News - 17.06.07 21:24
US-Firmen gegen Quartalsprognosen
In den USA bahnt sich ein radikaler Wechsel in der Kommunikation der börsennotierten Konzerne mit ihren Investoren an: Eine breite Koalition aus Großkonzernen, Pensionsfonds und Gewerkschaften dringt in einem Forderungskatalog auf die Abschaffung von Quartalsprognosen.
Das Papier, in das die Financial Times Einblick hatte, ist an die großen Unternehmen und wesentlichen Investoren der USA adressiert. Der Vorstoß reflektiert die Furcht der Konzerne, über die Konzentration zahlreicher Investoren auf kurzfristige Ziele die Langfriststrategie aus den Augen zu verlieren. Vor allem milliardenschwere Hedge-Fonds leiten aus den Prognosen zum Teil starke Handelsaktivitäten ab - was wiederum zu starken Kursreaktionen der Aktien führen kann und die Unternehmen möglicherweise zu Aktionen zwingt. "Diese Dynamik beeinflusst nicht nur das Verhalten der Unternehmen, sondern auch ihre langfristige Überlebensfähigkeit", sagte John Castellani, der Vorsitzende des Business Roundtable und damit Cheflobbyist von rund 160 Vorstandschefs großer US-Konzerne. Die Initiative wird zudem vom amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO sowie dem Council of Institutional Investors unterstützt, der Vereinigung von 130 US-Pensionsfonds.
Sowohl für Unternehmenschefs wie auch für die Investoren schlägt das Papier einen neuen Zeithorizont vor: Statt auf Quartalszahlen sollten sich die Konzerne auf Fünfjahrespläne konzentrieren und über deren Fortschritt mit den Investoren diskutieren, heißt es. Um dies durchzusetzen, sollte die Vergütung von Fondsmanagern sich ebenfalls deutlich stärker an langfristigen Anlageerfolgen orientieren.
Neue Debatte in Europa möglich
Das Papier könnte auch die Debatte über Quartalsprognosen in Europa beleben. Erst in der vergangenen Woche hatte die Europäische Zentralbank (EZB) Zweifel am volkswirtschaftlichen Nutzen der Kurzfriststrategien zahlreicher Investoren geäußert. Einige Dax -Konzerne hatten sich zuletzt nur äußerst vorsichtig auf Quartalsprognosen eingelassen.
Die US-Forderungen fußen auf einem Katalog neuer Unternehmensregeln, der von der unabhängigen Denkfabrik Aspen Institute ausgearbeitet wurde. "Die Unterzeichnung der Aspen-Prinzipien durch so eine breit angelegte Gruppe ist ein Meilenstein der Wirtschaftsgeschichte", sagte Anne Mulcahy, Chefin des Druckerherstellers Xerox . "Besonders bedeutend ist die Konzentration auf langfristige Werte und das Ausweiten der Kommunikation mit den Aktionären."
Druck von Investoren und Analysten
Die Prinzipien fordern Unternehmen auf, "sowohl das Bereitstellen als auch die Reaktion auf Prognosen zum Quartalsgewinn und andere eindeutig kurzfristige Finanzziele zu vermeiden". Stattdessen sollten die Unternehmen mit ihren Aktionären über die Geschäftsstrategie sprechen und ihre Prognose für die kommenden Jahre erläutern, heißt es in dem Dokument weiter.
Zwar liegt es vollkommen im Ermessen der Konzerne, ob sie Quartalsprognosen veröffentlichen. Zahlreiche Vorstandschefs fürchten allerdings negative Folgen für ihren Aktienkurs, falls sie dem Druck von Investoren und Analysten nicht nachgeben. So könnten Investoren beispielsweise operative Probleme vermuten, die Gefahr unzutreffender Prognosen durch Analysten steige, heißt es. Daher sei der Verzicht auf Kurzfristszenarien nur möglich, wenn die Aktionäre mitspielten.
Mehr als die Hälfte der amerikanischen Firmen veröffentlichen Quartalsprognosen, unter Großkonzernen ist der Anteil noch größer. Der Büroartikelhändler Office Depot verzichtet dagegen seit 2005 darauf: "Wir haben unseren Investoren erklärt, dass Prognosen nicht gut sind", sagte Vorstandschef Steve Odland.
Von Francesco Guerrera (New York)
Quelle: Financial Times Deutschland
US-Firmen gegen Quartalsprognosen
In den USA bahnt sich ein radikaler Wechsel in der Kommunikation der börsennotierten Konzerne mit ihren Investoren an: Eine breite Koalition aus Großkonzernen, Pensionsfonds und Gewerkschaften dringt in einem Forderungskatalog auf die Abschaffung von Quartalsprognosen.
Das Papier, in das die Financial Times Einblick hatte, ist an die großen Unternehmen und wesentlichen Investoren der USA adressiert. Der Vorstoß reflektiert die Furcht der Konzerne, über die Konzentration zahlreicher Investoren auf kurzfristige Ziele die Langfriststrategie aus den Augen zu verlieren. Vor allem milliardenschwere Hedge-Fonds leiten aus den Prognosen zum Teil starke Handelsaktivitäten ab - was wiederum zu starken Kursreaktionen der Aktien führen kann und die Unternehmen möglicherweise zu Aktionen zwingt. "Diese Dynamik beeinflusst nicht nur das Verhalten der Unternehmen, sondern auch ihre langfristige Überlebensfähigkeit", sagte John Castellani, der Vorsitzende des Business Roundtable und damit Cheflobbyist von rund 160 Vorstandschefs großer US-Konzerne. Die Initiative wird zudem vom amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO sowie dem Council of Institutional Investors unterstützt, der Vereinigung von 130 US-Pensionsfonds.
Sowohl für Unternehmenschefs wie auch für die Investoren schlägt das Papier einen neuen Zeithorizont vor: Statt auf Quartalszahlen sollten sich die Konzerne auf Fünfjahrespläne konzentrieren und über deren Fortschritt mit den Investoren diskutieren, heißt es. Um dies durchzusetzen, sollte die Vergütung von Fondsmanagern sich ebenfalls deutlich stärker an langfristigen Anlageerfolgen orientieren.
Neue Debatte in Europa möglich
Das Papier könnte auch die Debatte über Quartalsprognosen in Europa beleben. Erst in der vergangenen Woche hatte die Europäische Zentralbank (EZB) Zweifel am volkswirtschaftlichen Nutzen der Kurzfriststrategien zahlreicher Investoren geäußert. Einige Dax -Konzerne hatten sich zuletzt nur äußerst vorsichtig auf Quartalsprognosen eingelassen.
Die US-Forderungen fußen auf einem Katalog neuer Unternehmensregeln, der von der unabhängigen Denkfabrik Aspen Institute ausgearbeitet wurde. "Die Unterzeichnung der Aspen-Prinzipien durch so eine breit angelegte Gruppe ist ein Meilenstein der Wirtschaftsgeschichte", sagte Anne Mulcahy, Chefin des Druckerherstellers Xerox . "Besonders bedeutend ist die Konzentration auf langfristige Werte und das Ausweiten der Kommunikation mit den Aktionären."
Druck von Investoren und Analysten
Die Prinzipien fordern Unternehmen auf, "sowohl das Bereitstellen als auch die Reaktion auf Prognosen zum Quartalsgewinn und andere eindeutig kurzfristige Finanzziele zu vermeiden". Stattdessen sollten die Unternehmen mit ihren Aktionären über die Geschäftsstrategie sprechen und ihre Prognose für die kommenden Jahre erläutern, heißt es in dem Dokument weiter.
Zwar liegt es vollkommen im Ermessen der Konzerne, ob sie Quartalsprognosen veröffentlichen. Zahlreiche Vorstandschefs fürchten allerdings negative Folgen für ihren Aktienkurs, falls sie dem Druck von Investoren und Analysten nicht nachgeben. So könnten Investoren beispielsweise operative Probleme vermuten, die Gefahr unzutreffender Prognosen durch Analysten steige, heißt es. Daher sei der Verzicht auf Kurzfristszenarien nur möglich, wenn die Aktionäre mitspielten.
Mehr als die Hälfte der amerikanischen Firmen veröffentlichen Quartalsprognosen, unter Großkonzernen ist der Anteil noch größer. Der Büroartikelhändler Office Depot verzichtet dagegen seit 2005 darauf: "Wir haben unseren Investoren erklärt, dass Prognosen nicht gut sind", sagte Vorstandschef Steve Odland.
Von Francesco Guerrera (New York)
Quelle: Financial Times Deutschland