Dieser Prozess ist auch sehr schön hier bei Ariva zu beobachten. Was teilweise sehr "lustig" ist...:-)
Im Gegensátz zum Autor, denke ich das wir schon am Ende der zweiten Phase sind.
Wieviele "heisse Rohstoff Tipps" soll ich denn noch täglich per email bekommen?
Inflation der Rohstoff-Experten?
Zu Beginn dieses Jahrzehnts waren herkömmliche Zeitschriften, Internet-Seiten und sonstige Medieninstrumente mit Börsentipps, Musterdepots und Expertenmeinungen gefüllt. Kaufempfehlungen für Einzelwerte wurden von Tag zu Tag "angepasst". Experten und "Möchtegern"-Experten überboten sich mit ihren Kurszielen; meist am Freitagabend auf bekannten Börsensendern. Manch eine dieser Freitagabend-Sendungen wurde zur Kultsendung erkoren, da Aktientipps am Montagmorgen zu Börsenbeginn meist explodierten. Man konnte also aufgrund der Fachleute fast "blind" kaufen!
Jeder Verkaufstrainer und jeder gute Verkäufer, der jemals ein "Tschaka-Tschaka-Seminar" besucht hat, weiss, Übertreibung macht anschaulich und regt v.a. die Gier der Käuferschar an. Nur derjenige Marktschreier kann sich an der Börse Gehör verschaffen, der die extremsten Kurse prognostiziert und dadurch die schönsten Geldträume suggeriert.
Bücher zum Thema "Börse", "Aktie" oder "Wie werde ich schnell reich ohne viel zu tun" waren der Verkaufsschlager bei den Händlern. Den Verlagen wurden diese Bücher sprichwörtlich aus der Hand gerissen. Die Autoren dieser "Fachliteratur" wurden in Fernsehsendungen oder Extrabeiträgen als Kult-Idole bzw. zu "Super-Stars" ernannt, da sie den Schlüssel zum Reichtum ge- bzw. erfunden haben.
Die Lichter vieler dieser Stars sind seit Mitte 2000 verglommen. Einige flackern zur Zeit wieder auf, wollen aber nicht so richtig glühen, da das Vertrauen in diese doch so bekannten eloquenten Gesichter erst einmal zerstört und langfristig enttäuscht wurde.
Viele dieser Fachleute beharren immer noch auf ihren Prognosen aus dem Jahre 2000, andere mutieren momentan zu Rohstoff-Experten. Mittlerweile haben auch sie bemerkt, dass hier seit mehr als sechs Jahren eine Hausse läuft und die Marktkapitalisierung täglich zunimmt.
Zu Beginn der Rohstoff-Hausse im Jahre 2000 und 2001 waren die echten Commodities-Experten ziemlich alleine auf sich gestellt. Sie mussten sich den Spott der herkömmlichen Finance-Community und der damals noch nicht gestürzten Börsengurus gefallen lassen. Als "Narren des Zufalls" wurden sie lange Zeit tituliert. An einer Hand konnte man die mutigen Fachleute, die seriöse wahrscheinlichkeitsbehaftete Prognosen für einen Rohstoff-Trend vorhersagten, abzählen. Nur waren sie zu dieser Zeit nicht gesellschaftsfähig. Kein Privatinvestor, kein institutioneller Anleger und kein Medium wollte sich zu dieser Thematik äußern, da sie sich noch vom Börsenkater erholen mussten.
Diese Situation, der Antipartie gegenüber solchen Contrairians, ist im Massenpsychogramm eines primären Aufwärtstrends systematisch. Im Buch "Markt & Meinung" (ISBN: 389879105X) von Dipl. Betriebswirt (FH) Uwe Bergold und Prof. Dr. Bernt Mayer ist dies anschaulich dargestellten. Bergold und Mayer beschreiben in ihrem Drei-Phasen-Modell eines Primärtrends das Verhalten der Anleger in der Akkumulations-, Public- und Distributionsphase.
In der Akkumulationsphase herrscht demnach eine soziale Aversion gegen die unbekannte Asset-Klasse, da dieser Markt eine längere Abwärtsbewegung hinter sich hat. Die vorangegangenen fundamentalen Übertreibungen sind vollständig über die Zeitachse und Amplitude abgebaut. Wenige Experten und Medien kennen überhaupt Unternehmen aus dieser unterbewerteten Vermögensklasse, und die Spärlichen, die sich zu diesen Thema äußern, werden in dieser Marktphase wie "Aussätzige" behandelt bzw. als "Spinner" abgewertet. Professionelle Großinvestoren nutzen diese Phase zum Aufbau neuer Positionen - zu billigen Kursen.
Bei vielen Goldminen war dieses Akkumulieren von Großinvestoren durch Kapitalstrom-Analysen seit 1999 erkennbar. Diese „verdeckten“ Aktionen mit zunehmenden Volumen konnten in dieser Zeit problemlos durchgeführt werden, da an den herkömmlichen Kapitalmärkten die "Börsen-Party" im vollen Gange war und nach dem Jahre 2000 der Schock noch in den Beinen saß. Die negative Stimmung für das Leitinvestment des Rohstoff-Sektors, Gold, wurde sogar durch die negative Berichterstattung der Massenmedien unterstützt. Nur wenige Fachzeitschriften wiesen zu Beginn des Jahrzehnts auf die Akkumulation der Großinvestoren hin. An Rohstoff-Experten und -Medien herrschte Anfang 2000 bis Ende 2004 Mangelware.
Nachdem die Akkumulationsphase unter hohen Volatilitäten korrigiert wurde, beginnt die zweite Aufwärtsbewegung als Phase der öffentlichen Beteiligung. Die Verbesserung der Fundamentaldaten setzt sich allmählich in der öffentlichen Wahrnehmung durch. Der Stimmungswechsel führt zu anhaltender und stabiler Nachfrage. Die Schlauen in der Finanzindustrie erkennen als erste den Trend und bieten die ersten Produkt-Innovationen in der wieder neu entdeckten Anlage an. Erste Privatanleger, die sich traditionell für Wertpapieren interessieren und bereits Erfahrungen gesammelt haben, kaufen. Die Meldungen von Seiten der Unternehmen werden besser. Am Kapitalmarkt setzt sich schließlich durch die steigende Anzahl der Experten die Überzeugung durch, dass der Aufschwung von Dauer ist. Das neue Thema wird gesellschaftsfähig und die Fachleute sind gern gesehene Gäste bei Vorträgen und Seminaren. In diesem Abschnitt nimmt die Anzahl der Experten rasch zu, da sich immer mehr Interessierte mit dieser Materie beschäftigen müssen, um am Kapitalmarkt konkurrenzfähig zu sein. Am Ende der Public Phase wird die Breite der Finance-Community "infiltriert" und "infiziert". Unerfahrene Anleger werden durch die Massenmedien ermuntert, sich an den "neuen" Aufwärtstrend zu beteiligen.
Nach der konsolidierten Public Phase startet der Abschnitt der Distribution. Diese Stufe ist die letzte und vom Anstieg meist die steilste Aufwärtsbewegung. Sie ist die Zeit der Pseudo-Experten, Trittbrettfahrer, Stammtisch-Strategen und Aktienpusher. Naive Anleger, die bis zu diesen Zeitpunkt noch kein Wertpapier-Engagement getätigt haben, beginnen Positionen aufzubauen. Ermuntert werden sie durch das euphorische soziale Umfeld, durch die reißerische Berichterstattung der Medien und der exorbitanten Kursziele der sich inflationierenden Expertengilde. Aufgrund deren Aussagen fühlen sich die naiven Investoren in kollektiver Sicherheit, die wiederum bis zur Kaufpanik ausarten kann. Die irrationale Gier der Marktteilnehmer nach Investments kann durch täglich zunehmende Börsenumsätze und kürzeren Handelsfrequenzen auf der Verkäuferseite bedient werden. Die Abgeber, die während der gesamten Aufwärtsbewegung investiert waren und nun ihre wohlverdiente Ernte einfahren wollen, treten gerne zur Abgabe der Gegenposition auf (Distribution). Die Zunft der "sogenannten" Experten fungiert mit den Massenmedien als Beschleuniger dieser sozialen Infektion.
Leider sind die Bewegungsmuster von Rohstoffen nicht leicht zu prognostizieren wie herkömmliche Märkte, da die Volatilitäten in diesen Segment höher ausfallen und sie eine asymmetrische Ertrag-Risiko-Verteilung aufweisen. Temporäre Meinungsschwankungen der Experten zwischen Kauf- und Verkaufsempfehlungen sind die Folge und machen den nervösen Anlegern das Leben nicht leichter.
Zudem ist es nicht ganz einfach, einen Experten zu finden, da dieser Begriff nicht durch fachliche Formalitäten, IHK-Zertifikate oder DIN-Vorschriften geschützt ist. Wo Experte darauf steht, muss nicht unbedingt ein Experte darin sein.
Die Wissensbreite und -tiefe der Rohstofffachleute ist zu hinterfragen. Die Nachhaltigkeit ersichtlich am publizierten Track Record ist ein guter Qualitätsindikator für die Rohstoff-Produkt-Manager bzw. deren publizierten Kauf- bzw. Verkaufsempfehlungen.
Der Leser wird sich nun die Frage nach dem aktuellen Standort im Massenpsychogramm der Commodities-Community stellen.
Die Mehrheit der Experten, hinter denen auch Fachmänner vermutet werden dürfen, sind sich einig, dass die Public Phase begonnen hat. Ohne die Meinung der Fachleute zu werten, braucht sich der umsichtige Investor nur umzusehen, um sich seinen eigenen Anlagehorizont für Rohstoff-Engagements zu definieren. Vermehrt werden Rohstoff-Seminare oder -Messen angeboten. Institutionelle und private Anleger werden zunehmend animiert sich Vorträge von Rohstoffproduzenten bzw. Explorern anzuhören. Die Finanzindustrie kreiert immer mehr Rohstoff-Produkte. Sogar die ersten Aktienpusher und Trittbrettfahrer werden schon auf dem Börsen-Parkett vermutet. Führt man eine einfache Medien-Resonanz-Analyse durch, wird vermehrt der Begriff der "Rohstoffe" gemessen. Fazit: Die Phase der öffentlichen Beteiligung hat definitiv begonnen. Eine "schleichende Experten-Inflation" ist in der Public Phase ein wahrscheinlich natürlicher und gesunder Wachstumsprozess. Sollte sich dieser Auswuchs von der schleichenden zur "galoppierenden" und im Endstadium zur "Experten-Hyperinflation" ausweitet ist äußerste Vorsicht geboten.
Die Expertise eines seriösen Rohstoff-Fachmannes ist besonders in dieser Marktphase von essentieller Bedeutung, da Rohstoff-Haussen auch in der Public Phase mit heftigen Korrekturen aufwarten. Aufgrund des asymmetrischen Chance-Risiko-Verlaufes werden die Nerven von Rohstoff-Investoren besonders hart getestet. Die Zermürbungstaktik von Rohstoff-Engagements sind definitiv nichts für Leute mit einen schwachen Nervenkostüm. Besonders die Anleger sollten Vorsicht walten lassen, die die ersten Gehversuche am "Neuen Markt" gemacht haben und denen Aktienkultur-Schock noch in den Knochen steckt. Ein guter Rohstoff-Manager sollte deshalb auch ein guter Emotionsmanager sein, der die Volatilitäten und somit die Nerven seiner Klienten schont.
Die wichtigste Aufgabe des Rohstoff-Interessenten ist vor allem in dieser
Marktphase die zunehmende Spreu vom Weizen zu trennen.
Quelle: Bild ergänzt um die Expertenentwicklung im Marktverlauf "Markt & Meinung"
von Uwe Bergold und Bernt Mayer, 2. Auflage
© Christian Wolf