DER SPIEGEL 34/2004 - 16. August 2004
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,313454,00.html Geldanlage
Gift fürs Geschäft
Deutsche Anleger können sich seit kurzem an spekulativen Hedgefonds beteiligen. Doch die erwirtschaften jetzt Verluste statt Gewinne - und kassieren exorbitante Gebühren.
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Fonds-Manager Baha: In den ersten sieben Monaten Verluste von bis zu 31 Prozent |
Von der steifen Noblesse der Schweizer Hochfinanz fehlt an der Zürcher Stampfenbachstr. 48 jede Spur. Vier Stockwerke über einem angegrauten Schnellimbiss haben tiefe Teppiche und kühlende Klimaanlagen nichts zu suchen. Stattdessen gibt bei Harcourt Investment die Turnschuh-Fraktion den Ton an; Erinnerungen an den längst vergangenen Boom der New Economy werden wach.
"Bei uns kommen die meisten mit dem Fahrrad zur Arbeit, der Porsche kommt höchstens am Weekend für Schweizer Alpenpässe auf Touren", erzählt der krawattenlose Partner Peter Fanconi, während er das Chaos auf seinem Schreibtisch zu beherrschen versucht. Eine Flasche Champagner der Marke Bollinger steht gefährlich nahe an der Tischkante.
Der Umgang mit Absturzrisiken gehört zum täglichen Geschäft der Harcourt-Truppe. Wie ein Generalunternehmer konzipiert und analysiert sie für Großinvestoren Investitionen in so genannte Hedgefonds. Die Turboanlagen können auf Pump und mit Hilfe von komplexen Finanzinstrumenten höchst riskante Strategien fahren - im Idealfall mit höheren Erträgen und kleineren Wertschwankungen als bei herkömmlichen Aktienanlagen.
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DER SPIEGEL |
2,2 Milliarden US-Dollar verwaltet Harcourt derzeit für Kunden wie Novartis, ABN Amro oder die Pensionskasse der Stadt Zürich. Nun wollen auch die Chefs der Commerzbank die Früchte moderner Finanz-Alchemie kosten.
Seit Januar dürfen nämlich in Deutschland Dach-Hedgefonds, die in verschiedene Einzel-Hedgefonds mit verschiedenen Anlagestrategien investieren, öffentlich verkauft werden. Die Jungmannschaft von Harcourt muss jetzt unter Hochdruck ein frisches Produkt für die Commerzbank zusammenbauen. Deren Chef Klaus-Peter Müller sieht darin derzeit "das wichtigste Projekt" in der Vermögensverwaltung seines Hauses.
Er muss sich sputen. Die Konkurrenten von der Deutschen Bank und den Genossenschaftsinstituten verkaufen die neuen Produkte schon seit Monaten an ihre Kleinsparer. Auch Erzrivalin HypoVereinsbank will dieses Jahr ins Rennen einsteigen.
Doch kurz vor Fertigstellung der neuen Renditehoffnung für Commerzbankkunden steckt die alternative Anlageform in einer ernsten Krise. Denn aus den undurchsichtigen Geldmaschinen sprudeln die Gewinne längst nicht mehr so üppig wie in den vergangenen Jahren.
Im zweiten Quartal produzierte die vermeintliche Elite der Finanzjongleure, die weltweit in rund 7000 Fonds über 850 Milliarden Euro verwaltet, rote Zahlen. Zwischen April und Juni sank der Dach-Fonds-Index HFRI Fund of Funds um über 1,5 Prozent und ist damit beinahe 2 Prozentpunkte schlechter als der weltweite Aktienindex MSCI. Im Juli ging es ebenfalls bergab. Gleichzeitig kassieren Banker und Manager weiterhin Schwindel erregende Gebühren und Prämien. Im vergangenen Jahr verdienten allein in den USA 17 Hedgefonds-Chefs je über 100 Millionen Dollar. Das Urgestein der Branche, George Soros, trug gar geschätzte 750 Millionen Dollar nach Hause.
Kein Wunder, dass die einstige Boombranche an Anziehungskraft verliert. Im abgelaufenen Quartal ebbte die Frischgeldzufuhr auf nur noch 7,5 Milliarden Dollar ab. In den vier vorangegangenen Rekordquartalen lag der Wert nie unter 21,2 Milliarden Dollar. Die Bank of England fürchtet bereits, dass mit dem plötzlichen Abziehen von Geldern Stabilitätsgefahren verbunden sein könnten.
Derweil feuern US-Gurus Breitseiten gegen die einst heimlich bewunderten Stars. "Wer sich überlegt, die Rendite seines Portfolios mit Hilfe eines Hedgefonds aufzupeppen", schrieb kürzlich Bill Gross, Chef des weltweit größten Anleihefonds bei der Allianz-Tochter Pimco, "sollte lieber noch einmal gründlich darüber nachdenken." Für Gross sind diese Produkte "riskant und in der Regel überteuert". Dank tiefer Zinsen hätten die Manager auf billige Kredite gesetzt. Über diesen Hebel sei die Performance gefährlich in die Höhe getrieben worden.
Die Hedgefonds-Manager verunsichert vor allem, dass kaum eine ihrer einst so gewinnträchtigen Strategien mehr greift: Egal ob sie auf Fusionen, Zinsentwicklungen oder Aktien in asiatischen Schwellenländern spekulierten - am Ende stand meist ein Minus.
Vor allem die Orientierungslosigkeit der Märkte ist Gift fürs Geschäft. Da versagen selbst die hochgezüchteten Computermodelle. Nur wenn die Entwicklung klar nach oben oder nach unten zeigt, können Hedgefonds richtig Geld verdienen.
Neben den Spezialisten für Aktien und Anleihen von Pleitekandidaten machten im zweiten Quartal nur die gefürchteten Leerverkäufer Gewinne. Sie sind es vor allem, die das Image der Branche prägen: In der breiten Öffentlichkeit stehen sie für das skrupellose Spiel der Finanzhaie, die ganze Konzerne ins Wanken bringen.
Leerverkäufer suchen an den Börsen nach überbewerteten Unternehmen und leihen sich gegen Gebühr deren Aktien. Dann werfen sie die Papiere auf den Markt und hoffen auf einen nachhaltigen Wertverfall.
Die Munition für das Kursgemetzel stammt absurderweise oft aus den Depots großer deutscher Aktienfonds. Mit den Leihgebühren polieren diese kurzfristig die Rendite auf, schädigen aber gleichzeitig den Wert des eigenen Portfolios. Die ahnungslosen Kunden erfahren meist nichts von solchen Machenschaften.
Geht die Strategie der Hedgefonds auf, können sie die Aktien nach Wochen wieder billig kaufen und an die Verleiher zurückgeben. Die Differenz zwischen dem Verkaufserlös und den Kosten für den Rückkauf bleibt als Gewinn in der Kasse.
Steigt hingegen der Kurs des Opfers, geraten die Spekulanten in Turbulenzen. Nicht selten führen solche Fehleinschätzungen am Ende zum Absturz des Angreifers. Von den bis zu 20 Prozent der Risikofonds-Manager, die im Jahr kapitulieren, haben sich so einige am Widerstand von Großkonzernen die Finger verbrannt.
Derzeit haben sich die Spekulanten auf den TUI-Konzern eingeschossen. Für Aktien des Reisegiganten mussten in den vergangenen Tagen Leihgebühren von bis zu sieben Prozent hingeblättert werden - beinahe 50-mal mehr als der übliche Satz. "Die nehmen alles, was sie kriegen können", sagt die Spezialistin einer Großbank.
Reihenweise setzen Hedgefonds auf einen Absturz des Kurses und verkaufen ihre gepumpten Papiere. Von 180 Millionen TUI-Aktien wurden 50 Millionen leer verkauft - ein rekordverdächtiger Wert.
"Die Jungs operieren im Dunkeln", beklagt sich TUI-Chef Michael Frenzel. "Es herrscht keine Transparenz, das muss dringend geändert werden." Dass sich jetzt Interessenten für das 31-Prozent-Paket, das die WestLB an der TUI hält, gemeldet haben, könnte Frenzel zwar Luft im Kampf gegen die Spekulanten verschaffen, am Ende aber die Selbständigkeit kosten.
Mit der TUI greifen die Hedgefonds erneut einen Konzern aus der obersten Liga der deutschen Wirtschaft an. Schon wird spekuliert, wer das nächste Opfer sein könnte - und dabei fällt auch der Name Lufthansa.
Solche Attacken einzelner Fonds interessieren Harcourt-Manager Fanconi nur peripher. Er hofft viel mehr, dass es die breit gestreuten Dach-Hedgefonds bis Ende dieses Jahres doch noch auf "eine durchschnittliche Performance von vier bis fünf Prozent" schaffen werden.
Es sei jedoch klar, dass "mit dem Wachstum der Branche die Renditen sinken werden". Hohe zweistellige Ergebnisse werden immer unwahrscheinlicher. Je mehr Hedgefonds-Manager sich auf dieselben Markt-Ineffizienzen und Trends stürzen, desto weniger bleibe für den Einzelnen übrig, weiß Fanconi.
Das sind schlechte Nachrichten für deutsche Anleger, die mit den im Frühling aufgelegten Fonds bereits Geld verloren haben: Ende Juli lag der Dach-Hedgefonds der US-Gesellschaft Pioneer mit 0,78 Prozent im Minus, die Genossenschaftsbanker von der Union Investment verloren knapp 2 Prozent, und die DWS - Fondstochter der Deutschen Bank - rutschte mit minus 3,26 Prozent noch tiefer ab.
Völlig daneben lag jedoch die schillernde Außenseiter-Truppe von Quadriga-Chef Christian Baha, der in Deutschland den Verkauf seiner Superfonds vorläufig eingestellt hat. Nach erfolgreichen Jahren bescherte der österreichische Hedgefonds-Guru mit Wohnsitz Monaco seinen Kunden in den ersten sieben Monaten Verluste von bis zu 31 Prozent, wobei es sich allerdings nicht um einen Dachfonds handelt.
Die herben Verluste halten die Industrie nicht davon ab, selbst kräftig zuzulangen. Neben Ausgabeaufschlägen von bis zu sechs Prozent, Verwaltungsgebühren und Erfolgsprämien buchen die Dachfonds noch eine Reihe weiterer Gebühren ab.
In den darin vertretenen Einzelfonds wird nochmals kräftig kassiert, Erfolgsprämien von 20 Prozent sind keine Seltenheit. "Insgesamt kann dadurch für den Anleger eine hohe Belastung mit Kosten eintreten", schreibt die DWS in ihrem Verkaufsprospekt lapidar.
Wofür die üppigen Gebühren fließen, zeigt das Beispiel der Genossenschaftsinstitute, die wie die Commerzbank die Hedgefonds-Produktion ebenfalls in die Schweiz vergeben hat: Im Gegensatz zu Harcourt logiert die verschwiegene Partners Group aber in der Steueroase Zug - auffällig feudal in einem gläsernen Palast namens "Vision Plaza". "Wir betreiben ein sehr aufwendiges Risikomanagement", verteidigt Partners-Manager Lars Jaeger die hohe Verwaltungsgebühr von jährlich 2,5 Prozent.
Das deutsche Geschäft läuft allerdings noch nicht so richtig. Erst 42 Millionen Euro konnten die Genossen einsammeln. Die DWS brachte es gerade mal auf 13 Millionen Euro. Das Jahresziel lag ursprünglich bei einer Milliarde.
Andreas Benz, beim weltweit größten Anbieter Man Investments für den deutschsprachigen Markt zuständig, zeigt Verständnis für die zögernden Kunden: "Hier zu Lande wissen viele Anleger, was ein Totalverlust bedeutet."
BEAT BALZLI