Richtig an der Argumentation von Reitzle ist sicher, dass die momentane hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nur kurzfristiger Natur ist, wenn dadurch Innovation und Strukturwandel beeintrachtätigt werden - die entscheidenden Komponenten für nachhaltig hohe Wachstumsraten und mehr Wohlstand.
Verlogen ist aber, dass Reitzle die Verursacher dieser Strukturwandel- und Wachstumsbremse nicht beim Namen nennt: Die IG Metall in erster Linie und die entsprechenden Arbeitgeberverbände in zweiter Linie (in zweiter Linie deshalb, weil die ja keine höheren Tarifangebote machen können, als die IG Metall sie stellt), die in Sachen Lohnfindung eine Beggar-My-Neighbour-Policy der übelsten Sorte betreiben, weil sie den in einer Währungsunion implizit enthaltenen Lohnsteigerungspfad seit Jahren verlassen haben: Eine Währungsunion kann nur dann langfristig Bestand haben, wenn sich die Lohnerhöhungen in einem Land der Währungsunion aus der Summe aus Produktivitätssteigerung und Zielinflationsrate der Notenbank orientieren - dagegen haben in der Europäischen Währungsunion Deutschland und Griechenland in unterschiedlicher Richtung am massivsten verstoßen. Es war schon ziemlich makaber, dass ausgerechnet der FDP-Wirtschaftsminister Brüderle die Tarifparnter auffordern musste, volkswirtschaftliche vernünftige Lohnerhöhungen vorzunehmen.