen bestimmte Verhaltensmuster auf. Ein gescheitertes Börsenengagement vergleicht Joachim Goldberg gern mit einer Liebesbeziehung. Beim Kennenlernen ist man noch verliebt und euphorisch. Wenn es zu kriseln beginnt, wird an der getroffenen Entscheidung festgehalten. An der Börse kauft man in dieser Situation nach. Die Wahrnehmung verändert sich, die schlechten Eigenschaften werden ausgeblendet. Erst wenn der psychische Druck nicht mehr auszuhalten ist, trennt man sich.
Irrational
Goldberg will die Märkte verstehen. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit dem Verhalten von Anlegern. Warum handeln Menschen oft irrational? Hoffnung, Freude, Gier - an den Finanzmärkten dominieren Gefühle. Angst, Lähmung, Verzweiflung - warum verlieren Anleger die Selbstkontrolle? Mit Behavorial Finance hat Goldberg eine Methode gefunden, mit der er Phänomene, die sich ökonomisch nicht erklären lassen, begreiflich macht.
25 Jahre diente Goldberg der Deutschen Bank, am Tag der Silberhochzeit mit dem Finanzkonzern verließ er ihn gemeinsam mit drei Kollegen. Goldberg gründete Cognitrend. Von der Selbständigkeit versprach er sich mehr Geld, Zufriedenheit und Unabhängigkeit. Die Bank wollte das Team gern weiter beschäftigen und wurde der erste große Kunde.
Das Geschäft soll wachsen; zur Zeit sucht Goldberg einen Psychologen. In den ersten sechs Monaten waren die Gehälter noch niedriger als beim alten Arbeitgeber, inzwischen gibt es mehr. Geld verdient Goldberg vor allem mit dem Training von Händlern und Anlageberatern. Bis zum Ende des Jahres ist er ausgebucht, absolviert pro Woche zwei Veranstaltungen, im Jahr mehr als 100 Präsentationen und Schulungen. Einen Behavorial-Finance-Fonds will er auflegen - und irgendwann an die Börse gehen, auch wenn das momentan unrealistisch erscheint. Noch ist Cognitrend das einzige Unternehmen in Deutschland, das Behavorial Finance-Dienstleistungen anbietet. Goldberg geht davon aus, dass sich das bald ändern wird.
Faul
Trotz Anzug und Krawatte fühlt er sich nicht als Banker. "Mich interessiert Psychologie mehr als Ökonomie." Goldberg lehnt sich zurück, flegelt sich in den Stuhl, rutscht immer weiter nach vorne. Offenbar fühlt er sich wohl. Zwischendurch richtet er sich etwas auf, um gleich darauf wieder abzurutschen. Plötzlich steht er auf, skizziert am Flipchart seine Gedanken. Nur wenn er vom eigenen Scheitern erzählen soll, wird er einsilbig.
Goldbergs Leben weist eine seltsame Lernkurve auf. Bis zum 26. Lebensjahr war er nach eigener Aussage faul. "Lernen war für mich nur notwendig, um mich durchzumogeln." Er ging auf eine Walddorfschule, lernte Bankkaufmann und machte eine Weiterbildung zum Bankfachwirt. Goldberg wurde Devisenhändler, merkte aber nach drei Jahren, dass er kein guter Broker ist. 1983 wurde er Analyst.
Die Arbeit, die er jahrelang selbst betrieben hat, stellt Goldberg inzwischen in Frage: "30 Prozent der technischen Analyse sind brauchbar, den Rest können sie über Bord schmeißen". Dass er sich von seinem alten Arbeitsfeld distanziert hat, wird ihm von vielen in der Branche verübelt. Die meisten Ökonomen halten nichts von Psychologie.
"Behavorial Finance", sein jüngstes Buch, gilt als Standardwerk. Das nächste soll "Behavorial Living" heißen und ein Ratgeber für bessere Entscheidungen im Privatleben sein. Goldberg glaubt, dass Menschen sich zu lange an Fehlentscheidungen klammern. "Was sie an der Börse falsch machen, machen sie auch im Privaten falsch."
Der größte Verlust in seinem Leben war der Kauf eines weißen Peugeot. Den hatte sich seine Frau von einem Gebrauchtwagenhändler aufschwatzen lassen, zwei Jahre später haben die Goldbergs den Wagen mit 70 Prozent Verlust wieder verkauft.
Genussmensch
Er ist ein Genussmensch, raucht gern Zigarillos, bevorzugt italienische und französische Küche. "Lieber einmal exzellent als zehnmal mittelmäßig." Einmal im Monat genehmigt er sich "eine sehr teure Flasche Rotwein", Bordeaux Château Latour. Wein "bei dem Glas und Mehrwertsteuer teurer sind als der Inhalt" lehnt er ab. Lieber Klasse als Masse. Leider hat auch Klasse Kalorien. Goldberg nascht gerne Schokolade und Pralinen. Aber selbst für gutes Essen braucht er Disziplin, hat sich gerade wieder einmal auf Diät gesetzt. "Das ist ein ständiges Auf und Ab in meinem Leben."
Früher war er öffentlichkeitsscheu. Heute freut er sich, wenn es ihm gelingt, in einen Saal mit 300 Leuten Stimmung reinzubringen. Zudem analysiert er zweimal in der Woche beim Nachrichtensender N-TV die Märkte.
Für private Anlageentscheidungen greift Goldberg auf Aktien- und Rentenfonds zurück. Keine Hedge Funds, keine Devisen, weder Futures noch Optionen. Und die Anlageentscheidungen trifft seine Frau. Nur wenn es darum geht, ab- oder zuzunehmen, lässt er die Disziplin auch mal sausen. "Der Homo Oeconomicus hat keinen Spaß am Leben."
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Cognitrend
Das Unternehmen gründete Joachim Goldberg im Jahr 2000, als er die Deutsche Bank nach fast 25 Jahren verließ. Cognitrend bietet Schulungen und Beratungen für verhaltensorientierte Kapitalmarktanalyse sowie Research für Aktien und Zinsen an.
Der Chef begann als 20-Jähriger eine Ausbildung bei der Deutschen Bank. Er arbeitete als Devisenhändler, später als technischer Analyst. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit Behavorial Finance, dem Verhalten von Marktteilnehmern, und ist Verfasser eines Standardwerkes zum Thema. Goldberg ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater zweier Töchter.