SPIONAGESKANDAL BEI HP
"Abschaum und Halunken"
Per E-Mail geköderte Journalisten, durchwühlte Mülltonnen, überwachte Manager: Eine Anhörung im US-Kongress förderte haarsträubende Details des Spionageskandals beim Computerkonzern Hewlett Packard ans Licht. Die Verantwortlichen wollen von nichts gewusst haben.
Sein Name war Jacob Goldfarb. Er stellte sich als Manager beim Computerkonzern Hewlett-Packard (HP) vor, der die "generell schlechte Behandlung" durch seine Chefs leid sei. Dann versprach er der Reporterin Dawn Kawamoto vom Wirtschaftsdienst CNET News Insider-Informationen über geplante Geschäfte und Produkte des Technologiegiganten.
Die erste verführerische E-Mail erreichte Kawamoto am 26. Januar dieses Jahres. Es folgten weitere, in denen Goldfarb von einem neuen PDA aus seinem Hause sowie einem Deal mit dem IT-Unternehmen CSC plauderte. Ob sie nicht darüber schreiben wolle?
Das Problem an der Sache: Der konspirative Mr. Goldfarb existierte nicht. Er war eine Erfindung der HP-Rechtsabteilung. Mit der E-Mail - bei Hackern als "Phishing" bekannt - versuchte das Traditionshaus der Adressatin eine elektronische Wanze auf den Computer zu schmuggeln. Es wollte herausfinden, mit wem die IT-Reporterin wirklich kommunizierte. "Sehr clever", lobte HP-Verwaltungsratschefin Patricia Dunn den anrüchigen Trick damals.
Eine dumme Bemerkung, die die inzwischen geschasste Dunn gestern klamm zurücknahm. Sie tat das vor den Augen der Nation, als sie im US-Kongress damit konfrontiert wurde. "Ich bedauere das Wort clever", murmelte sie, in ihrem mausgrauen Kostüm versinkend - und bestätigte dann zugleich aber, wiewohl nur im Kreuzverhör, diese und andere Unerhörtheiten, über die man bisher nur gemunkelt hatte.
Mülltonnen nach Informationen durchwühlt
Ein bezeichnender Moment. Über sieben Stunden lang nahm der Handelsausschuss des Repräsentantenhauses das Top-Management von HP in die Zange, um den schlimmsten Spionageskandal in der Geschichte des Silicon Valley aufzuklären. Die Verantwortlichen, allen voran Dunn und Vorstandschef Mark Hurd, versuchten sich dabei ölig um jede Schuld herumzureden.
Doch die miesen Methoden konnten sie nicht länger leugnen. Schlimmer noch: Demnach waren - und sind - derlei Big-Brother-Praktiken nicht die Ausnahme. Sondern eher die Regel.
Kein Wunder, dass die Wall Street einen Tag lang gebannt auf Washington starrte. Dort verlangten die Politiker erbost Rechenschaft, wie HP, eine Ikone der US-Wirtschaft, sich so herablassen konnte: Angestellte wurden bespitzelt, Journalisten beschattet, Direktoren die Mülltonnen nach kompromittierenden Informationen durchwühlt. "Abschaum und Halunken", bellte der demokratische Abgeordnete Jay Inslee an einer Stelle die Zeugen an. "Zwielichtige Halunken!"
Dabei hatte der Skandal, der bisher vier Top-Managern den Job gekostet hat, mit einem Problem begonnen, das viele Unternehmen kennen. Irgendjemand bei HP lancierte Firmen-Interna an die Presse. Woraufhin der HP-Verwaltungsrat seine Vorsitzende Dunn beauftragte, die "undichte Stelle" zu finden.
Beschattung der Gattin in Italien
Was dann kam, ist ein zweitklassiger Krimi. Dunn benannte den Fall nach ihrem letzten Urlaubsort auf Hawaii: "Operation Kona." Die exorbitanten Details, die da gestern ans Licht kamen, schockten selbst die, unter deren Augen sie abliefen. "Ich habe schon viel in meiner Karriere erlebt", sagte Hurd und blickte demonstrativ über seine Halbbrille. "Doch so etwas habe ich sicher noch nie gesehen."
Das so genannte "Pretexting" - die vielerorts illegale Beschaffung persönlicher, vertraulicher Telefondaten durch Privatdetektive - war da nur der Anfang. Eine Power-Point-Präsentation von HP ("Update zu Ermittlungsaktivitäten"), die der Ausschuss triumphierend präsentierte, enthüllte noch viel Haarsträubenderes.
Spione, die beim "Wall Street Journal" eingeschleust werden sollten. Die Überwachung eines HP-Direktors bei einer Rede in Colorado. Die Beschattung seines Ferienhauses in Italien und seiner Gattin in Griechenland, samt Fotos. Und natürlich die E-Mail an Reporterin Kawamoto, via einem falschen Hotmail-Konto und mit einem "Tracer" in der Anlage, einer Spitzel-Software. "Das war und ist weiter aktuelle Praxis", sagte der HP-Sicherheitsbeauftragte Fred Adler. Bisher habe er dies "ein, zwei Dutzend Mal" angewendet.
Kultur von Angst und Misstrauen
Doch die Chefs wollten davon nichts gewusst haben. Zehn vorgeladene Zeugen verweigerten die Aussage, darunter HP-Chefjuristin Ann Baskins, die am Vorabend zurückgetreten war. Firmenchef Hurd entschuldigte sich zwar bei allen Betroffenen und seiner gesamten Belegschaft. "Es gibt keine Entschuldigung", sagte er. Doch auf die Frage, ob er selbst die besagten Spitzelmethoden gebilligt habe, antwortete er jedes Mal resonant: "Nein."
Dunn wiederum schob den schwarzen Peter zurück zu Hurd und berief sich auf Naivität: "Wenn ich gewusst hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich es ganz anders gemacht." So sagte sie zur Ausspionierung privater Telefonate: "Ich dachte, diese Daten seien frei verfügbar." Und dann: "Ich übernehme keine persönliche Verantwortung für das, was geschehen ist."
Worte, die der Ausschuss dem langjährigen Führungsteams eines IT-Molochs wie HP nur schwer abnehmen konnte. Die Schelte der Abgeordneten war einmütig: "Inakzeptabel", "frevelhaft", "beleidigend", "ein trauriger Tag", "Arroganz, in grobe Dummheit gekleidet."
"Wir haben eine offene Stelle"
Nur die Demokratin Jan Schakowsky erinnerte daran, dass sie nebenan im Plenum gerade den Wunsch des Präsidenten debattierten, alle US-Bürger ohne Gerichtsgenehmigung abzuhören. HP füge sich damit nahtlos in die derzeitige "Kultur" von Angst und Misstrauen ein.
Der Wall Street gefiel das Spektakel offenbar. Der HP-Kurs stieg zum Ende des Tages auf 35,97 Dollar an - knapp am Jahreshoch vorbei. "Hurd hat gute Schadensbegrenzung geleistet", kommentierte der Wirtschaftssender CNBC.
Zum Ende fragte die Republikanerin Masha Blackburn Hurd, wer denn mittlerweile die Ermittlungsabteilung bei HP leite. "Wir haben eine offene Stelle", gab der seelenruhig zurück. "Wir suchen einen qualifizierten Kandidaten."
Quelle: spiegel.de
Euer
Einsamer Samariter
"Abschaum und Halunken"
Per E-Mail geköderte Journalisten, durchwühlte Mülltonnen, überwachte Manager: Eine Anhörung im US-Kongress förderte haarsträubende Details des Spionageskandals beim Computerkonzern Hewlett Packard ans Licht. Die Verantwortlichen wollen von nichts gewusst haben.
Sein Name war Jacob Goldfarb. Er stellte sich als Manager beim Computerkonzern Hewlett-Packard (HP) vor, der die "generell schlechte Behandlung" durch seine Chefs leid sei. Dann versprach er der Reporterin Dawn Kawamoto vom Wirtschaftsdienst CNET News Insider-Informationen über geplante Geschäfte und Produkte des Technologiegiganten.
Die erste verführerische E-Mail erreichte Kawamoto am 26. Januar dieses Jahres. Es folgten weitere, in denen Goldfarb von einem neuen PDA aus seinem Hause sowie einem Deal mit dem IT-Unternehmen CSC plauderte. Ob sie nicht darüber schreiben wolle?
Das Problem an der Sache: Der konspirative Mr. Goldfarb existierte nicht. Er war eine Erfindung der HP-Rechtsabteilung. Mit der E-Mail - bei Hackern als "Phishing" bekannt - versuchte das Traditionshaus der Adressatin eine elektronische Wanze auf den Computer zu schmuggeln. Es wollte herausfinden, mit wem die IT-Reporterin wirklich kommunizierte. "Sehr clever", lobte HP-Verwaltungsratschefin Patricia Dunn den anrüchigen Trick damals.
Eine dumme Bemerkung, die die inzwischen geschasste Dunn gestern klamm zurücknahm. Sie tat das vor den Augen der Nation, als sie im US-Kongress damit konfrontiert wurde. "Ich bedauere das Wort clever", murmelte sie, in ihrem mausgrauen Kostüm versinkend - und bestätigte dann zugleich aber, wiewohl nur im Kreuzverhör, diese und andere Unerhörtheiten, über die man bisher nur gemunkelt hatte.
Mülltonnen nach Informationen durchwühlt
Ein bezeichnender Moment. Über sieben Stunden lang nahm der Handelsausschuss des Repräsentantenhauses das Top-Management von HP in die Zange, um den schlimmsten Spionageskandal in der Geschichte des Silicon Valley aufzuklären. Die Verantwortlichen, allen voran Dunn und Vorstandschef Mark Hurd, versuchten sich dabei ölig um jede Schuld herumzureden.
Doch die miesen Methoden konnten sie nicht länger leugnen. Schlimmer noch: Demnach waren - und sind - derlei Big-Brother-Praktiken nicht die Ausnahme. Sondern eher die Regel.
Kein Wunder, dass die Wall Street einen Tag lang gebannt auf Washington starrte. Dort verlangten die Politiker erbost Rechenschaft, wie HP, eine Ikone der US-Wirtschaft, sich so herablassen konnte: Angestellte wurden bespitzelt, Journalisten beschattet, Direktoren die Mülltonnen nach kompromittierenden Informationen durchwühlt. "Abschaum und Halunken", bellte der demokratische Abgeordnete Jay Inslee an einer Stelle die Zeugen an. "Zwielichtige Halunken!"
Dabei hatte der Skandal, der bisher vier Top-Managern den Job gekostet hat, mit einem Problem begonnen, das viele Unternehmen kennen. Irgendjemand bei HP lancierte Firmen-Interna an die Presse. Woraufhin der HP-Verwaltungsrat seine Vorsitzende Dunn beauftragte, die "undichte Stelle" zu finden.
Beschattung der Gattin in Italien
Was dann kam, ist ein zweitklassiger Krimi. Dunn benannte den Fall nach ihrem letzten Urlaubsort auf Hawaii: "Operation Kona." Die exorbitanten Details, die da gestern ans Licht kamen, schockten selbst die, unter deren Augen sie abliefen. "Ich habe schon viel in meiner Karriere erlebt", sagte Hurd und blickte demonstrativ über seine Halbbrille. "Doch so etwas habe ich sicher noch nie gesehen."
Das so genannte "Pretexting" - die vielerorts illegale Beschaffung persönlicher, vertraulicher Telefondaten durch Privatdetektive - war da nur der Anfang. Eine Power-Point-Präsentation von HP ("Update zu Ermittlungsaktivitäten"), die der Ausschuss triumphierend präsentierte, enthüllte noch viel Haarsträubenderes.
Spione, die beim "Wall Street Journal" eingeschleust werden sollten. Die Überwachung eines HP-Direktors bei einer Rede in Colorado. Die Beschattung seines Ferienhauses in Italien und seiner Gattin in Griechenland, samt Fotos. Und natürlich die E-Mail an Reporterin Kawamoto, via einem falschen Hotmail-Konto und mit einem "Tracer" in der Anlage, einer Spitzel-Software. "Das war und ist weiter aktuelle Praxis", sagte der HP-Sicherheitsbeauftragte Fred Adler. Bisher habe er dies "ein, zwei Dutzend Mal" angewendet.
Kultur von Angst und Misstrauen
Doch die Chefs wollten davon nichts gewusst haben. Zehn vorgeladene Zeugen verweigerten die Aussage, darunter HP-Chefjuristin Ann Baskins, die am Vorabend zurückgetreten war. Firmenchef Hurd entschuldigte sich zwar bei allen Betroffenen und seiner gesamten Belegschaft. "Es gibt keine Entschuldigung", sagte er. Doch auf die Frage, ob er selbst die besagten Spitzelmethoden gebilligt habe, antwortete er jedes Mal resonant: "Nein."
Dunn wiederum schob den schwarzen Peter zurück zu Hurd und berief sich auf Naivität: "Wenn ich gewusst hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich es ganz anders gemacht." So sagte sie zur Ausspionierung privater Telefonate: "Ich dachte, diese Daten seien frei verfügbar." Und dann: "Ich übernehme keine persönliche Verantwortung für das, was geschehen ist."
Worte, die der Ausschuss dem langjährigen Führungsteams eines IT-Molochs wie HP nur schwer abnehmen konnte. Die Schelte der Abgeordneten war einmütig: "Inakzeptabel", "frevelhaft", "beleidigend", "ein trauriger Tag", "Arroganz, in grobe Dummheit gekleidet."
"Wir haben eine offene Stelle"
Nur die Demokratin Jan Schakowsky erinnerte daran, dass sie nebenan im Plenum gerade den Wunsch des Präsidenten debattierten, alle US-Bürger ohne Gerichtsgenehmigung abzuhören. HP füge sich damit nahtlos in die derzeitige "Kultur" von Angst und Misstrauen ein.
Der Wall Street gefiel das Spektakel offenbar. Der HP-Kurs stieg zum Ende des Tages auf 35,97 Dollar an - knapp am Jahreshoch vorbei. "Hurd hat gute Schadensbegrenzung geleistet", kommentierte der Wirtschaftssender CNBC.
Zum Ende fragte die Republikanerin Masha Blackburn Hurd, wer denn mittlerweile die Ermittlungsabteilung bei HP leite. "Wir haben eine offene Stelle", gab der seelenruhig zurück. "Wir suchen einen qualifizierten Kandidaten."
Quelle: spiegel.de
Euer
Einsamer Samariter