Im Jahr 2000 stellte Tim Koogle, Geschäftsführer des Internetportals Yahoo, seine Telefonie-Vision vor. Danach würden in den nächsten fünf bis zehn Jahren die meisten Menschen über das Internet telefonieren. Durch die globale Vernetzung würde die Welt zum globalen Dorf - konsequenterweise würde auf diese Weise auch jedes Telefongespräch zum Ortsgespräch und entsprechend billig. Wunderbare Aussichten also.
Anfang des Jahres 2001 tauchten im World Wide Web plötzlich Angebote von Anbietern auf, die versprachen, kostenlose, durch Werbung finanzierte Telefonate vom PC aus über das Internet zu Festnetztelefonen zu vermitteln. Das sind so genannte VoIP-Gespräche, "Voice-over-IP", wörtlich übersetzt "Sprache über Internet-Protokoll".
Doch die erste Euphorie verflog schnell: Die Einnahmen aus dem Verkauf von Werbe-Bannern im Internet sanken schnell, zum einen, weil die Werbung weniger wirksam war, als die Anbieter erhofft hatten, zum anderen nahm die Zahl der Internetseiten, auf denen Werbung geschaltet werden konnte, sprunghaft zu. Bald konnten die werbefinanzierten VoIP-Angebote Service nicht mehr kostendeckend arbeiten. Die meisten Angebote verschwanden schnell wieder vom Markt, andere wurden kostenpflichtig.
Inzwischen sieht es aber danach aus, dass die Internet-Telefonie jetzt tatsächlich vor dem Durchbruch steht. Große Unternehmen wickeln ihren Telefonverkehr zunehmend über VoIP ab, verschiedene Anbieter wie QSC und broadnet mediascape haben nun auch in Deutschland VoIP-Produkte auf dem Markt. Die Festnetzsparte der Deutschen Telekom, T-Com kündigte mittlerweile an, dass sie ihr Netz langfristig auf die Internet-Übertragungstechnologie umstellen werde.
Außerdem können Privat-Nutzer seit September 2003 die (zur Zeit) kostenlose VoIP-Software Skype von Kazaa-Erfinder Niklas Zennström aus dem Internet auf den heimischen Rechner laden, mit der Skype-Nutzer per P2P-Technologie untereinander telefonieren können. Noch kann man keine "normalen" Festnetz- oder Mobilfunkanschlüsse damit anrufen, das soll aber demnächst auch möglich sein.
In Deutschland hat die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) eine Anhörung gestartet, um Regeln für die Vergabe von Internet-Telefonnummern festzulegen. Internet-Telefonnummern sollen danach mit den Ziffern 032 beginnen.
Wie funktioniert Internet-Telefonie?
Das Verfahren ist relativ einfach. Der Kunde stellt über einen beliebigen Internet-Provider eine Verbindung zum Internet her. Je nach Dienstleister wird die Telefonnummer des gewünschten Gesprächspartners dann in eine kostenlos zur Verfügung gestellte Software eingegeben, oder die Anwahl erfolgt auf der Anbieter-Homepage im World Wide Web über den vorhandenen Web-Browser.
Die Übertragung der in Datenpakete umgewandelten Sprache erfolgt dann über das Internet in das Land bzw. nach Möglichkeit sogar bis in das Ortsnetz, in dem sich der angewählte Telefonanschluss befindet. Hier baut dann eins der speziellen Internet-Telefonie-Gateways, von denen der Anbieter mindestens eins pro Land betreibt (idealerweise aber mehrere über das Land verteilt), eine Telefonverbindung über das (lokale) Telefonnetz zum Empfänger auf und setzt die Datenpakete wieder in Sprache um.
Die Kosten
Für den Angerufenen ändert sich nichts: Er nimmt das über das Internet vermittelte Gespräch - wie jeden anderen Anruf auch - ganz normal über das Telefon entgegen, ohne dass ihm dafür Kosten entstehen. Die Gebühren für das (lokale) Gespräch zwischen dem Internet-Gateway und dem Telefon-Teilnehmer muss zunächst der Anbieter der Internet-Telefonie tragen, der diese entweder durch Werbeeinnahmen finanziert oder aber mit entsprechendem Aufpreis an den Anrufer weitergibt.
Bei werbefinanzierter Internet-Telefonie sind meist sowohl die Gesprächsziele stark eingeschränkt (z.B. auf Festnetz-Anschlüsse in einigen, wenigen Ländern) als auch die maximale Dauer des Gespräches begrenzt, so dass die Kosten für den Anbieter in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Der Beitrag des Nutzers beschränkt sich in diesem Fall auf das Betrachten oder eventuell auch Anklicken von Werbebannern, die in die Software bzw. in den Web-Browser eingeblendet werden und sich oft hartnäckig im Vordergrund halten.
Die den kostenpflichtigen Angeboten zugrunde liegende Idee ist, dass ein Ortsgespräch deutlich günstiger ist, als ein Fern- oder sogar Auslandsgespräch. Doch das ist zumindest in Deutschland nicht mehr generell der Fall, so dass sich die Anmeldung zu so einem Dienst kaum lohnt, es sei denn, man möchte häufiger in Länder telefonieren, in welche die Gebühren von Deutschland aus noch überdurchschnittlich hoch sind. Denn auch, wenn z.B. Gespräche ins deutsche Festnetz über das Internet schon ab 3 Cent pro Minute möglich sind, kommen meist noch die Kosten für die Internet-Verbindung hinzu, es sei denn man hat eine Internet-Flatrate. Wenn man diese zusätzlichen Gebühren berücksichtigt, ist ein normales Telefonat über einen günstigen Call-by-Call Anbieter inzwischen billiger.
Probleme der Internet-Telefonie
Der Internet-Telefonie verwandte Anwendungen wie Internet-Radio oder Video-Übertragungen sind unidirektional, d.h. Informationen werden nur vom Anbieter zum Nutzer übertragen und nicht umgekehrt. Daher können bei diesen Diensten die Daten zunächst zwischengespeichert ("gebuffert") werden. Bild bzw. Ton werden dann mit einer Verzögerung von einigen Sekunden wiedergeben, wobei kurze Unterbrechungen in der Übertragung durch die Zwischenspeicherung abgefangen werden und dadurch unbemerkt bleiben.
Telefonieren allerdings ist bidirektional: Niemand möchte auch nur fünf Sekunden lang warten, bis er dem Gesprächspartner antworten kann. Eine Zwischenspeicherung der Sprache ist daher nicht oder nur sehr begrenzt möglich. Da das datenpaket-orientierte Internetprotokoll jedoch nicht für eine kontinuierliche Datenübertragung ausgelegt ist, kommt es dann immer wieder zu "zerhackter" Sprache und zu Verzögerungen. - Selbst eine Verzögerung von nur einer Sekunde kann ein Gespräch schon merklich stören. Wer schon mal über eine Satellitenverbindung ins Ausland telefoniert hat, wird den Effekt kennen: Man ist schnell verunsichert, wenn einem der Gesprächspartner immer wieder (scheinbar) ins Wort fällt, weil er noch gar nicht mitbekommen hat, dass man selbst schon zu sprechen begonnen hat. - Auch verzerrte Sprache und Echos sind aufgrund der verwendeten Datenkompression leider keine Seltenheit. Man sollte also keinesfalls die Qualität einer normalen Festnetz- oder auch nur Handy-Verbindung erwarten. Diese wird maßgeblich durch die momentane Auslastung des Internets und die eigene Verbindungsgeschwindigkeit zum Provider beeinflusst.
Technische Voraussetzungen
Zunächst ist natürlich ein Computer mit Internetanbindung und eingebauter Soundkarte bzw. integriertem Sound-Chip notwendig. Nur wenn diese Komponente den sogenannten "Vollduplex-Modus" unterstützt, ist das gleichzeitige Senden und Empfangen von Audio-Daten möglich; bei allen neueren Systemen gehört dies jedoch inzwischen zum Standard. Um seinen Gesprächspartner hören und selbst Sprache übertragen zu können, müssen weiterhin Lautsprecher und ein Mikrofon angeschlossen sein. - Sinnvoll ist hierzu die Verwendung eines sogenanntes "Headsets", also eines Kopfhörer mit integriertem Mikrofon, da sich so Rückkopplungen vermeiden lassen, die zu ungewünschten Echo-Effekten führen.
Die Geschwindigkeit des PC ist nicht so entscheidend - aktuelle Rechner sollten die Daten schnell genug verarbeiten können. Entscheidender ist die Geschwindigkeit der Internet-Anbindung: Theoretisch reicht ein analoges Modem aus, jedoch liegt die "Upload"-Geschwindigkeit, also die Geschwindigkeit, mit der die eigene Sprache ins Internet verschickt wird, selbst bei aktuellen Modems nur bei 33 600 Bit/s: Die Hersteller-Angabe 56 kBit/s bezieht sich nur auf die theoretisch mögliche Download-Geschwindigkeit, und auch diese wird in der Praxis kaum erreicht. Geeigneter ist daher ein ISDN-Zugang, bei dem auch das Senden von Daten ins Internet mit 64 kBit/s, also fast doppelt so schnell wie über ein Analog-Modem erfolgen kann. Da die tatsächlich erreichte Geschwindigkeit aber auch von der Auslastung des Internet-Providers abhängt, sollte man in Erwägung ziehen, dass der günstigste Provider sicher stark ausgelastet und daher nicht unbedingt auch der schnellste Anbieter ist. Zu beachten ist schließlich, dass die für viele Angebote benötigte Software oft nur für Windows-Betriebssysteme von Microsoft zur Verfügung steht. Eine wirklich gute Sprachqualität erreich man eigentlich nur über einen DSL-Zugang.
Gr. luki2