Dienstag, 24. Oktober 2006
Dürre in Australien
Bauern begehen Selbstmord
Australien, der trockenste bewohnte Kontinent der Welt, ist von einer beispiellosen Dürre gepackt. Die Folgen sind dramatisch: Die Einkommen der Bauern brechen ein, und die Regierung schnürt dicke Subventionspakete, um das Überleben zu sichern. "Alle vier Tage nimmt sich ein Bauer das Leben", sagte der Chef der Hilfsgruppe für Depressive, Jeff Jennett, im australischen Rundfunk. Jeder zweite Bauer ist von der Dürre betroffen.
Weil alles trocken ist wie Zunder, gibt es in diesem Jahr schon besonders früh und viele Buschfeuer. Von Klimawandel will die konservative Regierung nicht reden. Wie die USA hat sie das Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgase nicht unterzeichnet.
Der stellvertretende Premierminister Mark Vaile kündigte am Dienstag in Canberra an, die Hälfte der
130000 Bauern hätten Anspruch auf staatliche Unterstützung. Die Hilfsleistungen belaufen sich nach Angaben der Regierung seit Beginn der Dürre 2001 bis Ende dieses Jahres auf zwei Milliarden australische Dollar (1,2 Milliarden Euro).
Paddy Carrigan hat die Hoffnung auf Winterweizen in diesem Jahr aufgegeben. Der Bauer, der sein Land in Merriwa rund 250 Kilometer nördlich von Sydney bestellt, sieht wenig Chancen auf bessere Zeiten. "Es sieht aus, als läge wieder ein langer trockener Sommer vor uns", sagt er. "Wir können noch nicht mal Heu machen", sagt Bäuerin Sally Young, deren Hof bei Grenfell, 375 Kilometer nördlich von Sydney, seit 120 Jahren in Familienbesitz ist. Sie rechnet erstmals in der Familiengeschichte mit einem Totalausfall der Ernte. "Es trocknet alles vor Deinen Augen ein und wird von Minute zu Minute brauner."
Schlimmste Dürre seit 100 Jahren
Nach Angaben des Bauernverbandes ist dies die schlimmste Dürre seit 100 Jahren. Das staatliche Agrarwirtschaftsbüro ABARE schätzt die diesjährige Winterernte auf 26 Millionen Tonnen, 36 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Das Büro schließt einen Einkommenseinbruch der Bauern um 45 Prozent nicht aus. "Nach dem extrem trockenen Winter sind die Frühjahrsregenfälle unerlässlich, um die Pflanzungen für den Sommer zu ermöglichen", sagte ABARE-Direktorin Karen Schneider.
18 Regionen sind bereits zu "Zonen mit außergewöhnlichen Umständen" erklärt worden. Damit werden dort Hilfen für die Landwirte und Gelder für staatliche Kreditprogramme mit besonders günstigen Zinsen frei. Ein Drittel der schätzungsweise 130.000 australischen Bauern hängt bereits auf die eine oder andere Art am Regierungstropf.
Die Regierung werde alles tun, sie zu unterstützen, versichert Premierminister John Howard. Schließlich habe Australien seinen Charakter und seine Geschichte in erster Linie Bauern zu verdanken. Der Agarsektor macht insgesamt zwölf Prozent der australischen Wirtschaft aus und bietet 1,6 Millionen Arbeitsplätze. "Wir kämpfen um jeden einzelnen Bauern", versicherte Agrarminister Peter McGauran. Gerade bewilligte die Regierung umgerechnet 210 Millionen Euro, 240 Millionen sollen in Kürze folgen.
Die Opposition findet die Politik kurzsichtig. "Dürren gab es zwar immer, aber nicht so häufig und intensiv", sagte Oppositionsführer Kim Beazley. "Wir haben es mit Klimaerwärmung zu tun, und dafür braucht man langfristige Lösungen." Nötig seien Emissionsgrenzen, um die Treibhausgase einzudämmen.
Radikaler sind die Vorschläge von Wissenschaftler Peter Cullen. "Almosen werden das Problem nicht lösen", meint er im australischen Rundfunk. "Mit der künstlichen Ernährung verlängern wir nur das Elend der Bauern und die Landausbeutung." Die Regierung solle lieber überlegen, wie sie Bauern bei der Aufgabe der Landwirtschaft helfen könne. Zwischen 1986 und 2001 ist die Zahl der Bauernfamilien schon um ein Viertel zurückgegangen. Viele von denen, die durchgehalten haben, wollen von Aufgabe trotz Dürre nichts wissen. "Jeden Tag weiß ich, dass wir dem Regen einen Tag näher sind", sagt Bäuerin Young. "Wir sind widerstandsfähig und haben immer ein Lächeln im Gesicht."