HP-COMPAQ: Die Wall-Street-Geier lauern schon

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HP-COMPAQ: Die Wall-Street-Geier lauern schon

 
15.03.02 19:56
Am Dienstag stimmen die Aktionäre von Hewlett-Packard darüber ab, ob das Unternehmen mit dem PC-Hersteller Compaq zusammengehen soll. Die Börse wettet, dass die Fusion in die Hose geht.

HP-COMPAQ: Die Wall-Street-Geier lauern schon 610069
Geier: Hedge-Fonds und Arbitrageure spekulieren darauf, dass Carly auf die Nase fällt
 
Hamburg - Börsianer und Finanzjournalisten haben eine neue Leidenschaft, die man bisher eher bei politischen Kommentatoren vermutete: Sie zählen Stimmen. Fast täglich gibt ein Fonds oder eine Bank bekannt, auf welche Seite er sich am Dienstag schlagen wird - ständig werden neue Analysen erstellt. Kann Carlton "Carly" Fiorina die HP-Aktionäre von ihrem "PC-Mega-Merger" überzeugen? Oder setzt sich ihre Nemesis, der Gründerenkel Walter Hewlett, durch und bringt die Fusion doch noch zu Fall?
Sicher ist nur: Nichts Genaues weiß man nicht. Zwar haben etwa die Anlegerberatungsgesellschaft Institutional Shareholder Services (ISS) und die Banc of America erklärt, sie rieten Anlegern, für respektive gegen die Fusion zu stimmen. Völlig unklar ist allerdings, ob die von den beiden Unternehmen vertretenen Einzelaktionäre den Empfehlungen folgen werden. Nach der neuesten "Stimmzählung" der Nachrichtenagentur Reuters kommen jene HP-Aktionäre, die gegen die Fusion sind, auf 20,61 Prozent der Stimmen. Die Fusionsbefürworter liegen derzeit bei 8,2 Prozent.

So präzise wie Wahlkampfberichterstattung

Die auf Daten von Thomson Financial ShareWatch basierende Analyse bezieht allerdings nur jene Aktien ein, deren Eigentümer sich bereits definitiv für die eine oder die andere Seite ausgesprochen haben. Weitere zehn Prozent der Stimmen liegen in den Händen von Fondsmanagern, die von ISS beraten werden - und der Fusion vermutlich zustimmen werden. Vermutlich.

Letztlich sagt die Reuters-Umfrage somit überhaupt nichts aus und ist noch weniger erhellend als die in der Politik beliebten Sonntagsfragen. Für viele Börsianer ist das Stochern im Nebel eine völlig neue Erfahrung. Normalerweise bekommen sie klar bezifferbare Gewinnprognosen oder Discounted-Cashflow-Analysen auf den Tisch. Dass diese häufig genauso wertlos sind wie sozialwissenschaftliche Umfragen, tröstet statistikfixierte Wirtschaftsmenschen vermutlich kaum.

Compaq ist viel zu billig

Zumindest die Börse liefert eine klare Antwort auf die Frage, wie die Chancen für HP-Compaq stehen: nicht besonders gut. Das zeigen die Aktienkurse von HP  und Compaq  . Wenn die Fusion zu Stande kommt, erhalten Compaq-Aktionäre für jede ihrer Aktien 0,6325 HP-Anteile. Da HP gestern in New York bei einem Kurs von 19,40 Dollar schloss, müsste eine Compaq-Aktie 19,40 mal 0,6325 Dollar gleich 12,27 Dollar wert sein. Tatsächlich kosteten Compaq-Papiere gestern Abend 10,70 Dollar - etwa 13 Prozent weniger. Wer jetzt Compaq-Aktien kauft, könnte binnen Tagen einen beachtlichen Schnitt machen - wenn die Fusion zu Stande kommt.

Wäre die Börse von der Fusion überzeugt, wäre die Kursdifferenz deutlich geringer. Bei Unternehmenszusammenschlüssen, die als sicher gelten, spürt nämlich eine ganze Horde so genannter Merger-Arbitrageure Bewertungsunterschiede auf, die ein Geschäft versprechen - und schließt durch Aktienkäufe oder -verkäufe die bestehende Kurslücke.

Ein weiteres Indiz für den Pessimismus der Wall Street: Leerverkäufe von HP-Aktien. Mit dieser auch Short-Selling (siehe Beispiel) genannten Strategie können Börsianer auf fallende Kurse spekulieren. Geht die HP-Compaq-Fusion in die Hose, dann gilt es als ausgemachte Sache, dass der HP-Kurs ins Bodenlose fällt. Offenbar wetten viele Hedge Fonds auf dieses Szenario: 5,18 Prozent aller umlaufenden HP-Aktien sind derzeit leer verkauft - ungewöhnlich bei einer Aktie, die in den vergangenen 52 Wochen bereits mehr als ein Drittel ihres Wertes verloren hat - HPs Short-Anteil ist damit fast dreimal so hoch wie der des Konkurrenten Dell.

Aber auch Short-Seller können sich irren.

IM INTERNET
 
·  HPs Pro-Fusions-Website

·  Walter Hewletts Anti-Fusions-Website


Happy End:

Showdown bei Compaq

 
16.03.02 21:55
Zwei Tage noch. Dann entscheiden die Hewlett-Packard-Aktionäre, ob Compaq gekauft werden soll - oder nicht
 
Zwei Tage noch, dann ist endlich wieder Ruhe. Keine giftigen Interviews mehr auf allen Kanälen, keine beleidigenden doppelseitigen Anzeigen, keine Gutachten und Gegengutachten, keine tendenziösen Briefe an Investoren. Am Dienstag und Mittwoch stimmen die Aktionäre von Hewlett Packard (HP) ab: Kaufen oder nicht Kaufen? Thema durch.

HP-Chefin Carleton "Carly" Fiorina, 47, drehte vergangene Woche ihre letzte Runde von Konferenzen, Reden und Interviews, um final zu werben für den größten Deal ihrer Laufbahn. 22,7 Milliarden Dollar will sie auf den Tisch legen, den Computerhersteller Compaq übernehmen und ihren Konzern vom zweitgrößten zum größten Computerkonzern der Welt machen (Umsatz: rund 100 Milliarden Euro). Compaq-Chef Michael Capellas will das auch, ist aber eher still. Walter Hewlett, 57, Sohn eines der Firmengründer, Mitglied im HP-Aufsichtsrat und Fiorina-Feind, will das nicht. So viel ist klar. Was jedoch auch zwei Tage vor Schluss noch immer nicht klar ist: Was wollen die 900.000 HP-Aktionäre?

Die einflussreiche Anlageberatung Institutional Shareholder Services (ISS) empfahl nach einem Kamingespräch ein Ja zur Fusion. Punktsieg Fiorina. Doch dann meldete Calpers, der größte US-Pensionsfonds, dass er ein Nein plane, vergangenen Montag bekannte sich gleich auch die Wells Fargo Bank, Nummer fünf in den USA, zum Nein, Mittwoch zog die Bank of America, viertgrößter HP-Investor, nach. Und schließlich ist auch keineswegs sicher, wie viele der institutionellen Anleger dem ISS-Rat folgen werden. Alles wieder offen.

"Es ist wie beim Pferderennen", sagt Merrill-Lynch-Analyst Steven Milunovich. Ein Rennen allerdings, bei dem die meisten der großen HP-Investoren für sich behalten, auf welches Pferd sie setzen. Würde bei dem größten Merger in der Technologie-Geschichte wirklich ein Computer-Gigant entstehen oder nur das nächste Fusions-Desaster? Die Antwort, so scheint es, ist Glaubenssache.

Und was sich derzeit vor den Augen der Terror- und Enron-geplagten amerikanischen Öffentlichkeit abspielt, könnte sicher als eine Art von Glaubenskrieg bezeichnet werden, allerdings als einer mit endlich mal wieder hohem Unterhaltungswert. Eine Soap-Opera, wie HP-Boss Fiorina selbst sagt. Fortsetzung täglich.

Nach anfänglich noch vorsichtiger Diplomatie schlagen die Kontrahenten mittlerweile ohne Rücksicht auf Verluste aufeinander ein. Eine Flut von Aktionärsbriefen, Anrufen und persönlichen Besuchen bei Investoren, Pressemitteilungen, Interviews, TV-Auftritten und großen Zeitungsannoncen - beide versuchen, den Gegner zu diskreditieren und die Anleger auf ihre Seite zu ziehen.

Der 57-jährige Hewlett, der eigentlich wie Fiorina klassische Musik liebt und ein begabter, zehn Instrumente spielender Musiker ist, macht kulturell ganz unverfeinert die als Vorzeigemanagerin geschätzte Fiorina offen als Lügnerin und Versagerin nieder und wirft ihr vor, sich mit dem Deal vor allem selbst bedienen zu wollen. Von 115 Millionen Dollar ist die Rede. Und Fiorina kontert: Hewlett sei ein rückständiger und weltfremder Trottel, der sich lieber der schönen Literatur und seinem Cellospiel widmen sollte, statt ahnungslos ins Geschäftemachen zu pfuschen.

HP präsentiert Meinungsumfragen, nach denen die Beschäftigten des Konzerns sich über die Fusion freuen, Hewlett belegt mit Studien das genaue Gegenteil. Fiorina interpretiert die einstimmige Genehmigung des Deals durch die Kartellbehörden als Zeichen dafür, mit ihrer Strategie auf dem richtigen Weg zu sein, ihr Widersacher Hewlett höhnt, umgekehrt werde ein Schuh daraus: "Es sollte den Aktionären doch zu denken geben, wenn weder die Behörden noch die Konkurrenten, weder Sun noch Dell noch IBM, etwas gegen eine Fusion einzuwenden haben, die angeblich den Wert von HP steigert."

Sorgen machen sich Walter Hewlett und die anderen Nachkommen der Firmengründer, die zusammen 18 Prozent der Anteile halten, vor allem, weil der Compaq-Zukauf ausgerechnet die ohnehin schon margenschwache PC-Sparte von HP ausweiten würde durch das margenschwache PC-Geschäft von Compaq. Die notwendigen Quersubventionen, glauben die Gegner des Deals, würden den Profit von HPs Kronjuwel, dem Druckergeschäft, schmälern. Hewletts Fazit: "Ein 25-Milliarden-Dollar-Fehler ist nicht der Stil von HP." Ohnehin sei HPs Firmenwert unter Fiorinas Führung bereits um mehrere Milliarden zusammengeschmolzen, moniert er, der reiche Erbe, der mehr als 30 Millionen Dollar für den Kampf gegen die Fusion aus den Mitteln der Familienstiftung verpulvert hat. Eigenmächtig ist er sogar schon auf die Suche nach einem Nachfolger für seine ungeliebte Fiorina gegangen. Angeblich hat er sogar dem früheren HP-Chef Lew Platt den Interimsvorstandsvorsitz angedient. Und das, obwohl Platt als zwar solider, dafür aber auch verschlafener Typ gilt, der es versäumt hatte, HP auf die neuen Marktbedingungen im Internet-Zeitalter auszurichten. Genau der Fehler, den Carly Fiorina mit ihrem gigantischen Fusionsvorhaben jetzt glatt bügeln will.

Sie sieht durch Übernahme die Marktführerschaft auch im Bereich der lukrativen IT-Dienstleistungen und träumt davon, als Komplettanbieter von Software, Hardware und Services das so erfolgreiche Konzept vom IBM zu kopieren; Schwäche, so glaubt sie, könne durch Größe ausgeglichen werden. Fiorina rechnet Synergien samt möglichem Sparpotenzial von 2,5 Milliarden Dollar jährlich vor. Auch die Bank of America Securities hat gerechnet und glaubt, dass der Gewinn einer gemeinsamen HP/Compaq 2003 um 30 Prozent auf 5,6 Milliarden Dollar hochschnellen werde, der von HP allein dagegen nur um zehn Prozent auf 3,4 Milliarden Dollar. Wenn der Post-Merger-Integrationsprozess reibungslos verlaufe.

Wenn. Denn auch für den Fall, dass die Aktionäre beider Firmen die Vereinigung kommende Woche billigen sollten, dürften die Probleme erst richtig anfangen. Wie viele seiner Kollegen auch hegt Peter Kastner, Chef-Analyst der IT-Marktforschung Aberdeen Group, Zweifel daran, dass die Vereinigung der beiden Konzern-Giganten mit ihren unterschiedlichen Kulturen und starken Traditionen so glatt laufen dürfte, wie sich Carly Fiorina das wünschen mag. "Sicher, im ersten halben Jahr kräftig die Kosten zu drücken ist nicht allzu schwer", so Kastner. "Aber danach auf lange Sicht Marktanteile zu erkämpfen, während sich die Firma selbst neu erfindet, das ist ein Balanceakt, der nur ganz wenigen gelingen dürfte." Die Ratingfirma Standard & Poor's zumindest traut das Carly Fiorina offenbar nicht so recht zu. S&P hat gerade ihr Kreditrating für HP herabgestuft - mit Verweis auf die zu erwartenden Risiken bei der Integration.

Die HP-Chefin indes ist siegessicher: Eine halbe Millionen Arbeitsstunden haben ihre Leute in die Vorbereitung der Fusion gesteckt, was den Deal zu einem der am ausgiebigsten geplanten macht. Sie hat schon neue Briefköpfe drucken lassen, eine neue Website entworfen und bereitet gerade die Fusions-Feier für den ersten April vor. Für den Fall, dass die HP- und Compaq-Aktionäre am Dienstag und Mittwoch gegen die Fusion stimmen, hat sie allerdings auch schon ihre Koffer gepackt. So oder so: Sie wird wieder ihre Ruhe haben.
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