Imaginärer Quartalsbericht an Mr. Standard N. Poor
Boston, 4. April (Bloomberg) - Gerade ist das erste Quartal zu Ende und viele Fondsmanager zermartern sich jetzt das Hirn, wie sie ihren Kunden die Entwicklung in den ersten drei Monaten erklären sollen. John Dorfman, Kolumnist bei Bloomberg News und Präsident der Vermögensverwaltung Dorfman Investments in Boston,hat so einen Quartalsbericht an einen imaginären Kunden mit dem Namen Mr. Standard N. Poor verfasst, sozusagen die Personifizierung des amerikanischen Aktienindexes Standard & Poor's 500. Der Brief lautet: Sehr geehrter Mr. Poor,
leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie jetzt wesentlich ärmer sind als noch vor drei Monaten. In dem abgelaufenen Quartal hat Ihr Portefeuille 11,8 Prozent an Wert eingebüßt. Aber es hätte noch schlimmer kommen können. So hat ein anderer Kunde, Mr. Nasdaq, der all sein Geld in die amerikanische Technologiebörse gesteckt hat, im letzten Quartal 26 Prozent verloren. Und vergessen Sie auch nicht die guten Zeiten, die wir erlebt haben. Erinnern Sie sich noch an das vierte Quartal 1999, als Sie Kurssteigerungen von 14,8 Prozent verbuchen konnten? Oder das vierte Quartal 1998 mit fetten Kursgewinnen von 21 Prozent? Was ist da schon ein Verlust von 11,8 Prozent?
Es ist ja auch nicht so, dass ich ständig mit Ihrem Geld soviel Miese mache. Es liegt mehr als zehn Jahre zurück, dass ein Quartal so schlecht wie jetzt war. Im dritten Quartal 1990 büßten Sie 13,7 Prozent ein. Damals litten wir unter einer Rezession, und die Bären hatten das Kommando an der Börse übernommen. Heute haben wir auch einen Bärenmarkt, und meiner Meinung nach befinden wir uns mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent in der Anfangsphase einer Rezession.
Sie können auch nicht sagen, dass es in ihrem Portefeuille keine Kursgewinner gibt. Schauen Sie sich nur Advanced Micro Devices Inc. mit einem Plus von 92 Prozent an. Die Gesellschaft versteht es sehr gut, ihre neuen, schnelleren Chips für billige PCs zu verkaufen und konnte dem Rivalen Intel Corp. Marktanteile wegschnappen. Und gewiss haben Sie sich auch über die Kurssteigerungen von 86 Prozent bei Dillard's Inc. und von 77 Prozent bei Kmart Corp. gefreut. Die Einzelhandelswerte hatte es im letzten Jahr so nach unten geprügelt, dass es einfach Zeit für eine Kurserholung war. Aber selbst nach der Kursverdoppelung in den letzten sechs Monaten wird Dillard's immer noch billiger gehandelt als 1998.
Apropos 1998: Ihr Portefeuille hat jetzt ungefähr den Wert von vor drei Jahren. Aber sehen Sie doch das Positive darin: Es lohnt sich jetzt viel mehr, Aktien zu kaufen als vor einem Jahr, als die Kurse auf ihrem Gipfel waren. Zugegebenermaßen, die Verlierer übertrafen im letzten Quartal die Kursgewinner. Von den 500 Werten in ihrem Portfolio (ich beobachte jeden einzelnen mit Argusaugen, seien Sie unbesorgt), lagen 173 im Plus, 326 im Minus und einer war unverändert.
Die größte Branche in Ihrem Portefeuille ist immer noch der Technologiesektor. Allerdings hat sich die Euphorie der Anleger für die ,High-Tech-Werte" gelegt, diese sind jetzt in Ungnade gefallen. Daher haben wir ihre Technologiegewichtung von 30 Prozent auf 18 Prozent zurückgefahren, nur noch leicht über der Gewichtung des Finanzsektors. Die Technologiewerte waren im ersten Quartal mit minus 25 Prozent das Schlusslicht in Ihrem Portefeuille. Der Sektor Gesundheitsfürsorge büßte 15 Prozent ein und Investitionsgüterhersteller verloren 14 Prozent. Von den elf Sektoren in Ihrem Portfolio lag nur einer im Plus. Die konjunkturempfindlichen Konsumwerte stiegen um 0,6 Prozent.
Ihr größter Posten ist zur Zeit General Electric Co., in dem 4 Prozent Ihres Kapitals stecken. Ich muss zugeben, ich mache mir etwas Sorgen, dass der begnadete Unternehmenskapitän Jack Welch dieses Jahr zum letzten Mal das Unternehmensschiff lenkt. Ihr zweitgrößtes Engagement ist mit einem Anteil von 2,8 Prozent Microsoft Corp. Mit einem KGV von 31 ist Microsoft angemessen bewertet. Jedoch neigt die Börse zu Übertreibungen, wenn es mit den Kursen rauf oder runter geht. Gegenwärtig notiert Microsoft bei 56 Dollar, Ende 1999 lag die Aktie noch bei 116,75 Dollar.
An dritter Stelle rangiert Exxon Mobil Corp. mit einem Anteil von 2,7 Prozent. Der Konzern schwimmt auf der neuen Energiewelle, die Energiekrise hat wohl mittlerweile jeder mitbekommen. 2,5 Prozent Ihres Portefeuilles sind in Ihrem viertgrößten Posten, Pfizer Inc. investiert. Zwar ist die Pharma-Aktie auf 39,97 Dollar gesunken, wird aber immer noch zum 39fachen des Gewinns gehandelt. Daher lauern hier einige Kursrisiken, sollte es auch nur minimale Enttäuschungen geben. Ihr viertgrößtes Engagement ist Wal-Markt Stores Inc. Ich muss zugeben, dass das KGV von 35 doch etwas hoch ist, wenn die Analysten für die nächsten fünf Jahre ein jährliches Gewinnwachstum von 15 Prozent erwarten.
Zum Schluss muss ich Ihnen noch eine traurige Mitteilung machen. Die größten Kursverluste in Ihrem Portefeuille erlitten in diesem Quartal Applied Micro Circuits (minus 78 Prozent), Network Appliance Inc. (minus 74 Prozent) und Qlogic Corp. (minus 71 Prozent). Aber sie sind immer noch recht hoch bewertet, so dass wir hier noch warten können, bevor wir hinzukaufen.
Hoffen wir auf mehr Glück im nächsten Quartal. Wann kann ich Sie mal wieder zum Essen einladen?
Mit freundlichen Grüßen Ihr Portfolio-Manager
Boston, 4. April (Bloomberg) - Gerade ist das erste Quartal zu Ende und viele Fondsmanager zermartern sich jetzt das Hirn, wie sie ihren Kunden die Entwicklung in den ersten drei Monaten erklären sollen. John Dorfman, Kolumnist bei Bloomberg News und Präsident der Vermögensverwaltung Dorfman Investments in Boston,hat so einen Quartalsbericht an einen imaginären Kunden mit dem Namen Mr. Standard N. Poor verfasst, sozusagen die Personifizierung des amerikanischen Aktienindexes Standard & Poor's 500. Der Brief lautet: Sehr geehrter Mr. Poor,
leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie jetzt wesentlich ärmer sind als noch vor drei Monaten. In dem abgelaufenen Quartal hat Ihr Portefeuille 11,8 Prozent an Wert eingebüßt. Aber es hätte noch schlimmer kommen können. So hat ein anderer Kunde, Mr. Nasdaq, der all sein Geld in die amerikanische Technologiebörse gesteckt hat, im letzten Quartal 26 Prozent verloren. Und vergessen Sie auch nicht die guten Zeiten, die wir erlebt haben. Erinnern Sie sich noch an das vierte Quartal 1999, als Sie Kurssteigerungen von 14,8 Prozent verbuchen konnten? Oder das vierte Quartal 1998 mit fetten Kursgewinnen von 21 Prozent? Was ist da schon ein Verlust von 11,8 Prozent?
Es ist ja auch nicht so, dass ich ständig mit Ihrem Geld soviel Miese mache. Es liegt mehr als zehn Jahre zurück, dass ein Quartal so schlecht wie jetzt war. Im dritten Quartal 1990 büßten Sie 13,7 Prozent ein. Damals litten wir unter einer Rezession, und die Bären hatten das Kommando an der Börse übernommen. Heute haben wir auch einen Bärenmarkt, und meiner Meinung nach befinden wir uns mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent in der Anfangsphase einer Rezession.
Sie können auch nicht sagen, dass es in ihrem Portefeuille keine Kursgewinner gibt. Schauen Sie sich nur Advanced Micro Devices Inc. mit einem Plus von 92 Prozent an. Die Gesellschaft versteht es sehr gut, ihre neuen, schnelleren Chips für billige PCs zu verkaufen und konnte dem Rivalen Intel Corp. Marktanteile wegschnappen. Und gewiss haben Sie sich auch über die Kurssteigerungen von 86 Prozent bei Dillard's Inc. und von 77 Prozent bei Kmart Corp. gefreut. Die Einzelhandelswerte hatte es im letzten Jahr so nach unten geprügelt, dass es einfach Zeit für eine Kurserholung war. Aber selbst nach der Kursverdoppelung in den letzten sechs Monaten wird Dillard's immer noch billiger gehandelt als 1998.
Apropos 1998: Ihr Portefeuille hat jetzt ungefähr den Wert von vor drei Jahren. Aber sehen Sie doch das Positive darin: Es lohnt sich jetzt viel mehr, Aktien zu kaufen als vor einem Jahr, als die Kurse auf ihrem Gipfel waren. Zugegebenermaßen, die Verlierer übertrafen im letzten Quartal die Kursgewinner. Von den 500 Werten in ihrem Portfolio (ich beobachte jeden einzelnen mit Argusaugen, seien Sie unbesorgt), lagen 173 im Plus, 326 im Minus und einer war unverändert.
Die größte Branche in Ihrem Portefeuille ist immer noch der Technologiesektor. Allerdings hat sich die Euphorie der Anleger für die ,High-Tech-Werte" gelegt, diese sind jetzt in Ungnade gefallen. Daher haben wir ihre Technologiegewichtung von 30 Prozent auf 18 Prozent zurückgefahren, nur noch leicht über der Gewichtung des Finanzsektors. Die Technologiewerte waren im ersten Quartal mit minus 25 Prozent das Schlusslicht in Ihrem Portefeuille. Der Sektor Gesundheitsfürsorge büßte 15 Prozent ein und Investitionsgüterhersteller verloren 14 Prozent. Von den elf Sektoren in Ihrem Portfolio lag nur einer im Plus. Die konjunkturempfindlichen Konsumwerte stiegen um 0,6 Prozent.
Ihr größter Posten ist zur Zeit General Electric Co., in dem 4 Prozent Ihres Kapitals stecken. Ich muss zugeben, ich mache mir etwas Sorgen, dass der begnadete Unternehmenskapitän Jack Welch dieses Jahr zum letzten Mal das Unternehmensschiff lenkt. Ihr zweitgrößtes Engagement ist mit einem Anteil von 2,8 Prozent Microsoft Corp. Mit einem KGV von 31 ist Microsoft angemessen bewertet. Jedoch neigt die Börse zu Übertreibungen, wenn es mit den Kursen rauf oder runter geht. Gegenwärtig notiert Microsoft bei 56 Dollar, Ende 1999 lag die Aktie noch bei 116,75 Dollar.
An dritter Stelle rangiert Exxon Mobil Corp. mit einem Anteil von 2,7 Prozent. Der Konzern schwimmt auf der neuen Energiewelle, die Energiekrise hat wohl mittlerweile jeder mitbekommen. 2,5 Prozent Ihres Portefeuilles sind in Ihrem viertgrößten Posten, Pfizer Inc. investiert. Zwar ist die Pharma-Aktie auf 39,97 Dollar gesunken, wird aber immer noch zum 39fachen des Gewinns gehandelt. Daher lauern hier einige Kursrisiken, sollte es auch nur minimale Enttäuschungen geben. Ihr viertgrößtes Engagement ist Wal-Markt Stores Inc. Ich muss zugeben, dass das KGV von 35 doch etwas hoch ist, wenn die Analysten für die nächsten fünf Jahre ein jährliches Gewinnwachstum von 15 Prozent erwarten.
Zum Schluss muss ich Ihnen noch eine traurige Mitteilung machen. Die größten Kursverluste in Ihrem Portefeuille erlitten in diesem Quartal Applied Micro Circuits (minus 78 Prozent), Network Appliance Inc. (minus 74 Prozent) und Qlogic Corp. (minus 71 Prozent). Aber sie sind immer noch recht hoch bewertet, so dass wir hier noch warten können, bevor wir hinzukaufen.
Hoffen wir auf mehr Glück im nächsten Quartal. Wann kann ich Sie mal wieder zum Essen einladen?
Mit freundlichen Grüßen Ihr Portfolio-Manager