Dark Days on Wall Street
"Radio-Boom"
Von Bernd Niquet
Es hilft nichts: Man muss sich erinnern! Zum Beispiel an die Hausse der Internet-Aktien, die uns zur Jahrtausendwende glauben machen wollte, die Bäume würden tatsächlich in den Himmel wachsen. Kluge Köpfe setzten dieser Sichtweise damals bereits das Beispiel der RCA-Aktie entgegen, die im so genannten "Radio-Boom" der 20er Jahre einen exorbitanten Kursaufschwung erzielt hatte, in der Folge jedoch einen Kursverlust von nicht weniger als 98 (!) Prozent zeigte - und schließlich erst nach diversen Neuausrichtungen 57 (!) Jahre später ihr altes Top wieder erreicht hat. Aber immerhin: Keine Pleite!
Die Überbewertungen während der Internethausse
Ich weiß noch, wie dieses Beispiel damals in der Gemeinde der Internetaktionäre für Unglauben gesorgt hat. Und ich weiß ebenfalls noch zu gut, wie damals die folgenden - zugegebenermaßen etwas merkwürdigen - Zeilen aus einem Aufsatz von mir (Bernd Niquet, Neuer Markt = Neue Zeit?, in: Bernecker, H.A. (Hrsg.), Wegweiser für Kapitalanlagen 2000, Zürich 1999, S. 175 - 185) auch nur ein Kopfschütteln hervorgerufen haben:
"Ich bin der Meinung, dass es die gegenwärtige Bewertung eines großen Teils der High-Tech-Unternehmen - und hier ganz besonders die Internetwerte - noch für Generationen nach uns zu einem Cocktail aus Lachen, Weinen und verblüfftem Erstaunen bringen wird. Ja, vielleicht werden wir von unseren Kindern sogar einmal gefragt: "Mammi und Pappi, wie konnte so etwas eigentlich passieren? Wart ihr damals eigentlich alle blind und doof. Oder vielleicht sogar beides zugleich?""
Dark Days on Wall Street Dark Days on Wall Street Ein Blick zurück hilft also stets: Denn Märkte übertreiben immer! In der Auf- wie in der Abwärtsbewegung. Aus diesem Grunde möchte ich daher an dieser Stelle erneut auf eine Spekulation eingehen und aus dem Text eines gewissen William G. Shepherd Jr. mit der Überschrift "Dark Days on Wall Street", der mir gerade neulich in die Finger gekommen ist, ein wenig zitieren. Shepherd schreibt:
"Gegenwärtig finden sich nur wenige Marktteilnehmer an Wall Street, die tatsächlich glauben, der Bear-Market habe seine problematische Phase bereits hinter sich. Zu groß sind die Befürchtungen der Investment-Gemeinde vor einem weitergehenden ökonomischen Kollaps. Alle Aktienindizes haben neue Lows erreicht, und wegen der schlechten wirtschaftlichen Nachrichten besteht kaum die Neigung zu einer ausgeprägten Rallye. Das ist die entmutigende Nachricht, dass der Markt seinen Boden noch nicht gesehen hat, sagen Aktienhändler, und ein Zeichen dafür, dass auch die stählernen Optimisten anscheinend kurz davor stehen, das Handtuch zu werfen." Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor?
"Es gibt freilich auch gute Gründe für derartigen Pessimismus: Der Aktienmarkt leidet unter der fortgeschrittenen Wirtschaftsschwäche, die Unternehmensgewinne erodieren und Ängste kommen auf, dass sowohl die Brokerfirmen als auch die Banken langsam verwundbar werden. Obwohl der Konsens der Marktteilnehmer auf eine weitere Abwärtsbewegung setzt, ist die Verwirrung allenthalben groß. "Niemand kann uns sagen", so ein Fonds-Manager, "ob wir gerade am Anfang oder am Ende eines Wirtschaftsabschwunges stehen. Der Markt gleicht nurmehr einer großen Spielhölle."" Und kommt einem das nicht auch irgendwie bekannt vor?
""Es ist nur noch die Gruppe der Optimisten", so ein Marktteilnehmer, "die noch dazu gebracht werden muss, zu verkaufen, bevor der Markt seinen Tiefpunkt erreicht." Doch es ist eine anerkannte Regel an den Märkten, dass gerade das, was die Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet, gerade nicht geschieht. Im Jahre 1974 beispielsweise wurde ebenfalls von der breiten Mehrheit ein Panikausverkauf erwartet, doch der schlimmste Bear Market seit langer Zeit fand sein Ende nurmehr in einem leisen Winseln." Und kommt einem das nicht auch irgendwie bekannt vor?
Dark Days on Wall Street
Welches Jahr?
"Als größte Enttäuschung bezeichneten die Marktteilnehmer das Versagen des Marktes, auf sinkende Zinsen zu reagieren." Auch das hat man sicherlich gerade vor kurzem schon einmal gehört. Doch anschließend folgen in diesem Artikel einige Passagen über Joe Granville sowie dessen Prognose, dass der Dow sich erst etwas erholen, anschließend jedoch in rasender Talfahrt in den Keller stürzen wird. Und auch das ... - aber nein, an dieser Stelle wird einem endgültig klar, dass dieser Bericht nicht aus dem Jahr 2001, sondern vielmehr aus dem August des Jahres 1982 stammt: Just zu dem Zeitpunkt, in welchem die größte Aktienhausse der Nachkriegsgeschichte ihren Anfang nahm.
Und die Moral von der Geschicht? Keine Hausse beginnt ohne Pessimismus nicht! Wobei jedoch leider der Umkehrschluss nicht zwingend ist: Denn nicht jede Situation, die sich durch einen ausgeprägten Pessimismus auszeichnet, trägt bereits den Keim der Hausse in sich. Doch die Wahrscheinlichkeit hierfür ist durchaus groß. Vorausgesetzt, am Horizont wird erkennbar, dass die Wirtschaft nicht in eine Abwärtsspirale hineingleitet. An diesem dünnen Seil hängt jetzt alles: Wird ersichtlich, dass der wirtschaftliche Abschwung zum Ende kommen wird, dann werden sich die Märkte auch postwendend wieder erholen. Doch wie lange wir auf diesen Moment warten müssen, darüber können wir tatsächlich nur spekulieren ...
"Radio-Boom"
Von Bernd Niquet
Es hilft nichts: Man muss sich erinnern! Zum Beispiel an die Hausse der Internet-Aktien, die uns zur Jahrtausendwende glauben machen wollte, die Bäume würden tatsächlich in den Himmel wachsen. Kluge Köpfe setzten dieser Sichtweise damals bereits das Beispiel der RCA-Aktie entgegen, die im so genannten "Radio-Boom" der 20er Jahre einen exorbitanten Kursaufschwung erzielt hatte, in der Folge jedoch einen Kursverlust von nicht weniger als 98 (!) Prozent zeigte - und schließlich erst nach diversen Neuausrichtungen 57 (!) Jahre später ihr altes Top wieder erreicht hat. Aber immerhin: Keine Pleite!
Die Überbewertungen während der Internethausse
Ich weiß noch, wie dieses Beispiel damals in der Gemeinde der Internetaktionäre für Unglauben gesorgt hat. Und ich weiß ebenfalls noch zu gut, wie damals die folgenden - zugegebenermaßen etwas merkwürdigen - Zeilen aus einem Aufsatz von mir (Bernd Niquet, Neuer Markt = Neue Zeit?, in: Bernecker, H.A. (Hrsg.), Wegweiser für Kapitalanlagen 2000, Zürich 1999, S. 175 - 185) auch nur ein Kopfschütteln hervorgerufen haben:
"Ich bin der Meinung, dass es die gegenwärtige Bewertung eines großen Teils der High-Tech-Unternehmen - und hier ganz besonders die Internetwerte - noch für Generationen nach uns zu einem Cocktail aus Lachen, Weinen und verblüfftem Erstaunen bringen wird. Ja, vielleicht werden wir von unseren Kindern sogar einmal gefragt: "Mammi und Pappi, wie konnte so etwas eigentlich passieren? Wart ihr damals eigentlich alle blind und doof. Oder vielleicht sogar beides zugleich?""
Dark Days on Wall Street Dark Days on Wall Street Ein Blick zurück hilft also stets: Denn Märkte übertreiben immer! In der Auf- wie in der Abwärtsbewegung. Aus diesem Grunde möchte ich daher an dieser Stelle erneut auf eine Spekulation eingehen und aus dem Text eines gewissen William G. Shepherd Jr. mit der Überschrift "Dark Days on Wall Street", der mir gerade neulich in die Finger gekommen ist, ein wenig zitieren. Shepherd schreibt:
"Gegenwärtig finden sich nur wenige Marktteilnehmer an Wall Street, die tatsächlich glauben, der Bear-Market habe seine problematische Phase bereits hinter sich. Zu groß sind die Befürchtungen der Investment-Gemeinde vor einem weitergehenden ökonomischen Kollaps. Alle Aktienindizes haben neue Lows erreicht, und wegen der schlechten wirtschaftlichen Nachrichten besteht kaum die Neigung zu einer ausgeprägten Rallye. Das ist die entmutigende Nachricht, dass der Markt seinen Boden noch nicht gesehen hat, sagen Aktienhändler, und ein Zeichen dafür, dass auch die stählernen Optimisten anscheinend kurz davor stehen, das Handtuch zu werfen." Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor?
"Es gibt freilich auch gute Gründe für derartigen Pessimismus: Der Aktienmarkt leidet unter der fortgeschrittenen Wirtschaftsschwäche, die Unternehmensgewinne erodieren und Ängste kommen auf, dass sowohl die Brokerfirmen als auch die Banken langsam verwundbar werden. Obwohl der Konsens der Marktteilnehmer auf eine weitere Abwärtsbewegung setzt, ist die Verwirrung allenthalben groß. "Niemand kann uns sagen", so ein Fonds-Manager, "ob wir gerade am Anfang oder am Ende eines Wirtschaftsabschwunges stehen. Der Markt gleicht nurmehr einer großen Spielhölle."" Und kommt einem das nicht auch irgendwie bekannt vor?
""Es ist nur noch die Gruppe der Optimisten", so ein Marktteilnehmer, "die noch dazu gebracht werden muss, zu verkaufen, bevor der Markt seinen Tiefpunkt erreicht." Doch es ist eine anerkannte Regel an den Märkten, dass gerade das, was die Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet, gerade nicht geschieht. Im Jahre 1974 beispielsweise wurde ebenfalls von der breiten Mehrheit ein Panikausverkauf erwartet, doch der schlimmste Bear Market seit langer Zeit fand sein Ende nurmehr in einem leisen Winseln." Und kommt einem das nicht auch irgendwie bekannt vor?
Dark Days on Wall Street
Welches Jahr?
"Als größte Enttäuschung bezeichneten die Marktteilnehmer das Versagen des Marktes, auf sinkende Zinsen zu reagieren." Auch das hat man sicherlich gerade vor kurzem schon einmal gehört. Doch anschließend folgen in diesem Artikel einige Passagen über Joe Granville sowie dessen Prognose, dass der Dow sich erst etwas erholen, anschließend jedoch in rasender Talfahrt in den Keller stürzen wird. Und auch das ... - aber nein, an dieser Stelle wird einem endgültig klar, dass dieser Bericht nicht aus dem Jahr 2001, sondern vielmehr aus dem August des Jahres 1982 stammt: Just zu dem Zeitpunkt, in welchem die größte Aktienhausse der Nachkriegsgeschichte ihren Anfang nahm.
Und die Moral von der Geschicht? Keine Hausse beginnt ohne Pessimismus nicht! Wobei jedoch leider der Umkehrschluss nicht zwingend ist: Denn nicht jede Situation, die sich durch einen ausgeprägten Pessimismus auszeichnet, trägt bereits den Keim der Hausse in sich. Doch die Wahrscheinlichkeit hierfür ist durchaus groß. Vorausgesetzt, am Horizont wird erkennbar, dass die Wirtschaft nicht in eine Abwärtsspirale hineingleitet. An diesem dünnen Seil hängt jetzt alles: Wird ersichtlich, dass der wirtschaftliche Abschwung zum Ende kommen wird, dann werden sich die Märkte auch postwendend wieder erholen. Doch wie lange wir auf diesen Moment warten müssen, darüber können wir tatsächlich nur spekulieren ...