Aus der FTD vom 10.5.2001 www.ftd.de/infomatec
Infomatec greift nach letztem Strohhalm
Von Sven Clausen, Hamburg
Das Technologie-Unternehmen Infomatec ist zahlungsunfähig und hat beim Augsburger Amtsgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt.
Damit hat der Überlebenskampf des einst hoch gelobten Software-Entwicklers einen Tiefpunkt erreicht. Das Unternehmen hatte ähnlich wie die ebenfalls krisengeschüttelte Metabox aus Hildesheim so genannte Settop-Boxen für den Internetzugang über TV-Geräte hergestellt. Anleger und das eigene Management hatten Infomatec danach am Neuen Markt bis auf einen Börsenwert von knapp 1,5 Mrd. Euro im Februar 1999 hoch gejazzt. Als dann aber die Aufträge ausblieben und die Verluste explodierten, stürzte der Aktienkurs ins Bodenlose: Am Mittwoch erreichte er mit 0,75 Euro einen neuen Tiefstand. Der Wert am Neuen Markt: nur noch rund 20 Mio. Euro.
Vorstandschef Helmut Schiner hofft nun, um einen Insolvenzverwalter herumzukommen. Er werde stattdessen einen Antrag auf Eigenverwaltung stellen, sagte Sprecher Jörg Lücke am Mittwoch. Dann könnte der Vorstand selbst weitere Gespräche mit Investoren führen. "Wir sind mit mehr als zwei Investoren im Gespräch", sagte Lücke am Mittwoch. Deren Geld könnte das Unternehmen über die nächsten Monaten retten. Namen wollte er nicht nennen.
Al Walid
In unternehmensnahen Kreisen hieß es, eine Investorengruppe sei bereits in der so genannten Phase der Due Dilligence, also der eingehenden Prüfung der Unternehmensbilanz, die einer Übernahme oder Beteiligung vorausgeht. Aus den Branchenkreisen hieß es, der wohlhabende saudische Unternehmer Al Walid sei angesprochen worden. Al Walid ist Teilhaber am Bezahlsender Premiere World des Münchener Filmhändlers Leo Kirch - und damit bereits in der Branche engagiert. Premiere World benutzt mit der D-Box ebenfalls eine Settop-Box. Infomatec-Sprecher Lücke wollte die Gespräche mit Al Walid am Mittwoch nicht bestätigen. Mit der hektischen Suche nach Investoren greift das Augsburger Unternehmen nach dem letzten Strohhalm. Infomatec hat inzwischen alle Mittel aus dem Börsengang 1998 aufgebraucht. Die gut 100 Beschäftigten haben ihre Mai-Gehälter noch nicht erhalten. Im vorigen Jahr schrieb Infomatec einen operativen Verlust (Ebitda) von 65,5 Mio. Euro bei einem Umsatz von nur noch knapp 22 Mio. Euro.
Das beschädigte Image bei möglichen Kunden, etwa TV-Sendern, ist kaum noch zu reparieren. Die Gründer und damaligen Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele sollen die Auftragslage in den Vorjahren beschönigt, den Kurs damit nach oben getrieben und schließlich Insidergeschäfte getätigt haben. Erst vor wenigen Tagen wurden sie aus der Untersuchungshaft entlassen. Noch immer sind sie Groß-Aktionäre des Unternehmens.
Beschränkung
Der neue Vorstandschef Schiner beschränkt sich jetzt darauf, Technologie für interaktives Fernsehen anzubieten, das bereits mit analoger Technik läuft. Beim Musiksender MTV läuft bereits ein Test: Zuschauer können etwa eine Probefahrt reservieren, nachdem sie einen Auto-Werbespot gesehen haben.
Zudem hat der Österreicher die Kosten drastisch zurück gefahren: Von 681 Beschäftigten Mitte vorigen Jahres sind inzwischen nur noch 114 übrig. Die Folge: Statt 6 Mio. Euro hat das Unternehmen inzwischen nur noch monatliche Kosten von 1,3 Mio. Euro. Bis die sehnsüchtig erwarteten Investoren kommen, verkauft Schiner alte Settop-Boxen aus dem Lagerbestand nach Polen. Das Geschäft soll insgesamt 7 Mio. $ einbringen. Am ersten Juni werde eine erste Zahlung über 1,75 Mrd. $ fällig, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.
Nach dem Start des Insolvenzverfahrens muss das Unternehmen aber fürchten, in einigen Wochen überhaupt noch fähige Leute für seine Geschäfte zu haben. "Auch die überzeugtesten Mitarbeiter schauen sich jetzt nach Alternativen um", hieß es am Mittwoch in der Branche.
© 2001 Financial Times Deutschland