Die Nachrichten werden schlechter, doch die Börsen bleiben stabil – Kurzfristige Hoffnung für den Neuen Markt
Indizes stehen auf Messers Schneide
Zwei gegenläufige Trends prägen derzeit das Börsengeschehen: Zum einen belasten negative Firmen- und Wirtschaftsdaten die Kurse. Doch Anleger hoffen, dass die Börse bald bessere Zeiten vorweg nimmt. Das Resultat ist eine Seitwärtsbewegung. Daran wird sich Analysten zufolge nichts ändern, solange der zündende Funken weiter fehlt.
ULF SOMMER
HANDELSBLATT, 1.8.2001
DÜSSELDORF. Das Glas ist halb leer oder halb voll – allein die Betrachtungsweise entscheidet über die etwas optimistischere oder pessimistischere Betrachtung. Genauso präsentieren sich derzeit die Börsen. Manche Investoren machen schlechte Konjunktur- und Firmennachrichten dafür verantwortlich, dass es nicht aufwärts geht. Andere heben die wenigen positiven Frühindikatoren aus den USA und die damit verbundene Hoffnung auf eine Erholung hervor. Fakt ist, dass Standard- und vor allem Technologietitel nach ihrer langen Talfahrt nun schon seit Monaten seitwärts tendieren.
Das Wechselspiel zwischen Pessimismus und Optimismus spiegeln die US-amerikanische High-Tech-Börse Nasdaq und der Deutsche Aktienindex (Dax) gut wider. Trotz immer neuer negativer Unternehmenszahlen und -ausblicke tendieren die Indizes seit dem langen Einbruch, der bis Anfang April dauerte, seitwärts. Die Ausschläge nach oben und unten nehmen ebenso ab wie das Handelsvolumen. Die Nasdaq und der Dax erreichten ihre April-Tiefs von 1 638 bzw. 5 388 Punkten nicht mehr. Und das, obwohl die Zahl der Gewinnwarnungen im zweiten Quartal noch einmal stieg, die Investitionen in den USA so stark zurückgingen wie zuletzt in der Rezession Anfang der neunziger Jahre und die Kapazitätsauslastung im High-Tech- Sektor auf den tiefsten Stand seit 1976 fiel.
„Markt versucht sich
in der Bodenbildung“
„Die Lage ist besser als die Stimmung“, beschreibt Achim Matzke von der Commerzbank die Lage. Schlechte Konjunktur- und Firmendaten verhinderten zwar eine Aufwärtsbewegung. „Doch der Markt versucht sich in der Bodenbildung. Und dafür ist viel Geduld nötig. Erst wenn die Märkte erwarten, dass es mit der Konjunktur wieder aufwärts geht, weil die Geldpolitik in den USA greift, und die Frühindikatoren bessere Ergebnisse signalisieren, wird die Börse nach oben ausbrechen“ meint Matzke, Solange aber die meisten Aktien keine Kaufsignale gäben, prognostiziert der technische Analyst eine weitere Seitwärtsbewegung.
Auch die DG Bank sieht wenig Handlungsbedarf und rät Anlegern, ihr „Pulver trocken zu halten“. Der Rückgang der Unternehmensgewinne (Gewinnrezession) könne sich bis ins nächste Jahr hinziehen. Allerdings sei selbst dann eine Erholung im Herbst zu erwarten – vorausgesetzt, die Börsen nehmen wie in der Vergangenheit positive Daten sechs Monate vorweg. Ähnlich argumentieren Schroder Salomon Smith Barney und die Deutsche Bank. Das Frankfurter Investmenthaus erwartet, dass die Firmenerträge schon im kommenden Jahr in den USA und in Europa um 13 bis 18 % steigen könnten. Diese Wachstumsperspektiven, gepaart mit der hohen Liquidität, ließen eine Erholung der Börsen nach Durchlaufen des Sommerlochs erwarten.
Nur der Neue Markt hat eine Sonderstellung. Die deutsche Wachstumsbörse hat sich von ihrer großen US-Schwester abgekoppelt: Anders als an der Nasdaq stoppte die Talfahrt bislang nicht. Vorläufiger Tiefpunkt war der 25. Juli mit 1 146 Punkten. Gegenüber dem 4. April, als die US-Wachstumsbörse ihr Tief erreichte, ist das ein Verlust von knapp 25 %. Analysten schließen ein Fall unter die 1 000-Punkte-Marke nicht aus. Sie halten den weiteren Verlauf aber für kaum prognostizierbar.
Zumindest charttechnisch gibt es für den gebeutelten Neuen Markt aber Lichtblicke. Umfragen der Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands zeigen, dass kaum ein Anleger die Kurserholung in den vergangenen Tagen für nachhaltig hält. Vorausgesetzt die vielen Pessimisten sind nicht im Neuen Markt investiert, weil sie keine höheren Kurse erwarten, dürfte das Aufwärtspotenzial groß sein. Dafür spricht, dass der jüngste Aufschwung von einem höheren Handelsvolumen begleitet wird. Seit Anfang des Jahres wurden im Sammelindex (Nemax All Share) täglich Aktien im Wert von nur 15 bis 20 Mill. Euro umgesetzt. Ende vergangener und Anfang dieser Woche stieg das Volumen auf 28 bis 37 Mill. Euro. „Das ist ein gutes Zeichen. Wir sehen einige Rückkäufe bei besonders heftig gefallenen Titel wie EM TV“, meint Reinhard Berben von Sal. Oppenheim. Von einer Trendwende könne zwar nicht die Rede sein, aber der Analyst prognostiziert: „Der Neue Markt hat kurzfristig noch mehr Potenzial nach oben.“
HANDELSBLATT, Mittwoch, 01. August 2001
Indizes stehen auf Messers Schneide
Zwei gegenläufige Trends prägen derzeit das Börsengeschehen: Zum einen belasten negative Firmen- und Wirtschaftsdaten die Kurse. Doch Anleger hoffen, dass die Börse bald bessere Zeiten vorweg nimmt. Das Resultat ist eine Seitwärtsbewegung. Daran wird sich Analysten zufolge nichts ändern, solange der zündende Funken weiter fehlt.
ULF SOMMER
HANDELSBLATT, 1.8.2001
DÜSSELDORF. Das Glas ist halb leer oder halb voll – allein die Betrachtungsweise entscheidet über die etwas optimistischere oder pessimistischere Betrachtung. Genauso präsentieren sich derzeit die Börsen. Manche Investoren machen schlechte Konjunktur- und Firmennachrichten dafür verantwortlich, dass es nicht aufwärts geht. Andere heben die wenigen positiven Frühindikatoren aus den USA und die damit verbundene Hoffnung auf eine Erholung hervor. Fakt ist, dass Standard- und vor allem Technologietitel nach ihrer langen Talfahrt nun schon seit Monaten seitwärts tendieren.
Das Wechselspiel zwischen Pessimismus und Optimismus spiegeln die US-amerikanische High-Tech-Börse Nasdaq und der Deutsche Aktienindex (Dax) gut wider. Trotz immer neuer negativer Unternehmenszahlen und -ausblicke tendieren die Indizes seit dem langen Einbruch, der bis Anfang April dauerte, seitwärts. Die Ausschläge nach oben und unten nehmen ebenso ab wie das Handelsvolumen. Die Nasdaq und der Dax erreichten ihre April-Tiefs von 1 638 bzw. 5 388 Punkten nicht mehr. Und das, obwohl die Zahl der Gewinnwarnungen im zweiten Quartal noch einmal stieg, die Investitionen in den USA so stark zurückgingen wie zuletzt in der Rezession Anfang der neunziger Jahre und die Kapazitätsauslastung im High-Tech- Sektor auf den tiefsten Stand seit 1976 fiel.
„Markt versucht sich
in der Bodenbildung“
„Die Lage ist besser als die Stimmung“, beschreibt Achim Matzke von der Commerzbank die Lage. Schlechte Konjunktur- und Firmendaten verhinderten zwar eine Aufwärtsbewegung. „Doch der Markt versucht sich in der Bodenbildung. Und dafür ist viel Geduld nötig. Erst wenn die Märkte erwarten, dass es mit der Konjunktur wieder aufwärts geht, weil die Geldpolitik in den USA greift, und die Frühindikatoren bessere Ergebnisse signalisieren, wird die Börse nach oben ausbrechen“ meint Matzke, Solange aber die meisten Aktien keine Kaufsignale gäben, prognostiziert der technische Analyst eine weitere Seitwärtsbewegung.
Auch die DG Bank sieht wenig Handlungsbedarf und rät Anlegern, ihr „Pulver trocken zu halten“. Der Rückgang der Unternehmensgewinne (Gewinnrezession) könne sich bis ins nächste Jahr hinziehen. Allerdings sei selbst dann eine Erholung im Herbst zu erwarten – vorausgesetzt, die Börsen nehmen wie in der Vergangenheit positive Daten sechs Monate vorweg. Ähnlich argumentieren Schroder Salomon Smith Barney und die Deutsche Bank. Das Frankfurter Investmenthaus erwartet, dass die Firmenerträge schon im kommenden Jahr in den USA und in Europa um 13 bis 18 % steigen könnten. Diese Wachstumsperspektiven, gepaart mit der hohen Liquidität, ließen eine Erholung der Börsen nach Durchlaufen des Sommerlochs erwarten.
Nur der Neue Markt hat eine Sonderstellung. Die deutsche Wachstumsbörse hat sich von ihrer großen US-Schwester abgekoppelt: Anders als an der Nasdaq stoppte die Talfahrt bislang nicht. Vorläufiger Tiefpunkt war der 25. Juli mit 1 146 Punkten. Gegenüber dem 4. April, als die US-Wachstumsbörse ihr Tief erreichte, ist das ein Verlust von knapp 25 %. Analysten schließen ein Fall unter die 1 000-Punkte-Marke nicht aus. Sie halten den weiteren Verlauf aber für kaum prognostizierbar.
Zumindest charttechnisch gibt es für den gebeutelten Neuen Markt aber Lichtblicke. Umfragen der Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands zeigen, dass kaum ein Anleger die Kurserholung in den vergangenen Tagen für nachhaltig hält. Vorausgesetzt die vielen Pessimisten sind nicht im Neuen Markt investiert, weil sie keine höheren Kurse erwarten, dürfte das Aufwärtspotenzial groß sein. Dafür spricht, dass der jüngste Aufschwung von einem höheren Handelsvolumen begleitet wird. Seit Anfang des Jahres wurden im Sammelindex (Nemax All Share) täglich Aktien im Wert von nur 15 bis 20 Mill. Euro umgesetzt. Ende vergangener und Anfang dieser Woche stieg das Volumen auf 28 bis 37 Mill. Euro. „Das ist ein gutes Zeichen. Wir sehen einige Rückkäufe bei besonders heftig gefallenen Titel wie EM TV“, meint Reinhard Berben von Sal. Oppenheim. Von einer Trendwende könne zwar nicht die Rede sein, aber der Analyst prognostiziert: „Der Neue Markt hat kurzfristig noch mehr Potenzial nach oben.“
HANDELSBLATT, Mittwoch, 01. August 2001