HOTEL ADLON IN BERLIN
Das alte Adlon muss schon ein unerhört gutes Hotel gewesen sein. Keine 40 Jahre, von 1907 bis 1945, war es in Betrieb, die letzten unter den schweren Bedingungen des Krieges. Doch diese kurze Zeitspanne reichte aus, das Haus zu einer Legende zu machen.
Adlon
Berlin - Seit 1997 steht das neu erbaute Adlon, das mit dem alten keinen Stein gemein hat und ihm dennoch wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Die Architekturkritiker gingen mit der kupfergedeckten Replik nicht gerade zimperlich um. Von "plattem Historismus" war die Rede. Die Berliner dagegen standen an den Eröffnungstagen Schlange, um an einer der Führungen durch die auferstandene gute Stube ihrer Stadt teilzunehmen.
Auch heute bekommen Passanten, die einfach einen neugierigen Blick ins Foyer werfen möchten, des öfteren zu hören, das sei wegen Überfüllung leider nicht möglich. Grundsätzlich freue man sich natürlich über jeden Besucher, gleichgültig, ob er eine Suite mieten oder nur einen Kaffee nehmen wolle, verlautet aus der Hotelleitung.
Häufig wird aber auch aus Sicherheitsgründen ein intensiver Publikumsverkehr unterbunden. Wie sein Vorgänger stellt sich das neue, von der Kempinski-Gruppe betriebene Adlon gern in den Staatsdienst: Gekrönte und gewählte Häupter auf Deutschlandbesuch gehen hier ein und aus. Einheimische Politiker treffen sich zu Besprechungen im anregenden Rahmen, schließlich liegen Reichstag und Kanzleramt nur einen Steinwurf entfernt.
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Von der funktionalen Atmosphäre politischer Zweckbauten ist das Adlon allerdings denkbar weit entfernt. Die Innenarchitekten gaben sich alle Mühe, Luxus sinnlich erfahrbar zu machen. "Wer sich hineinwagt, fühlt sich in einem üppigen Raum, förmlich satt an Kunstgegenständen, an schweren, kostbaren Stoffen, an teurem Stein und Metall", schrieb eine Zeitung nach der Eröffnung des ersten Adlon, und so ähnlich ließe es sich heute wieder formulieren, auch wenn eine originalgetreue Kopie im Interieur nicht angestrebt war.
Es wimmelt nur so von Säulen, Kandelabern, Statuen und anderen Antiquitäten. Die Einrichtung folgt keinem einheitlichen Stil, sondern führt Höhepunkte der abendländischen Architekturgeschichte zusammen: Da gibt es bemalte Gewölbe nach Art der italienischen Renaissance, klassizistische Kassettendecken, rote Ledertapeten in der Nachfolge Karl Friedrich Schinkels. Bei der Einrichtung der 336 Zimmer und Suiten stand die Übergangsphase zwischen Art Deco und früher Moderne Pate. Besucher des Spas wiederum fühlen sich in eine römische Therme versetzt. Trotz dieser verwegenen Mischung darf sich das Adlon zugute halten, dass die Grenze zum Kitsch nur selten überschritten wird.
In einem Punkt kann sich das Haus aber mit der Großzügigkeit des von Lorenz Adlon errichteten Vorgängers nicht messen: Bei gleicher Höhe wurde ein Geschoss mehr eingezogen, so dass sich das Raumgefühl großbürgerlicher Villen aus der Kaiserzeit nicht einstellen will.
Dafür bleibt das Haus dem früheren Anspruch treu, konservativen Geschmack mit modernster Technik zu verbinden. Zeigte sich Kaiser Wilhelm II. beim ersten Rundgang vom fließend heißen Wasser in allen Zimmern begeistert - in seinen Schlössern war das noch nicht durchweg Standard -, so staunen Besucher heute zum Beispiel über die Dusche, die sich auch als Dampfkabine nutzen lässt. Über eine Sauna verfügen die beiden Präsidentensuiten, die auch sonst auf 200 Quadratmetern das eine oder andere Extra bereithalten.
Prominente wie Henry Kissinger, der Dalai Lama, Steven Spielberg, Peter Ustinov oder Claudia Schiffer haben von hier aus den Ausblick auf Pariser Platz und Brandenburger Tor genossen. Ob ihnen der volle Preis in Höhe von 14.000 Mark pro Nacht abverlangt wurde, ist ungewiss.
Im Schnitt haben die Gäste im Jahr 2000 für eine Nacht im Adlon 436 Mark bezahlt - ohne Mehrwertsteuer. Die Auslastung in Höhe von 67 Prozent soll von Herbst 2002 an verbessert werden. Dann wird der Anbau mit Namen Adlon-Palais fertig, der vor allem mehr Platz für große Tagungen und Konferenzen schaffen soll. Schon heute steigen Manager gern im Adlon ab, wie die Wahl zum "Besten Einzelhotel für Geschäftsreisende" durch die Zeitschrift "Business Traveller" belegt.
Das Magazin "Der Feinschmecker" führt das Adlon als bestes deutsches Grand Hotel, und auch das Restaurant darf sich über Auszeichnungen freuen: So kürte der Aral Schlemmer Atlas Küchenchef Karlheinz Hauser zu einem der "Spitzenköche des Jahres 2001", und der Michelin-Restaurantführer verlieh Hauser kürzlich den ersten Stern.
Mit der Fertigstellung des Adlon-Palais wird eine der letzten Baulücken am Pariser Platz geschlossen. Dann muss nur noch die Telekom-Bauplane fallen, die derzeit noch das Brandenburger Tor verhüllt, damit das Adlon seinen Standortvorteil voll ausspielen kann. Wenn die neue Stadtregierung dann noch die Durchfahrt durch das Wahrzeichen sperren würde - die Hotelleitung hätte nichts dagegen.
Quelle: Der Spiegel