HINTERGRUND: Japan 'chinesische Provinz'? - Ausnahmebanker drängt zum Handeln
Die Schuldenkrise der japanischen Banken zwingt nach Auffassung eines prominenten Spitzenbankers zu umgehendem Handeln. Die Banken stünden angesichts noch immer massiver Berge an faulen Krediten inzwischen mit dem Rücken an der Wand.
"Es gibt keinen Puffer mehr. Die Banken haben keine unrealisierten Gewinne mehr auf ihre Aktienbestände, nur noch unrealisierte Verluste", erklärte Masamoto Yashiro, Vorstandsvorsitzender der japanischen Shinsei Bank, am Dienstag vor dem Club der Auslandskorrespondenten in Tokio. "Wenn wir in zwei Jahren das Problem nicht lösen, könnten wir in 15 Jahren zu einer Provinz Chinas werden", warnte Yashiro scherzend.
ZORNESRÖTE
"Das Bankenproblem kann nicht gelöst werden, ohne eine Lösung der Probleme der Unternehmen", sagte Yashiro. Der 74-Jährige weiß nicht nur, wovon er spricht. Er weiß auch, wie man es richtig macht. Seit sein Institut vor drei Jahren aus der damals verstaatlichten und an internationale Investoren verkauften Long-Term Credit Bank (LTCB) hervorging, hat sich die Shinsei Bank unter Yashiros Führung zu einer so erfolgreichen Ausnahmebank entwickelt, dass dies Bürokraten wie Banker die Zornesröte ins Gesicht trieb.
So ist die Shinsei Bank wieder zur Gewinnschwelle zurückgekehrt und weist eine Eigenkapitalquote von 19 Prozent auf, etwas, von dem andere japanische Banken nur träumen können. Nach anfangs fast drei Billionen Yen (24 Milliarden Euro) an Problemkrediten dürften es zum Ende März, dem Bilanzschluss für das laufende Geschäftsjahr, "unter 300 Milliarden Yen" sein, erklärte Yashiro. Möglich wurde dies unter anderem durch striktes Eintreiben von Krediten. Daneben profitierte die Bank aber auch von einer Vereinbarung mit der Regierung, wonach der Staat bestimmte Kreditausfälle übernimmt, wie Kritiker betonen.
GELD MACHEN ALS SÜNDE
Eines der Probleme der Banken sei, dass sie "nie genügend Druck auf Kunden ausgeübt haben", bei denen Umstrukturierungen notwendig seien, erklärte Yashiro. Ein nachsichtiger Gläubiger zu sein, gelte in Japan als Tugend. Geld zu machen, werde von vielen Menschen in Japan als "Sünde" betrachtet. Es müsse die vorrangige Aufgabe der Banken sein, den Schuldnern klar aufzuzeigen, was bei ihnen im Argen liege und ihnen dann bei der Umstrukturierung zu helfen. Ein anderes Problem sei die Fehlkalkulierung bei der Verzinsung. Die meisten Unternehmen zahlten nur "ein bis drei Prozent" Zinsen an die Banken.
Dies sei jedoch völlig unzulänglich angesichts der anfallenden Finanzierungskosten, Risikoprämien und Kapitalkosten. "Das ist der Grund, weswegen die japanischen Banken heute Geld verlieren", analysierte Yoshiro. Die Banken mögen riesige Bilanzsummen aufweisen. Doch die Kreditkosten machten sämtliche der Profite wieder zunichte. Wichtig sei, die Kapitalbasis aufzustocken, sagte Yashiro, der lange eine Ölfirma leitete, bevor er über Citibank zur Shinsei wechselte.
SENIORITÄTSPRINZIP
Mindestens ebenso wichtig sei es aber, dass die japanischen Banken der Öffentlichkeit und potenziellen Investoren detailliert erklärten, was sie für die nächsten zwei Jahre planten und wie dann ihre Bilanzen aussehen würden. Ein weiteres Problem in Japan sei das Senioritätsprinzip. Junge, top-ausgebildete Leute kämen nicht ans Ruder. Damit müsse Schluss sein, sagte Yashiro. Zudem sei es um den Bankenservice in Japan schlecht bestellt. In Bankenfilialen werde der Kunde "wie ein Schüler" in der Schule behandelt, der in der Reihe warten müsse, bis der Lehrer ihn aufrufe.
Die wirtschaftlichen Erfolge der 60er, 70er und 80er Jahre seien bei Japans Managern so stark in Erinnerung, dass sie glaubten, die Dinge würden mit der Zeit wiederkommen, sagte Yashiro auf die Frage, warum es in Japan trotz all der bekannten Probleme und Lösungsansätze so schwierig sei, diese auch umzusetzen. Ohne Veränderungen jedoch "könnten wir eines Tages eines der letzten sozialistischen Länder in der Welt sein", sagte Yashiro. "Nordkorea, Kuba und Japan"./ln/DP/ari
--- Von Lars Nicolaysen, dpa ---
04.03.2003 - 13:03
Quelle: dpa-AFX
Die Schuldenkrise der japanischen Banken zwingt nach Auffassung eines prominenten Spitzenbankers zu umgehendem Handeln. Die Banken stünden angesichts noch immer massiver Berge an faulen Krediten inzwischen mit dem Rücken an der Wand.
"Es gibt keinen Puffer mehr. Die Banken haben keine unrealisierten Gewinne mehr auf ihre Aktienbestände, nur noch unrealisierte Verluste", erklärte Masamoto Yashiro, Vorstandsvorsitzender der japanischen Shinsei Bank, am Dienstag vor dem Club der Auslandskorrespondenten in Tokio. "Wenn wir in zwei Jahren das Problem nicht lösen, könnten wir in 15 Jahren zu einer Provinz Chinas werden", warnte Yashiro scherzend.
ZORNESRÖTE
"Das Bankenproblem kann nicht gelöst werden, ohne eine Lösung der Probleme der Unternehmen", sagte Yashiro. Der 74-Jährige weiß nicht nur, wovon er spricht. Er weiß auch, wie man es richtig macht. Seit sein Institut vor drei Jahren aus der damals verstaatlichten und an internationale Investoren verkauften Long-Term Credit Bank (LTCB) hervorging, hat sich die Shinsei Bank unter Yashiros Führung zu einer so erfolgreichen Ausnahmebank entwickelt, dass dies Bürokraten wie Banker die Zornesröte ins Gesicht trieb.
So ist die Shinsei Bank wieder zur Gewinnschwelle zurückgekehrt und weist eine Eigenkapitalquote von 19 Prozent auf, etwas, von dem andere japanische Banken nur träumen können. Nach anfangs fast drei Billionen Yen (24 Milliarden Euro) an Problemkrediten dürften es zum Ende März, dem Bilanzschluss für das laufende Geschäftsjahr, "unter 300 Milliarden Yen" sein, erklärte Yashiro. Möglich wurde dies unter anderem durch striktes Eintreiben von Krediten. Daneben profitierte die Bank aber auch von einer Vereinbarung mit der Regierung, wonach der Staat bestimmte Kreditausfälle übernimmt, wie Kritiker betonen.
GELD MACHEN ALS SÜNDE
Eines der Probleme der Banken sei, dass sie "nie genügend Druck auf Kunden ausgeübt haben", bei denen Umstrukturierungen notwendig seien, erklärte Yashiro. Ein nachsichtiger Gläubiger zu sein, gelte in Japan als Tugend. Geld zu machen, werde von vielen Menschen in Japan als "Sünde" betrachtet. Es müsse die vorrangige Aufgabe der Banken sein, den Schuldnern klar aufzuzeigen, was bei ihnen im Argen liege und ihnen dann bei der Umstrukturierung zu helfen. Ein anderes Problem sei die Fehlkalkulierung bei der Verzinsung. Die meisten Unternehmen zahlten nur "ein bis drei Prozent" Zinsen an die Banken.
Dies sei jedoch völlig unzulänglich angesichts der anfallenden Finanzierungskosten, Risikoprämien und Kapitalkosten. "Das ist der Grund, weswegen die japanischen Banken heute Geld verlieren", analysierte Yoshiro. Die Banken mögen riesige Bilanzsummen aufweisen. Doch die Kreditkosten machten sämtliche der Profite wieder zunichte. Wichtig sei, die Kapitalbasis aufzustocken, sagte Yashiro, der lange eine Ölfirma leitete, bevor er über Citibank zur Shinsei wechselte.
SENIORITÄTSPRINZIP
Mindestens ebenso wichtig sei es aber, dass die japanischen Banken der Öffentlichkeit und potenziellen Investoren detailliert erklärten, was sie für die nächsten zwei Jahre planten und wie dann ihre Bilanzen aussehen würden. Ein weiteres Problem in Japan sei das Senioritätsprinzip. Junge, top-ausgebildete Leute kämen nicht ans Ruder. Damit müsse Schluss sein, sagte Yashiro. Zudem sei es um den Bankenservice in Japan schlecht bestellt. In Bankenfilialen werde der Kunde "wie ein Schüler" in der Schule behandelt, der in der Reihe warten müsse, bis der Lehrer ihn aufrufe.
Die wirtschaftlichen Erfolge der 60er, 70er und 80er Jahre seien bei Japans Managern so stark in Erinnerung, dass sie glaubten, die Dinge würden mit der Zeit wiederkommen, sagte Yashiro auf die Frage, warum es in Japan trotz all der bekannten Probleme und Lösungsansätze so schwierig sei, diese auch umzusetzen. Ohne Veränderungen jedoch "könnten wir eines Tages eines der letzten sozialistischen Länder in der Welt sein", sagte Yashiro. "Nordkorea, Kuba und Japan"./ln/DP/ari
--- Von Lars Nicolaysen, dpa ---
04.03.2003 - 13:03
Quelle: dpa-AFX
Gruß Pichel