Mittwoch, 4. September 2002
Vorgehen gegen Irak
Bush ergreift Initiative
US-Präsident George W. Bush will in der kommenden Woche seine Pläne gegenüber Irak vor den Vereinten Nationen erläutern. Mit einer weltweiten diplomatischen Initiative bereitet er seine Entscheidung über ein Vorgehen gegen den Irak vor. "Ich appelliere an die Welt einzusehen, dass er (Saddam Hussein) alle an der Nase herumführt", sagte Bush nach einem Gespräch mit Kongresspolitikern im Weißen Haus.
Er werde am Samstag mit dem britischen Premierminister Tony Blair auf seinem Sommersitz in Camp David zusammentreffen und in der kommenden Woche mit den Präsidenten Chinas, Russlands und Frankreichs telefonieren. Damit hätte Bush vor seiner Rede bei den Vereinten Nationen am 12. September mit allen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates gesprochen.
Der US-Kongress wird möglicherweise noch in den kommenden Wochen einen Beschluss zum weiteren Vorgehen der USA gegen Irak fassen. Das Thema könnte noch vor der Parlamentspause Anfang Oktober behandelt werden, sagte der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Tom Daschle, nach dem Gespräch mit Bush.
Zuvor hatte US-Außenminister Colin Powell Differenzen innerhalb der Regierung über das Vorgehen gegen Irak eingeräumt. Bush hat für den 11. September eine Rede an die Nation angekündigt und wendet sich einen Tag später an die UN-Vollversammlung in New York.
"Ich sehe einige Differenzen, einige sind echt, einige angenommen und einige übertrieben", sagte Powell, der einem Krieg eher skeptisch gegenübersteht. Powell sagte, alle in der Administration arbeiteten hart und in Harmonie, um sicherzustellen, dass der Präsident die besten Informationen und die unterschiedlichen Ansichten hört, „die im Kabinett bestehen und Einfluss haben könnten, damit er die beste Entscheidung treffen kann“.
Arabische Liga stellt sich hinter Irak
Unterdessen stärkte die Arabische Liga dem Irak im Konflikt mit den USA den Rücken. Der libanesische Außenminister Mahmud Hammud sagte zu Beginn einer zweitägigen Sitzung der Araberliga in Kairo: "Wir lehnen diese Drohungen (der USA gegen den Irak) ab. Dies ist unsere Verantwortung und Pflicht gegenüber einem Bruderstaat".
"Blair bereitet Großbritannien auf einen Krieg vor"
Auch die Gespräche zwischen den USA und Europa über einen möglichen Irak-Angriff werden offenbar intensiviert. Der britische Premierminister Tony Blair will dazu laut Informationen der "Times " in den nächsten 14 Tagen nach Washington reisen.
Blair hatte erst am Dienstagabend seine Forderung nach einem Machtwechsel in Bagdad bekräftigt. Die irakische Regierung müsse "vollkommen anders funktionieren". Eine Entscheidung über einen möglichen Angriff sei jedoch nicht gefallen. Es sei aber "bizarr", dass "hochanständige Leute" gesagt hätten, man solle am Besten gar nichts gegen den Irak unternehmen. Auf die Position von Kanzler Schröder und Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber gegen einen Alleingang der USA angesprochen, sagte Blair: "Wir sollten die deutsche Politik beiseite lassen. Die ist auch ohne mein Eingreifen sehr interessant." Britische Zeitungen werteten die Äußerungen Blairs als Stimmungsmache für einen Militärschlag.
Waffen-Verlegung schon angelaufen?
Nach Angaben von Reederei-Mitarbeitern haben die USA bereits damit begonnen, Kriegsgerät in die Golf-Region zu bringen. Die US-Marine soll demnach ein großes Handelsschiff gechartert haben, um Kampfpanzer und Panzerfahrzeuge in Richtung Irak zu verschiffen. Die Ladung soll Ende September am Persischen Golf eintreffen. Es handele sich bereits um den dritten Waffentransport mit US-Handelsschiffen innerhalb eines Monats, hieß es weiter.
Clinton: Lösung der Nahostkrise ist dringlicher
Der frühere US-Präsident Bill Clinton hält eine Lösung des Nahostkonfliktes für dringlicher als ein Vorgehen gegen den Irak. "Die (irakische) Frage ist nicht so brennend wie die Notwendigkeit, den Friedensprozess im Nahen Osten wieder in Gang zu bringen und die Gewalt in dieser Region zu stoppen", sagte Clinton dem französischen Wochenmagazin "Le Nouvel Observateur". Das "Problem Irak" müsse angegangen werden, aber das bedeute nicht zwangsläufig eine Invasion.
Irak stellt Bedingungen
Bagdad erklärte sich derweil zu Gesprächen über eine Wiederaufnahme der UN-Rüstungskontrollen bereit, verknüpfte dies aber mit Bedingungen. Nötig sei eine Gesamtlösung unter Einschluss von Verhandlungen über ein Ende der Sanktionen und die Wiederherstellung der irakischen Souveränität im gesamten Staatsgebiet, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Tarik Asis nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in Johannesburg.