Insidergeschäfte - Wenn Bosse handeln

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Insidergeschäfte - Wenn Bosse handeln

 
05.10.03 21:35
Insidergeschäfte - Wenn Bosse handeln (EuramS)  

In den USA erreichten die Aktienverkäufe von Vorständen und Aufsichtsräten ein Rekordhoch. Ein schlechtes Vorzeichen für die weitere Börsen-Entwicklung? Was Anleger aus Insider-Deals lesen können, wie sie die Geschäfte für sich nutzen.

von Joachim Spiering / Euro am Sonntag

An sich müssten derzeit alle einschlägigen Alarmglocken der Börsianer schrillen. Möglichst schnell raus aus dem Markt, sollte eigentlich die Devise lauten. Denn wenn sich jemand mit dem Zustand eines Unternehmens wirklich auskennt, dann sind das Vorstände oder Aufsichtsräte. Nur sie wissen, wie sich Umsätze, Gewinne oder Auftragslage entwickelt haben. Und ausgerechnet die Insider verkaufen en gros.

Seit Wochen werfen vor allem in den USA Firmenverantwortliche und ihre Familienangehörigen massenweise Aktien des eigenen Unternehmens auf den Markt. In den vergangenen beiden Monaten verkauften Chefs wie Michael Dell oder die Bosse des Netzwerk-Spezialisten Network Appliance Aktien im Rekordwert von über 11,7 Milliarden Dollar. Gekauft wurde dagegen nur für die vergleichsweise lächerliche Summe von 380 Millionen Dollar. Ein solch krasses Missverhältnis gab es zuletzt im Sommer des Jahres 2000. Damals notierte der Dow Jones bei über 11000 Punkten und der DAX über 7000. Kein Zweifel: Damals haben die Bosse rechtzeitig Kasse gemacht.

Auch die Experten sind hellhörig geworden. Ist nach der jüngsten Korrektur ein weiterer Absturz an den Börsen programmiert? War das kräftige Plus am Freitag wieder mal nur ein Sturm im Wasserglas? Kommt das nächste böse Erwachen postwendend?

"Ich glaube nicht, dass noch mit einer 20-prozentigen Korrektur zu rechnen ist, wie es von manchen prognostiziert wird", sagt Volker Dietrich. "Wir gehen sogar davon aus, dass der Markt wieder leicht ansteigt, aber sicher nicht mehr so schnell wie im zweiten Quartal." Dietrich managt zwei Fonds und richtet sich bei seinen Anlageentscheidungen ausschließlich nach Insider-Daten. Eine Strategie, mit der er gut fährt. Die Rendite seines H & A Lux VCH Insight USA liegt in diesem Jahr bei knapp 30 Prozent. Damit hat der Fonds nicht nur die großen Indizes Dow Jones und S&P 500 deutlich hinter sich gelassen, sondern auch viele klassische Fonds. Auch der im Mai aufgelegte Fonds, der nach dem gleichen Prinzip in deutsche und britische Unternehmen investiert, ist bereits deutlich im Plus. Dass der Fondsmanager gelassen auf die riesigen Insider-Verkäufe reagiert, hat einen einfachen Grund: Nachdem viele Bosse Ende vergangenen Jahres kräftig gekauft haben, nutzen sie jetzt laut Dietrich das erreichte Kursniveau für Gewinnmitnahmen (siehe Interview).

Der Fondsmanager vertraut auf eine enorme Datenbank, die er und seine Mitarbeiter angelegt haben. Hauptaufgabe des Computerhirns: Gute von schlechten Insidern zu trennen. Denn die Erfahrung hat gezeigt: Bei der Mehrzahl der Transaktionen lassen sich entweder überhaupt keine oder nur selten Rückschlüsse auf den künftigen Kursverlauf ziehen. Das sind die schlechten Insider.

Dennoch lohnt es sich auch für private Anleger, auf die Trades der Bosse zu achten. Denn hat man erst einmal einen guten Insider, also einen Vorstand, Aufsichtsrat oder auch ein dazugehöriges Familienmitglied ausfindig gemacht, bei dem das Timing der Käufe oder Verkäufe zum Verlauf des Aktienkurses ausgesprochen gut passt, dann lassen sich so im Gefolge erkleckliche Renditen erzielen. "Ganz aktuell ist Christian Tourres, Aufsichtsrat bei Adidas, zu nennen", sagt Dietrich. "Das ist ein sehr guter Insider."

In der Tat: Zwischen Mitte März und Ende April verkaufte Tourres vier Mal je 20000 Adidas-Papiere. Zunächst schien das Timing schlecht, denn in diesem Zeitraum legte das Papier von 76 auf 86 Euro zu. Doch kaum hatte Tourres am 23. April seine letzte Verkaufsorder in den Markt gelegt, ging es mit der Aktie bergab. Hintergrund: Am 30. April meldete der Sportartikelhersteller zwar ordentliche Zahlen, doch der harte Preiskampf und die damit verbundenen Probleme auf dem amerikanischen Markt beunruhigten die Analysten. Folge: Bis Anfang Juni sackte die Aktie immer weiter bis auf rund 72 Euro ab.

Geht es nach Tourres, scheint sich das Geschäft nun wieder aufzuhellen. Zumindest kaufte er am 24. September für 1,56 Millionen Euro 20000 Adidas-Papiere zurück.

Wie sollen Anleger vorgehen, die Insider-Daten nutzen wollen? Klar ist: Ganz ohne Arbeit geht es nicht. Wenn man aber einen Titel auf dem Radar hat, in den man investieren will, ist die Überprüfung der Trades durchaus sinnvoll. Wer hat zuletzt gekauft oder verkauft? Am einfachsten lassen sich die Deals im Internet unter www.insiderdaten.de verfolgen.

Doch die Rohdaten allein reichen nicht aus, um einen guten Insider herauszufiltern. Genauso wichtig ist ein Blick in die Vergangenheit: Hat der Insider bislang eine gute Rendite gemacht oder lag er mit seinen Transaktionen, zumindest was den anschließenden Kursverlauf betrifft, daneben? "Wenn man das alles überprüft, sind die Insider-Trades ein gutes unterstützendes Merkmal für Kauf oder Verkauf einer Aktie", rät Fondsmanager Dietrich. Weiterer Tipp: Der Handel eines guten Insiders ist nur in den folgenden zwei bis sechs Monaten ausschlaggebend für den Aktienkurs. Danach gleicht er sich dem Index-Verlauf meist wieder an.

Christian Tourres von Adidas-Salomon ist nicht der einzige Insider, auf den Dietrich setzt. "Ein anderer ist Douglas-Aufsichtsrat Jörn Kreke." Weitere brauchbare Kandidaten hat der Fondsmanager bei Henkel, Deutsche Post, Deutsche Bank, Schwarz Pharma sowie dem Immobilienunternehmen Workspace herausgefiltert. Alle fünf Werte stellen die größten Positionen in seinem Fonds, dem H & A Lux VCH Insight Europa, dar. Auch Jack Kugler von BKN International hat in der Vergangenheit gute Hinweise für einen rechtzeitigen Einstieg gegeben.

Spannend war es in der vergangenen Woche auch in den USA. Dort ließ der Kauf eines Insiders bei der Firma Genta Volker Dietrich hellhörig werden. Die Folge: Der Pharmawert ist nun der am stärksten gewichtete Titel in seinem USA-Fonds. Auf den Plätzen folgen Wind River Systems (Technologie), RegeneronCorrections (Pharma), Corporation of America (Dienstleistung) und C & D Technologies.

Wie wichtig die Qualitätsauslese der Insider ist, zeigt der Fall Jochen Zeitz. Am 1. September verkaufte der Puma-Chef 66707 Aktien im Wert von über 6,7 Millionen Euro. Das Getöse war groß. Viele Investoren schreckten auf, zumal die Aktie nahe des damaligen Höchstkurses notierte. Hintergrund der Aktion war allerdings ein auslaufendes Aktienoptions-Programm. Am gleichen Tag hatte Zeitz genau die gleiche Anzahl Aktien gekauft, freilich zu einem deutlich günstigeren Kurs. 24,61 Euro zahlte er für die Papiere aus dem Optionsprogramm. So macht der Puma-Boss einen ordentlichen Schnitt - und das ganz sauber.

Vor allem in den USA gibt es Unternehmenslenker, deren Gehalt fast ausschließlich aus Aktienoptionen besteht. Solche Firmenchefs verkaufen deshalb regelmäßig Aktien, schlicht aus dem Grund, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Oft stecken auch Übernahmeangebote dahinter, wenn gleich eine ganze Gruppe von Insidern Aktien des eigenen Unternehmens im großen Stil verkauft.Nicht jeder Insider-Deal ist deshalb ein Wink mit dem Zaunpfahl auf steigende oder fallende Kurse. Oder ein Geschäft, das anrüchig ist. Das sieht auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre so. "Es ist grundsätzlich schon okay, wenn ein Großaktionär oder Insider mal Aktien verkauft, die Frage ist nur, in welchem Umfeld das passiert", sagt Markus Straub, stellvertretender Vorsitzender der Schutzgemeinschaft. Bestes Beispiel ist Bill Gates. Der Gründer und Großaktionär von Microsoft verkauft jedes Jahr für ein paar Hundert Millionen Dollar eigene Aktien, ohne dass dies an der Börse noch irgendjemanden kümmern würde.

Zumal jedem Anleger auch klar sein muss: Vorstände oder Aufsichtsräte, die dank interner Kenntnisse ihr Kapital aus der Firma abziehen wollen, müssen das nicht offiziell tun. Wer will, findet immer einen Weg an der Meldepflicht vorbei. In Deutschland hat ausgerechnet der Gesetzgeber die Tür für versteckte Deals sperrangelweit offen gelassen: Gesellschaften, die zu 100 Prozent einem Vorstand gehören, sind nicht meldepflichtig. Das bedeutet: Insider, die insgeheim ihre Aktien vergolden wollen, müssen sie nur einer so genannten juristischen Person übertragen, schon sind sie aus dem Schneider. "Die gesetzliche Bestimmung ist sehr lässig", kritisiert Aktionärsschützer Straub. Seine Erfahrung: "Viele Anteile liegen schon allein aus steuerlichen Gründen in GmbHs und müssen nicht gemeldet werden."

"Verkäufe würde ich deshalb nicht überinterpretieren, die meisten finden ohnehin geheim statt", sagt Straub. Dabei wären gerade die interessant. Kauforder dagegen sind gute Werbung für das Unternehmen und werden laut Straub "viel eher gemeldet".Allerdings: Mit der Meldepflicht nehmen es viele Unternehmen ohnehin nicht sonderlich genau. 85 Bußgeldverfahren sind bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) derzeit anhängig. Wegen zu spät eingegangener Meldungen oder wegen auffälliger Kursbewegungen im Umfeld von Ad-hoc-Mitteilungen. An Ausreden sind manche nicht verlegen. "Einer hat sich sogar auf seine in der Verfassung niedergeschriebenen Persönlichkeitsrechte berufen", sagt Bafin-Sprecherin Sabine Reimer.Zuletzt wurden Untersuchungen gegen die Filmfirma Intertainment eingeleitet. Dort hatte es im Vorfeld einer negativen Ad-hoc-Mitteilung auffällig viele Aktienbewegungen gegeben. In diesem Fall sollten die Alarmglocken tatsächlich schrillen. «

NET AG

Über 680000 Aktien verkaufte Stefan Immes, Vorstand der Net AG, vor knapp einem Jahr. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Wert gegenüber dem Allzeithoch bereits kräftig verloren. Nachdem Immes die Aktien verkaufte, ging es weiter bergab. Bis zu seinem Tiefststand im März verlor der Wert weitere 55 Prozent. Erst danach ging es wieder bergauf.

LINOS

Im Juli und September verkaufte Linos-Vorstand Gerd Litfin mehrfach Aktien des eigenen Unternehmens. Beide Male ging es mit dem Aktienkurs danach bergab. Besonders heikel: Kurz nach den Juli-Verkäufen kamen die Halbjahreszahlen auf den Markt. Er selbst sagt: Beim ersten Mal war es die Bank, die gegen seinen Rat verpfändete Aktien verkaufte, nachdem ein Kredit ausgelaufen war. Und im September gingen die Papiere an einen Investmentfonds.

MORPHOSYS

Die Morphosys-Aktie gehörte zu den größten Highflyern am Neuen Markt. In der Spitze wurde das Papier für 444 Euro gehandelt. Danach ging es rapide bergab. Im Mai vergangenen Jahres machte Vorstands-Chef Simon Moroney Kasse und verkaufte 37239 Aktien. Damals notierte Morphosys bei 70 Euro. Heute steht der Titel bei gut neun Euro.

ADIDAS-SALOMON

Aufsichtsrat Christian Tourres gilt als "guter Insider". Wenn er kauft oder verkauft, ist in der Regel mit steigenden beziehungsweise sinkenden Adidas-Kursen zu rechnen. Nimmt man Tourres als Maßstab, sollten Anleger zugreifen. Am 23. Mai kaufte er zum Kurs von 75 Euro, vor zehn Tagen hat er noch einmal nachgekauft. Bislang ist die Rendite zwar gering, doch das kann sich noch ändern.

DOUGLAS

Jörn Kreke: Auch der Douglas-Aufsichtsrat gilt in Expertenkreisen als ein Insider, auf dessen Transaktionen genau geachtet wird. Seit Anfang des Jahres kauft Kreke beständig dazu. Erst am vergangenen Montag hat der Insider weitere 500 Aktien geordert. Der Mischkurs der bisherigen Deals dürfte bei 15 Euro liegen.

AUGUSTA

Axel Haas, Vorstand der Beteiligungsgesellschaft Augusta, hat im September 2002 und im April dieses Jahres mehrfach eigene Aktien gekauft. Und damit ein gutes Händchen bewiesen. Seit seinem letzten Deal am 8. April ist es mit dem Kurs beständig nach oben gegangen. Inzwischen hat sich der Wert seiner im April gekauften Aktien mehr als verdoppelt.

Ein sinnvolles BegleitkriteriumFondsmanager VOLKER DIETRICHvon der VCH Group setzt allein auf Insider-Deals. Im Gespräch mit EURO erläutert er, warum es derzeit so viele Verkäufe gibt und worauf Privatanleger achten müssen

EURO: Herr Dietrich, in den USA ist das Verkaufsniveau von Insidern auf Rekordniveau. Was heißt das?

DIETRICH: Dass die Insider glauben, dass ihre Unternehmen aktuell nicht so lukrativ zum Kaufen sind. Die Käufe gehen extrem zurück, keiner sieht auf dem Niveau einen Einstiegskurs.

EURO: Aber warum gibt es so viele Verkäufe?

DIETRICH: Man muss wissen, dass wir im vierten Quartal vergangenen Jahres extrem viele Käufe hatten.

EURO: Und was hat das mit den jetzigen hohen Verkäufen zu tun?

DIETRICH: In den USA gibt es eine Regel: Ein Insider muss Aktien sechs Monate halten, sonst muss er Gewinne an die eigene Company abführen. Für die momentane Situation bedeutet das: Alle sind günstig eingestiegen. Danach ist der Markt gut gelaufen, so dass jetzt Gewinne realisiert werden können.

EURO: Sie haben so genannte gute Insider herausgefiltert. Wie machen Sie das?

DIETRICH: In den USA verfolgen wir seit Jahren die Deals von 20000 Insidern. Wir haben für jeden Insider eine absolute Performance, die er nach jedem Trade gemacht hat, und das über die Zeiträume von drei, sechs und neun Monaten. Wir vergleichen zudem die Kursentwicklung gegenüber dem Index. Wir vergleichen die Anzahl der Käufe zu den Verkäufen, wie oft ein Insider hintereinander gekauft hat und ob da ein Trend vorhanden ist.

EURO: Und wie viele gute Insider sind übrig geblieben?

DIETRICH: Etwa 300 bis 350.

EURO: Ist es für Privatanleger überhaupt sinnvoll, auf Grund von Insider-Trades Aktien zu kaufen oder zu verkaufen?

DIETRICH: Als alleiniges Kriterium sicher nicht. Aber wenn er sich etwas Arbeit macht, ist es ein sinnvolles Begleitinstrument. Der Anleger sollte immer darauf achten, was der Insider in der Vergangenheit gemacht hat und wie seine Performance ausgefallen ist. Wenn er sich das erarbeitet hat, sind Insider-Trades aber sicher ein gutes begleitendes Kriterium bei der Anlageentscheidung.



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