Japan ohne weitere Krise

Tokio (vwd) - Seitdem die globalen Deflationsängste etwas abgeklungen sind, ist in Japan eine beispiellose Wende am Anleihenmarkt eingetreten. Nach einer langen Bondrally sind in gerade einmal drei Wochen die Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen (JBGs) um zeitweilig mehr als das Dreifache gestiegen: Von dem Rekordtief von 0,43 Prozent am 11. Juni bis auf 1,40 Prozent in der Spitze. An diesem Freitag schloss der Markt dann wieder bei einer Rendite von 1,045 Prozent.

Noch müssen sich die ohnehin Leid geplagten japanischen Kreditinstitute wegen dieser Entwicklung keine großen Sorgen machen. Denn bislang haben stattliche Gewinne am Aktienmarkt dafür gesorgt, die Verluste aus dem Bond-Geschäft zu kompensieren. Allerdings erwarten die meisten Beobachter derzeit nicht, dass die Banken schnell wieder ins Geschäfts mit den JGBs zurückkehren werden. Ihrer Einschätzung nach spricht dafür vor allem eines -
die hohe Volatilität. Ab einem bestimmen Niveau erfordern Marktpreisschwankungen wegen interner Bankenregeln Wertpapierverkäufe, um das Portfoliorisiko zu senken.

David Atkinson von Goldman Sachs verweist darauf, dass die gestiegenen Zinsen nur einen begrenzten negativen Effekt haben werden. Denn durch die Bond-Baisse werden die nichtrealisierten Gewinne der Banken im ersten Quartal dieses Fiskaljahres um lediglich 350 Mrd JPY gemindert. Dem stünden jedoch nichtrealisierte Gewinne über 1,5 Bill JPY aus dem Aktiengeschäft gegenüber. Zudem dürfte der Zinsanstieg nach Auffassung von Atkinson mit höheren Gewinnspannen im Kreditgeschäft verbunden sein.

Auch Toyoki Sameshima hält den Effekt der Kursverluste am Anleihenmarkt für begrenzter als einige andere Beobachter. Neben den Gewinnen am heimischen Aktienmarkt dürften sich die Banken seiner Einschätzung nach zusätzlich über eine gute Entwicklung im Geschäft mit ausländischen Anleihen erfreut haben. Darüber hinaus kämen aber auch längst realisierte Kursgewinne aus JGB-Transaktionen im April und Mai hinzu, denn zu diesem Zeitpunkt sei die Hausse noch am Laufen gewesen.

Gefährlicher für die Banken ist nach Ansicht zahlreicher Experten allerdings eine deutliche Korrektur am Aktienmarkt. Denn seit Beginn dieses Fiskaljahres im April hat der japanische Aktienmarkt - gemessen am Nikkei-225-Index - Kursgewinne von 20 Prozent verzeichnet. Der breitere Topix liegt ebenfalls mit rund 20 Prozent im Plus.

Kritische Stimmen warnen aber davor, dass es keine Garantie für ein anhaltend höheres Kursniveau am Aktienmarkt gibt. Denn die japanische Wirtschaft präsentiert sich weiterhin relativ kraftlos und in einer Deflationsspirale gefangen. Sollten die Aktienpreise wieder ihre Richtung ändern und womöglich deutlich absacken, würden sich die nicht realisierten Kursgewinne in Luft auflösen und zu den JGB-Verlusten hinzuaddieren, sagt Rieko McCarthy, Kreditanalystin bei JP Morgan in Tokio.

McCarthy erwartet allerdings, dass die Banken ihre Anleihenportfolios -
vor allem für kurze und mittlere Fristen - wieder aufstocken werden, nachdem sie zuletzt erst ihre exzessiven Positionen abgebaut hätten. Da die Banken zwar über viel Liquidität verfügten, jedoch sehr vorsichtig bei der Kreditvergabe seien, bleibe ihnen womöglich gar nichts anderes übrig, sagt sie. Gleichzeitig gehen Beobachter davon aus, dass die japanischen Institute ihre Aktienbestände weiter abbauen werden, um damit Vorschriften der Regierung nachzukommen.

Ohne Folgen ist die japanische Anleihenbaisse bislang für die Ratings der Kreditinstitute geblieben. Die Kursverluste hätten keinen Einfluss auf die Bonitätsbewertungen, sagt Yasunobu Doi von Moody's Investor Service. Er hebt hervor, dass die Ratings vor allem durch mehr oder weniger explizite Haftungsgarantien des Staates gestützt seien. Sollten die Banken tatsächlich in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, wird die Regierung ihnen nach Dois Auffassung helfen. +++ Peter Trautmann
vwd/DJ/4.7.2003/ptr/jej

04.07.2003, 14:00