Interessant, was Bernecker heute morgen meint:

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Interessant, was Bernecker heute morgen meint:

 
10.07.01 10:41
Hans Bernecker: Psychologie gegen Sachverstand
Mails/Nachrichten vom 10.07.2001, Bernecker & Cie.

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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
die gestrige Entwicklung hat etwas Luft verschafft. Ob es endgültig ist, bleibt aber noch offen. Die Markttechnik hat sich leicht verbessert, ist aber nicht überzeugend. Im Grundton ist sie aber positiv. Gibt es jedoch weitere Gewinnwarnungen oder spektakuläre Beschlüsse mit negativen Vorzeichen, bleibt es sehr eng. Umgekehrt: Gibt es keine solchen "Warnungen", erwarte ich eine positive Tendenz für die nächsten Tage. Ich zeige Ihnen dazu die Markttechnik in der nächsten AB und bitte Sie, diese
genauer zu studieren. Warum ist das wichtig? Im Moment herrscht mehr Psychologie als Sachverstand. Dies ist nach einer langen Periode destruktiver Kurse verständlich.

Wall Street konkret: Die Offerte über 58 Mrd $ von Comcast für das Kabelgeschäft von AT&T beherrschte gestern die Schlagzeilen. Am gleichen Tag wurde auch die Tochter AT&T Wireless mehrheitlich an die Börse entlassen, so daß es einige Turbulenzen in der Kursfeststellung gab. Anschließend zog der Kurs ex-Wireless jedoch schon deutlich an. Wie sich das Ganze rechnet und vor welchem Hintergrund des Kurses, erläutere ich in der nächsten AB. Gleiches gilt nämlich dann auch für Worldcom und Sprint, wovon es übrigens zwei gibt. Alle drei Titel sind ein langfristiger Kauf vor einer nunmehr glänzenden Ausgangslage, und dies wird auf die Bewertung der Telekomtitel in Europa maßgeblich abfärben. Ich sehe mich also in meiner kürzlichen Einschätzung dieser Titel unverändert bestätigt. Mag sein, daß ich darin
einer der ganz wenigen bin. Halten Sie sich dennoch daran.

Die Technologieaktien beginnen eine Art Stabilisierung. Ich hatte in der letzten AB auf die Potentiale hingewiesen. Das ändert nichts an der Tatsache, daß die wirklich "fairen Preise" für einige dieser Aktien noch deutlich niedriger liegen. Das bleibt die entscheidende Achillesferse. Ich kann mich daher nicht dazu entschließen, diese Aktien auf aktuellem Niveau als Kauf einzustufen, solange die Halbjahreszahlen nicht vorliegen und jeder Firmenchef dezidiert seine Meinung zu Umsatz und Ertrag bekannt gibt. Das ist einfach unmöglich. Die Volatilität aller dieser Titel liegt bei gut 20 %.

In Deutschland sind einige wirklich strategische Entscheidungen neu einzuordnen, wenn Bayer die Agrosparte von Aventis kauft und Siemens nun die ersten Zahlen darüber lüftet, wie das amerikanische Energiegeschäft gesehen wird. Dies vor dem Hintergrund einer in der Tat desolaten Markttechnik der Siemens-Aktie, nachdem der Kurs unter die bisherige Widerstandslinie abgetaucht ist. Am letzten Freitag habe ich dafür noch gebetet, was nichts genützt hat. Zu beiden Aktien empfehle ich Ihnen die Berechnungen in der nächsten AB zu beachten, weil sie Langzeitwirkung haben, die ich für entscheidend halte. Ob darauf die Kurse schon heute reagieren müssen,
erscheint mir fraglich, aber auch nicht wichtig. Die letzten Redimensionierungen einiger bekannter Titel im Europaraum passen in dieses Bild. Alcatel tauchte auf 18,50 E. ab und damit ist der Siemens-Konkurrent zwar ein massiver Kauf, zeigt Ihnen aber, wie extrem hektisch operiert wird. Nokia klappte gestern um fast 10 % zusammen. Meine Meinung kennen Sie: Bei 15/16 E. gegen aktuell 21 E. erwarte ich einen Boden. Das wäre dann die erste mögliche Kaufgelegenheit, die aber noch zu diskutieren sein wird. Auffallend ist dagegen, daß Aventis trotz der bestätigten Verkaufspreise für die Agrosparte von immerhin 6 Mrd E. netto oder 8 Mrd E. brutto (Frage der Schuldenübernahme) gestern kaum reagiert hat. Das ist kein ganz positives Zeichen und deckt sich mit meiner Zurückhaltung gegenüber allen blue chips der Pharmazeutik. Ferner: Die neue Kombination in der Wasserkraft von E.ON zusammen mit den Österreichern ist ein strategisch gekonnter Schritt, aber keine Sensation. Ich zolle dem gleichwohl Beifall.

Für Sie vielleicht interessant: Die ersten großen Adressen, UBS und Nomura, nehmen Distanz zur SAP auf. Das dürfte allgemein überraschen, Sie aber wohl kaum. Am schönsten wäre es für den Markt, wenn diese letzte wirkliche Überbewertung an einem Tag beseitigt würde, indem SAP auf rd. 100 E. oder knapp darunter fällt. Dann wäre das letzte Risiko im DAX gewissermaßen eliminiert. Das klingt sehr zynisch, ist aber ein Faktum.

Im MDAX herrscht Ruhe. Schauen Sie sich heute das Kursblatt an und betrachten Sie in Ruhe die jeweils letzte Spalte für die Tagesumsätze. In den letzten Tagen waren es manchmal nur 1.000 Stück im Gegenwert von 15.000 oder 20.000 E., die den Kurs bestimmt haben. Das ist geradezu lächerlich.Dabei waren die Umsätze im Xetra-Handel deutlich niedriger als an der Präsenzbörse, aber gleichwohl extrem niedrig. Bei Babcock Borsig gingen gestern im Xetra-Handel 4.000 Stück um, auf dem Parkett nur 2.000. Was soll bei einem solchen Geschäft der Börsenkurs aussagen? Warum schreibe ich das?

Ich werde gelegentlich dafür kritisiert, daß ich eine solche Aktie empfehle, die am nächsten Tag 3 % verliert. Das ist bei diesen Umsätzen einfach nicht kalkulierbar.

Sonderproblem Neuer Markt: Ich werde in der nächsten AB eine Grundsatzfrage stellen, die man einfach stellen muß. Denn das Desaster ist nicht nur eine Frage der bekannten Umstände, sondern berührt das Existenzielle. Offenbar bereiten einige Banken bzw. deren Kapitalanlagegesellschaften den klammheimlichen Rückzug vor, der von den Hausjuristen empfohlen wird. Es geht um Haftungsumstände. Bitte beachten Sie dazu die nächste AB. Bis dahin gilt: Sämtliche Empfehlungen, gleich welcher Art, lege ich auf Eis. Das hat nichts mit Wert und Unwert zu tun, sondern mit den besonderen Vorgängen hinter den Kulissen, die den Anlegern möglichst nicht dargestellt werden.

Herzlichst Ihr

Hans A. Bernecker
 
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