Im Reich des Mittelstands

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Im Reich des Mittelstands

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21.07.01 07:52

Im Reich des Mittelstands


Von Christoph Keese

Die Vertrauenskrise am Neuen Markt hat die Anleger vorsichtig gemacht, aber nicht von der Börse vertrieben. Gebremst wird der Aufstieg der Aktie jetzt vor allem vom mangelnden Angebot an guten Papieren.

Auf dem Höhepunkt der Börseneuphorie wurde Paul Krugman, Professor am Massachusetts Institute of Technology, gefragt, ob asiatische Aktien bessere Ergebnisse bringen würden als amerikanische. Krugman antwortete: "Sie werden mehr Geld damit verdienen, Konservenbüchsen in Ihrem Keller zu lagern, als mit amerikanischen Aktien." Kurz darauf schrieben Andrew Smithers und Stephen Wright in ihrem Klassiker "Valuing Wall Street": "Stecken Sie Ihr Geld nicht in Aktien. Was Sie stattdessen damit machen, ist zweitrangig. Hauptsache ist, Sie bringen es nicht an die Börse."


Lug und Trug


Wer diesen Ratschlägen folgte, hatte Glück. Seit März 2000 hat keine andere Anlage so viel Geld gekostet wie Aktien. Allein am Neuen Markt wurden seitdem knapp 200 Mrd. Euro abgezogen oder vernichtet. Was bedeutet dieser traumatische Verlust von Vermögen für die Aktienkultur? Wird das Vertrauen der Deutschen zurückkehren, oder ist die Aktie auf Dauer diskreditiert? Werfen Lug und Trug am Neuen Markt das Land zurück in eine Vorzeit, in der es die T-Aktie noch nicht gab und das Sparbuch als kluge Investition galt? Flüchten die Anleger wirklich in Sachwerte?


Die Datenlage lässt zwei Schlüsse zu. Erstens: Selbst nach der Vertrauenskrise an der vermeintlichen Wachstumsbörse wird der Aktienbesitz in deutschen Haushalten weiter steigen. Der Nachholbedarf im internationalen Vergleich ist so groß, dass selbst der Crash die Verbreitung der Aktien nicht aufhalten kann. Und zweitens: Die Geschwindigkeit, mit der deutsche Anleger Aktien für sich entdecken, wird durch die Krise massiv gedrosselt.



Deutschland im Rückstand


Aufstieg und Fall des Neuen Marktes, Börsenboom und Crash haben weitaus weniger Einfluss auf den Aktienbesitz in Deutschland gehabt als man vermuten würde. 1996 hielten sechs Prozent der Bürger Aktien, heute sind es 9,7 Prozent. Das ist immerhin eine Steigerung um mehr als die Hälfte. Trotzdem liegt Deutschland damit im internationalen Vergleich noch weit zurück. In den USA beträgt die Quote rund 25 Prozent. Australien und Kanada schaffen 40 Prozent, selbst wertkonservative europäische Länder wie Griechenland und Spanien begeistern zwischen einem Viertel und einem Drittel ihrer Bürger für Aktien.

Zahl der Aktionäre in Deutschland
 
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Deutschland holt auf, aber im internationalen Vergleich nimmt sich die Aktionärsquote immer noch sehr bescheiden aus.

 
Den 50-Prozent-Schub verdanken die hiesigen Börsen vor allem zwei Ereignissen: der Telekom-Emission und der Neuen Markt-Gründung. Beides trieb die Zahl der Aktionäre jeweils um 20 Prozent nach oben. Die Börsengeschichte auch aus anderen Ländern lehrt, dass es solche kollektiven Vertrauenserlebnisse sind, die Aktien im Bewusstsein eines Volkes verankern. Selbst herbe Rückschläge zerstören das Grundvertrauen dann nicht mehr.



Warten auf bessere Zeiten


Seit dem Crash kommen in Deutschland jedoch kaum noch neue Aktionäre hinzu. Allerdings löste der Absturz auch keine Massenflucht aus. Im katastrophalen zweiten Halbjahr 2000 gab es nicht weniger Wertpapierbesitzer als im ersten - vermutlich auch deshalb, weil die Anleger auf ihren Verlusten saßen, nicht aussteigen wollten und auf bessere Zeiten warteten.


Der Crash hat eine Stagnation der Aktienkultur bewirkt, aber keine grundsätzliche Vertrauenskrise. Vieles spricht dafür, dass die Aktionärsquote wieder steigt, wenn vom Parkett gute Nachrichten kommen. Doch es wird lange dauern, bis Deutschland die USA einholt: Wenn das Vertrauen in die Aktie im Tempo der letzten fünf Jahre weiterwächst, braucht der Prozess zwanzig Jahre.



Vertrauen braucht Zeit


Wenig spricht dafür, dass es schneller gehen könnte. Mehr Aktienbesitz wäre zwar gut für den Umbau der Deutschland AG und die private Altersvorsorge. Doch Vertrauen braucht Zeit. Um überhaupt amerikanisches Aktionärsniveau zu erreichen, müssen in den nächsten beiden Jahrzehnten alle zwei bis drei Jahre Börsenwunder wie die Telekom-Emission oder die Neuer-Markt-Gründung geschehen. Nur solche Schübe bringen die Aktie weiter. Bleiben sie aus, dümpelt die Verbreitungsquote vor sich hin.


In den USA war das nicht anders: Mehr als hundert Jahre lang und fast kontinuierlich wuchs die Aktie ins öffentliche Bewusstsein hinein. Die Aktionärsquote stieg dort nicht schneller, sondern langsamer als bei uns. Deutschland holt diese Entwicklung nun im Zeitraffer nach und macht so den Rückstand wett, in den das einstige Aktienboomland der Jahrhundertwende durch Weltkriege, Inflationen, politische Teilung, Sozialismus und rheinischen Korporatismus geworfen wurde.



Trend Investmentfonds


Mit einem Trend allerdings liegen die Deutschen vorn: mit ihrer Vorliebe für Investmentfonds. Die Zahl der Fondsbesitzer legte von 1997 bis heute fast auf das Vierfache zu. Zählt man Aktien- und Fondsbesitz zusammen, hat jeder Fünfte direkt oder indirekt mit der Börse zu tun. In den USA ist es zwar jeder Zweite, doch dort steigt die Kurve der Fondsbesitzer längst nicht so steil an.


Deutschland holt nach dem Muster auf, mit dem Entwicklungsländer Anschluss an Industriestaaten gewinnen: Sie überspringen eine ganze Stufe. In vielen Schwellenländern gibt es seit Jahren mehr Handys als Festnetz-Telefone, weil die Handy-Technik das Verlegen teurer Kabel überflüssig macht. Deutsche Anleger verhalten sich ähnlich: Sie umschiffen Aktien und landen gleich in Fonds. Weil sie später als die Amerikaner angefangen haben, begreifen sie früher, dass Fonds ihr Geld besser managen können als sie selbst.



Tapfere Anleger


Die Nachfrageseite verhindert in Deutschland also keineswegs die Verbreitung der Aktie. Im Gegenteil: Eine Mehrzahl der Anleger wartet die Krise tapfer ab, sehr viele haben den strategischen Wert der Investmentfonds begriffen.


Wichtigster Bremsfaktor für die Aktie ist vielmehr das Angebot. Was fehlt, sind Qualitätsunternehmen, die an die Börse gehen. Im Mai wurden außerhalb des Freiverkehrs gerade einmal 983 Firmen notiert, darunter die vielen Pleite-Kandidaten des Neuen Markts. Ganz anders die Zahlen der Wall Street: Allein die Nasdaq bringt es auf 4436 Werte, der New York Stock Exchange führt noch einmal 2429. Selbst Madrid schafft 1219. Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas handelt nur ein Drittel so viel Unternehmen an der Börse wie die Briten. Selbst wenn die Anleger es wollten, könnten sie also nicht viel mehr Geld zur Börse tragen. Täten sie es trotzdem, würden sie ein weiteres Mal die Kurse aufblasen und auf einen Crash zusteuern.


Durch die Angebots-Knappheit vermögen die deutschen Aktiengesellschaften nur acht Prozent des Kapitals zu binden, das amerikanische Firmen eingesammelt haben. Ein absurd niedriger Wert: Es gibt dreimal so viele Amerikaner wie Deutsche, doch an den US-Börsen liegt zwölfmal so viel Geld. Amerika hat das 1,5fache seines Bruttosozialproduktes in Aktien investiert, Deutschland nur etwas mehr als die Hälfte. Nach wie vor ist Deutschland fest in den Händen des Mittelstands, und der geht nicht schnell genug an die Börse. So lange sich das nicht ändert, wird die Aktie auch nicht schneller Fuß fassen. Falls das Emissionstempo nicht steigt, wird es Jahrzehnte dauern, bis Deutschland den Rückstand aufholt.

chartgranate:

liebe Moderatoren

 
21.07.01 09:38
Arbeiter´s Thread ist meiner Meinung nach sehr informativ (danke Arbeiter)und hätte dafür einen grünen verdient.Ich will diesen Sternehype und die endlose Diskussion nicht mitmachen,aber hin und wieder sollte ein solcher Hinweis erlaubt sein um die Sternekultur (und ich halte dieses Instrument für gut)positiv stützen zu können.Jede berechtigte Sternenvergabe stärkt dieses Instrument wieder.....
Arbeiter:

@chartgranate

 
21.07.01 14:29
Danke für die Blumen :-), aber der Bericht ist bloß kopiert.
Bin ansonsten nicht wild auf irgendwelche Bewertungen.
Hätte ich das Sagen über dieses Börsenforum wäre das System anders.

Schönes Wochenende Gruß
Arbeiter
chartgranate:

@Arbeiter

 
21.07.01 14:58
Bloss kopiert?Na und,machen viele andere genauso und deswegen plädiere ich ja für "Informativ" und nicht "gut analysiert".Entscheidend für diese Bewertung ist doch,ob Du interessante und informative Beiträge ins Board stellst welche für Leser wie mich wiederum Interessant und informativ zu lesen sind.Wo diese Beiträge dann herkommen ist doch wurscht,Du entdeckst sie und übermittellst sie dem board,wovon dieses wieder partizipiert.....
Ausserdem sind mit wirklich sinnvolle aber kopierte Beiträge wesentlich lieber als so mancher Müll der hier ,auf so manch dubiosem Geisteshumus basierend ,ins board gestellt wird.
Ich finde das Bewertungssystem und seinen Ansatz gut und richtig,es müsste zum einen nur noch ein weniger differenzierter gestaltet werden und zum anderen vor allem hin und wieder mit mehr Sinn und Verstand angewandt werden,dann gäbe es diese unsäglichen Diskussionen darüber nicht,welche hier ständig geführt werden und ich jetzt auch hoffentlich nicht mit diesem Posting erneut aufflammen lasse.... und deshalb
ein tolles Wochenende auch für Dich und geniess das Wetter wo immer Du auch sein mögst.....
Ciao
Chartgranate
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