ENDE DER ZINSSENKUNGEN STABILISIERT US-DOLLAR
Die Zinssenkung der US-Notenbank um 0,25% auf einen Leitzins
von 2% und einen Diskontsatz von 2,25% vom vergangenen Mittwoch
war keine Überraschung. Mit großer Spannung jedoch erwartete
man die Worte des Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke, um die weitere
Haltung der Fed zu erfahren. Doch Fehlanzeige: Bernanke ließ
alle Möglichkeiten offen.
Das ist in dieser Situation vermutlich auch das Beste, was er
tun konnte. Weitere Zinssenkungen bringen nichts mehr, ich
hielt schon diese Zinssenkungen nicht mehr für notwendig.
Doch noch sind die Finanzmärkte sehr instabil und für einen
offiziellen Richtungswechsel hin zu bevorstehenden
Zinsanhebungen ist es vermutlich noch zu früh.
Wir kennen die beiden Gründe für Inflation: Die natürliche
Nachfrage nach Rohstoffen, Nahrungsmitteln und
Industriemetallen der aufstrebenden Schwellenländer Brasilien,
Russland, Indien und China, sowie die künstliche Nachfrage nach
Nahrungsmitteln durch die gesteigerte Ethanolbeimischung in den
Sprit in den USA. An der steigenden weltweiten
Rohstoffnachfrage kann man nichts ändern. Die
Ethanolbeimischung hingegen ist ein politischer Schritt, der
zwar umkehrbar, jedoch derzeit kaum durchsetzbar ist. Die
Zinspolitik der Fed hat jedoch mit diesen Inflationstreibern
nichts zu tun.
Wohl aber ist der US-Leitzins wichtig für den Außenwert des US-
Dollars. Denn vor dem Hintergrund des fallenden Zinsniveaus
haben sich internationale Investoren aus den USA ferngehalten.
Doch nach dem Zinsschritt dieser Woche herrscht die Meinung
vor, dass dies die letzte Zinssenkung war, so dass nunmehr der
Sturzflug des US-Dollars beendet sein könnte.
So sprang der US-Dollar in den vergangenen Tagen von 1,60 auf
1,545 USD/EUR. Ich habe schon mehrfach das Ende des schwachen
US-Dollars prognostiziert und damit stets falsch gelegen, so
halte ich mich diesmal zurück. Sollte der US-Dollar jedoch
seinen Abwärtstrend beenden, so wären kurzfristig Kurse um 1,48
USD/EUR möglich.
STABILER US-DOLLAR DRÜCKT AUF ROHSTOFFPREISE
Die Mutter aller Börsen ist die NYSE aus New York und die
amerikanischen Anleger bestimmen immer wieder kurzfristig die
Richtung an den Weltbörsen. Von einem Volk, das einen
Präsidenten wählt, der vor seinem Amtsantritt noch niemals
außerhalb Amerikas war (Georg W. Bush), kann man nicht
erwarten, dass es internationale Zusammenhänge versteht. Der
Denkansatz ist stets sehr egozentrisch.
So ist es kaum verwunderlich, dass ein steigender US-Dollar zu
einbrechenden Rohstoffpreisen führt. Werden doch die meisten
Rohstoffe weltweit in US-Dollar notiert und seit Jahrzehnten
gilt, je mehr der US-Dollar wert ist, desto weniger davon muss
man für Rohstoffe auf den Tisch legen.
So ist es wie ein Pawlow-Reflex, dass vor dem Hintergrund des
ansteigenden US-Dollars die Rohstoffpreise einbrechen. Themen
wie Industriewachstum der BRICs oder Hungersnot durch Ethanol-
Beimischung finden bei diesen Preisrückgängen keine Beachtung.
Der Ölpreis ist im Wochenvergleich um 3% eingebrochen. Mit
111,80 USD/Fass Öl ist fast schon so etwas wie Erleichterung zu
spüren. Aber überlegen Sie einmal: Wer hat schon vor einem Jahr
von Ölpreisen über 70 USD/Fass gesprochen? Nur vermeintliche
Spinner! Und heute, nicht einmal 12 Monate später, würden wir
uns über einen Ölpreis unter 100 USD/Fass freuen.
Doch ich rechne vorerst nicht damit. Diese Woche hat Exxon
Mobile, das weltgrößte private Aktienunternehmen, seinen Gewinn
bekannt gegeben: 10,9 Mrd. US-Dollar während der ersten drei
Monate dieses Jahres wurden als Nettogewinn verbucht. Da könnte
man auf den ersten Blick Freudensprünge vollführen, doch was
hinter diesen Zahlen steckt ist erschreckend:
Der Gewinn ist auf den gestiegenen Ölpreis zurückzuführen.
Okay, das verwundert nicht weiter. Doch die Fördermenge von
Exxon ist um 5,6% zurück gegangen. Exxon fördert weniger Öl,
als noch vor einem Jahr. Bei einem gesunden Unternehmen würde
ich dann von einer sinkenden Nachfrage ausgehen. Doch weit
gefehlt: Die Nachfrage nach Öl ist so groß wie nie zuvor, doch
die Nachfrage kann nicht befriedigt werden. Daher der
explodierende Ölpreis.
Nun, da sollte man doch meinen, dass Exxon diese Gewinne
verwendet, um die Ölförderkapazitäten mindestens parallel zur
Entleerung zu ersetzen. Bei einem Ölpreis über 100 US-Dollar je
Fass bedeutet doch jedes zusätzlich gefundene Fass dicke
Gewinne für das Unternehmen. Man sollte meinen, dass ein
zukunftsorientiertes Unternehmen nicht nur die 10,9 Mrd. US-
Dollar Gewinn in die Suche nach neuen Ölvorkommen reinvestiert,
sondern vielleicht noch einen Kredit aufnimmt, um noch mehr zu
finden. Denn bei den Gewinnen, die übrig bleiben, scheint das
ein lohnendes Geschäft zu sein, oder?
Ja, es ist ein lohnendes Geschäft. Und ja, Reinvestitionen
würden sich lohnen, wenn sie durchgeführt werden dürften. Doch
die Suche nach Öl unterliegt längst anderen Restriktionen: In
Venezuela wird der Großteil der Gewinne beim Staat abgegeben.
In Nigeria werden immer wieder Anschläge auf die Förderanlagen
verübt. Wer möchte schon im Irak suchen? Und so sieht es mit
den meisten anderen Ölvorkommen auf dem Festland aus.
Also wenden sich die Konzerne an Regionen, die im politischen
Niemandsland liegen: Tiefseebohrungen werden durchgeführt. Doch
der Marktführer verfügt nur über 139 Bohrplattformen und ist
weitgehend ausgebucht. Bis zu 500.000 USD Miete pro Tag wird
für die Bohrinseln gezahlt. Der Preis spielt praktisch keine
Rolle, aber es gibt derzeit eben nur 139 solcher Ausrüstungen
und neue werden zwar gebaut, können aber auch nicht herbei
gezaubert werden.
Ich weiß nicht, ob es aus den hier angesprochenen Gründen nicht
möglich ist für Exxon, die 10,9 Mrd. USD in die Suche nach
neuen Ölvorkommen zu stecken, oder ob das Management einfach
nur dumm ist. Auch letzteres will ich nicht ausschließen,
immerhin war Exxon der Konzern, der bis ins vergangene Jahr
hinein einen Ölpreis über 100 USD/Fass für lächerlich hielt,
man ging bei Exxon langfristig noch von Ölpreisen unter 40
USD/Fass aus.
Stattdessen verwendet Exxon 8 Mrd. USD, um eigene Aktien zurück
zu kaufen. Das macht ein Unternehmen immer dann, wenn es
gemolken wird. Die Ertragskraft von Exxon ist herausragend,
doch neue Investitionen werden kaum getätigt. So wird der
Gewinn in die eigenen Aktien gesteckt, der Aktienkurs wird hoch
gehalten und die Gewinne der Zukunft werden auf weniger
Aktionäre verteilt. Aber an eine ansteigende Förderkapazität
ist bei Exxon daher kaum zu denken.
Na, Sie können sich nun selber die Frage beantworten, ob das Öl
seinen Zenit überschritten hat, oder ob der Aufwärtstrend nur
eine Verschnaufpause einlegt.
STEIGENDER US-DOLLAR FÜHRT ZU GOLD-AUSVERKAUF
Jetzt, wo das Ende der US-Dollarschwäche in Sicht zu sein
scheint, erwarten viele auch das Ende der Goldhausse. Bei
vielen Rohstoffen sowie Rohstoffaktien sprechen Chartanalysten
von einer umgekehrten Schulter-Kopf-Schulter Formation, der
meist ein kräftiger Kursrutsch folgt. Doch die Weltmärkte
funktionieren nicht wie die Charts es vorhersagen, die
Weltmärkte folgen fundamentalen Trends. Die Charttechnik kann
nur kurzfristig zu Kursverzerrungen führen.
So ist der Goldpreis nun nochmals unter 850 USD/Unze gerutscht.
Nach seinem Hoch bei 1032 USD/Oz ist dies ein Rückgang um
17,5%. Gemeinsam mit den Rohstoffpreisen sind auch die
Rohstoffaktien in den Keller gerauscht. Das Wochenminus beträgt
dort bis zu –17%. Parallelen zu 1980 werden gezogen. Damals
schoss der Goldpreis binnen weniger Tage von 680 USD/Oz auf 875
USD/Oz, um nach wenigen Stunden wieder in Richtung 600 USD/Oz
abzufallen. Ähnliches fürchtet man nun auch vom Goldpreis nach
seinem Anstieg über 1000 USD/Oz.
Und auch die anderen Industriemetalle sowie die Agrarrohstoffe
werden ausverkauft. Die Begründung, die ich höre, ist so
unsinnig, dass ich sie gar nicht erst wiedergeben möchte. Ich
werde im nächsten Kapitel meine Erklärung dafür aufzeigen.
Doch schauen wir nun einmal auf die Wochenperformance der
wichtigsten Indizes:
INDIZES 1/5/08
Dow Jones 13,010 1.3%
NASDAQ 2,480 2.1%
S&P 500 1,409 1.5%
DAX 6,948 1.9%
Nikkei 14,049 1.3%
Euro/US-Dollar 1.5475 -0.7%
Euro/Yen 161.54 -0.8%
10-Jahre-US-Anleihe 3.75% -0.1
Umlaufrendite Dt 4.17% 0.0
Feinunze Gold USD $854.60 -3.5%
Fass Crude Öl USD $111.80 -3.0%
Sie sehen, trotz der Zinssenkung in den USA hat sich das
langfristige Zinsniveau kaum mehr verändert. Der Yen folgt dem
US-Dollarkurs. Die rückläufigen Rohstoffpreise haben wir
besprochen. Bleiben die Aktienbörsen, die weltweit kräftig
angezogen sind.
Für die Aktienkurse war die Zinsentscheidung relativ
unbedeutend. Auch die Wirkung des festen US-Dollar bleibt
hinter einem anderen Effekt zurück: Es war Monatsende.
So wurden in den letzten Tagen des Aprils ein paar
Monatsgewinner aufgestockt, die Monatsverlierer wurden aus dem
Depot geschmissen. Darin sehe ich den Grund, dass insbesondere
die Finanzaktien kräftig anzogen. Auch am gestrigen 1. Mai
hielt dieser Trend an: Frisches Kapital kaufte in erster Linie
die Gewinner des Aprils. Und das waren, nach den panischen
Ausverkäufen vom März, die Finanzaktien.
Darüber hinaus legten auch Einzelhandelsaktien zu. Das
Steuergeschenk von Präsident Bush ist in diesen Tagen im
Briefkasten der amerikanischen Bürger angekommen: 300 US-Dollar
je Steuerzahler oder 600 US-Dollar je Paar werden in den
nächsten Tagen ihren Weg zum iPod, zu Wal-Mart, zu Circuit City
oder zu Home Depot finden. Sie können darauf setzen, dass der
Einzelhandel einen überraschenden Umsatzanstieg im April
vermelden wird.
Mit dem korrigierenden Ölpreis werden auch alle Energieaktien,
Ölkonzerne bis hin zu Solar-, Wind- und sogar Agraraktien
ausverkauft. Schon im April blieben deren Kursgewinne hinter
denen der Finanzbranche zurück. Nun gibt es kein Halten mehr
und die gesamte Branche befindet sich in einer kräftigen
Korrektur.
Monsanto brach am Dienstag um 8% ein. Syngenta gab 7,5% ab. Das
Minus bei Potash beträgt 10% und Kali + Salz notierte um 5%
niedriger. Als ob die Welt bei einem festen US-Dollar plötzlich
ausreichend zum Essen hätte.
Soweit der kurze Rundumschlag zur abgelaufenen Woche. Die
nächsten Wochen werden spannend: Ein fester US-Dollar wird sich
in die Gewinne der internationalen US-Unternehmen fressen. Sie
hören es an meinen Worten: Auch die Rohstoffpreise werden
meiner Ansicht nach wieder steigen. Doch das wird irgendwann
ebenfalls die Unternehmensergebnisse belasten. Wie wird sich
all dies auf die künftige Börsenentwicklung auswirken? Ist mit
einem Crash zu rechnen? Oder sollte man jetzt einsteigen?
Vielleicht ist es aber auch am besten, noch ein paar Monate
abzuwarten? Oder Jahre? Nun, mehr zu diesen Fragen im nächsten
Kapitel.
VG,
Paro
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