ftd.de, Sa, 25.1.2003, 17:25
Börsenausblick: Irak-Entscheidung wird Börsen weiter zusetzen
Die Finanzmärkte werden diese Woche ganz im Zeichen der politischen Entscheidungen hinsichtlich der Irak-Krise stehen. Der Bericht über die Waffenkontrollen im Irak am Montag und die Rede zur Lage der Nation von US-Präsident George W. Bush am Dienstag sind die marktbewegenden Ereignisse.
Die Investoren fürchten, dass die Unsicherheit weiter regieren wird, selbst wenn die Waffeninspektoren etwas Licht ins Dunkel bringen. An den Aktienmärkten dürfte es daher zunächst weiter bergab gehen, während die Anleihen und der Euro hiervon profitieren dürften.
In der vergangenen Woche setzte die Gemeinschaftswährung ihren Anstieg unbeirrt fort und erreichte am Freitag bei 1,0829 $ den höchsten Stand seit Oktober 1999. Vor einer Woche kostete ein Euro noch 1,0678 $, vor drei Monaten 0,9779 $ und vor knapp einem Jahr 0,8593 $.
Politik des starken Dollar
Ein Hoffnungsschimmer für den schwachen Dollar könnte am Montag die Rede von John Snow vor dem US-Senat sein. Der designierte Finanzminister könnte sich dazu bekennen, an der Politik des starken Dollar festzuhalten. Ein Sprecher des Weißen Hauses hatte mehrmals gesagt, dass sich die Politik wahrscheinlich nicht ändern werde.
Das glauben auch die Analysten der Deutschen Bank. Doch "wenn man sich die Dollarentwicklung der vergangenen zwölf Monate anguckt, müsste man eher von einer Politik des schwachen Dollar reden", sagte Kenneth Landon von der Deutschen Bank in New York. "Wir erwarten, dass der Dollar auch unter Herrn Snow eine schwache Währung sein wird."
Steiler Kursanstieg an Bondmärkten
Wie beim Euro ging es zuletzt auch an den Bondmärkten mit den Kursen steil bergauf. Die Nachfrage nach sicheren Staatspapieren trieben den Terminkontrakt auf zehnjährige Bundesanleihen (Bund Future) auf immer neue Höchststände. Am Freitag schloss er bei 115,41 Punkten, das ist ein Wochengewinn von 137 Stellen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen fiel im gleichen Zeitraum um 17 Basispunkte auf 4,01 Prozent, die zehnjähriger US-Treasuries um sieben Basispunkte auf 3,94 Prozent.
Viele Analysten erwarten zunächst weiter steigende Kurse und entsprechend sinkende Renditen, besonders in der Euro-Zone. "Erst wenn die Unsicherheit aus dem Markt ist, könnten die Anleihen eine wichtige Unterstützung verlieren", sagte ein Bondhändler. Nach Ansicht von Jamil Baz von der Deutschen Bank werden sich Bundesanleihen weiterhin besser entwickeln als Treasuries. Die USA hätten ein Finanzierungsproblem, dass ausländische Investoren nicht mehr ohne weiteres tragen wollten.
Signale vom Ifo-Index und US-Konsumentenvertrauen
Neben den Kriegssorgen werden diese Woche eine ganze Reihe wichtiger Konjunkturdaten die Investoren beschäftigen. So veröffentlicht das deutsche Ifo-Institut am Montag seinen Geschäftsklimaindex, aus Italien kommen neue Inflationszahlen, und in den USA wird das Konsumentenvertrauen im Januar veröffentlicht.
Am Mittwoch tagt die US-Notenbank, eine weitere Zinssenkung wird allerdings nicht erwartet. Am Donnerstag folgen das Geschäftsvertrauen für Januar aus Frankreich und das US-Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2002. Am Freitag stehen in den USA das Konsumentenvertrauen und der Chicago-Einkaufsmanagerindex auf der Agenda.
Index-Charts in kritischer Lage
An den Börsen in Europa ist daneben die technische Verfassung der Märkte in den Blickpunkt der Anleger gerückt. "Die Charts von Dax, FTSE 100 und Stoxx 50 sehen sehr kritisch aus", sagte Holger Galuschke, technischer Analyst bei der SEB.
Der Dax näherte sich am Freitag seinem Sechs-Jahres-Tief vom vergangenen Oktober bei 2597 Punkten und schloss bei 2718 Zählern. Im Wochenvergleich ist das ein Minus von 6,9 Prozent. Der FTSE 100 fiel um 5,7 Prozent auf 3604 Punkte, den tiefsten Stand seit Dezember 1995. Und der Stoxx 50 sank um 6,6 Prozent auf 2226 Zähler, den niedrigsten Stand seit Mai 1997.
Negative Prognosen für Dax und Stoxx
Rainer Sartoris von HSBC Trinkaus & Burkhardt erwartet, dass in dieser Woche die Kurse im Dax und Stoxx 50 weiter fallen. Für beide Indizes habe es neue Verkaufssignale gegeben, sagte er. "Es ist wahrscheinlich, dass wir im Dax die Tiefstände vom Oktober 2002 antesten werden." Roger Krüger von der Deutschen Bank sagte: "Ich rechne damit, dass der Dax weiter fällt." Selbst positive Unternehmensnachrichten würden dies wohl nicht verhindern.
SAP legt am Donnerstag seine Zahlen für das abgelaufene Jahr vor. Bereits in der vergangenen Woche hatten seine US-Konkurrenten Siebel und PeopleSoft mit guten Zahlen die Anleger erfreut. Daneben präsentieren Vodafone (Montag) und France Telecom (Mittwoch) aktuelle Zahlen zur Geschäftsentwicklung. Außerdem veröffentlichen ARM Holdings (Dienstag), AstraZeneca , BBVA und Enel (Donnerstag) sowie Puma und Henkel (Freitag) neue Zahlen.
In den USA erreicht die Berichtssaison mit über 700 Unternehmen ihren Höhepunkt. Neben American Express (Montag) legen Börsenschwergewichte wie DuPont , Proctor & Gamble, Merck (alle Dienstag), AOL Time Warner (Mittwoch), Boeing und Disney (Donnerstag) ihre Quartalszahlen vor, außerdem die Ölkonzerne Exxon Mobile (Donnerstag) und ChevronTexaco (Freitag).
Der Dow Jones verlor in der vergangenen Woche 5,3 Prozent und fiel auf 8131 Punkte, den tiefsten Stand seit Oktober 2002. Der Nasdaq Composite hielt sich dank guter Nachrichten einiger Technologiefirmen besser und fiel im Wochenvergleich nur um 2,5 Prozent auf 1342 Zähler.
© 2003 Financial Times Deutschland