VDI nachrichten Es klingt zynisch – aber durch die Lungenkrankheit SARS haben bestimmte Bereiche der IT-Branche volle Auftragsbücher. Verstärkt wird persönlicher Kontakt durch elektronische Kommunikation ersetzt. Vor allem Videoconferencing, Online-Banking, E-Commerce und E-Learning verzeichnen Nachfrageschübe. Kühne & Nagel hat ein Problem: SARS. Seit die Lungenkrankheit ausgebrochen ist, sind die asiatischen Niederlassungen so gut wie isoliert. Allein in China betreibt die Spedition 16 Büros. Doch dorthin will derzeit kein Mitarbeiter reisen und die Expatriates ihrerseits dürfen nur zurückkommen, wenn sie sich danach 10 Tage in „freiwilligen Urlaub“ – sprich: Quarantäne – begeben. Was tun? Das Business muss schließlich weitergehen. „Wir machen mehr Telefonkonferenzen und tauschen Präsentationen per Bildschirm aus“, erklärt Vorstandsvorsitzender Klaus Herms. Probleme mit der Fernkommunikation habe man bislang nicht: „Man kennt sich, da ist die physische Anwesenheit nicht so wichtig.“ So wie Kühne & Nagel reagieren derzeit viele der 2015 deutschen Unternehmen, die Niederlassungen in Asien haben, auf die Reisebeschränkungen durch SARS: Aus Angst vor Ansteckung wird persönlicher Kontakt weitestgehend eingeschränkt und stattdessen elektronisch kommuniziert. Aber nicht nur die Firmen stürmen ins Netz. Auch Schulen, Behörden und Konsumenten hat die Angst vor F2F-Kontakten (Face-to-Face) gepackt. Folge: Auch E-Commerce, Online-Banking und E-Learning sind im Aufwind, und Experten prognostizieren bereits: SARS könnte sich zum Konjunkturprogramm für die Internetindustrie entwickeln. Die Videokonferenzbranche spürt die erhöhte Nachfrage bereits. „Wir haben jetzt schon so viel Umsatz gemacht wie im gesamten ersten Quartal des Jahres“, so Andreas Wienold, Geschäftsführer bei VCON, einem Geräte- und Diensteanbieter. In den letzten Tagen hätten sich Interessenten vor allem aus der Textilbranche gemeldet. „Die produzieren überwiegend in China und sind auf eine Bildverbindung angewiesen, etwa um Stoffe oder Muster zu begutachten“, begründet Wienold. Branchenkenner bestätigen den Telekonferenz-Boom. Niels Kellerhoff von Wainhouse Research, ein auf die Telekonferenz-Industrie spezialisierter Marktforscher: „Grundsätzlich sehen wir bei jeder Krise einen Nachfrageschub, in der Vergangenheit beispielsweise nach dem 11. September.“ Der Experte prognostiziert, dass vor allem Bridging-Anbieter (Dienstleister, die verschiedene Teilnehmer datentechnisch zusammenschalten) von der SARS-Krise profitieren. Auch auf den E-Commerce-Sektor wirkt sich die Epidemie positiv aus. Der Grund: Statt beim Besuch im Supermarkt oder Kaufhaus eine Ansteckung zu riskieren, kaufen die Kunden lieber am Bildschirm ein. Erste Anzeichen: „Seit Mitte April haben sich Umsatz und Transaktionsvolumen verdoppelt“, berichtete letzte Woche Arthur Chow, Marketing-Manager von Yahoo Hongkong, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Das Portal ist über Provisionen am Profit der Partnershops beteiligt. Aus Angst vor Infektion verzichten viele Bürger in den betroffenen Regionen auch auf den Gang zur Bank. „Bei uns sind die Internettransaktionen um 40 % gestiegen“, teilte unlängst ein Sprecher der Hongkong and Shanghai Banking Corporation (HSBC) mit. Auch ein weiterer Sektor der Informationstechnologie erlebt derzeit einen Aufschwung: E-Learning, das Fernlernen übers Datennetz, steht plötzlich wieder hoch im Kurs. Der einfache Grund: Schulen und Universitäten sind in den betroffenen Regionen schon seit Wochen geschlossen. Die Hongkong Baptist University steuert bereits dagegen: Hier können die Studenten seit kurzem weiter lernen, ohne ihre Wohnheimzimmer verlassen zu müssen. Die Hochschule hat begonnen, sämtliche Vorlesungen ins Internet bringen. Verwendet wird dazu eine Softwareplattform der US-Firma Macromedia, Hersteller des bekannten Browser-Plug-ins „Flash“. Macromedia hat die nötige Serversoftware übrigens kostenlos zur Verfügung gestellt. Dahinter steckt ein einfaches Kalkül: „Hongkong ist das Versuchsfeld für andere Länder“, beurteilt ein deutscher E-Learning-Experte diese Marketingaktion. Will sagen: SARS schafft einen perfekten Präzedenzfall. Die gesamte Internetbranche könnte mit SARS ihre Feuertaufe erleben. In Asien läuft derzeit nämlich ein gigantisches Experiment in Sachen elektronischer Kommunikation ab. Was passiert, wenn Internet und Telefon der einzige Weg sind, zu kommunizieren und Geschäfte zu machen? Kann eine solche Tele-Ökonomie funktionieren? Das Market Intelligence Center in Taiwan ist optimistisch: „Die Verbreitung von SARS sorgt für die Verbreitung des elektronischem Business in Asien. CONSTANTIN GILLIES/pek http://hk.yahoo.com www.hkbu.edu.hk www.macromedia.com/go/vitle http://mic.iii.org.tw/english
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