Interviews
Net AG: „Wir wollen unsere Marke bekannter machen“
04-05-00 21:18 Uhr
Instock:
Der Markt wächst im Bereich Ihres Kerngeschäftes um 57, in Europa
sogar um 67 Prozent . Warum peilen Sie ein Umsatzwachstum von nur
35 Prozent an?
Immes:
Wir sind bei unserer Prognose sehr zurückhaltend gewesen. Lieber
melden wir später, das sich unser Geschäft positiver entwickelt hat.
Diese konservative Vorgehensweise haben wir auch beim Börsengang
allgemein gepflegt. Dazu kommt noch, das man bei Studien, die sich mit
der Marktentwicklung beschäftigen, etwas vorsichtig sein sollte. Ich bin
der Überzeugung, dass 35 Prozent Wachstum ganz gut sind. Der Markt
wird auch nicht wesentlich stärker wachsen.
Instock:
Was verbirgt sich hinter einem Materialaufwand von fast 52 Millionen
Mark im Geschäftsjahr 1998/99?
Immes:
Wir bieten unseren Kunden nicht nur Software-Lösungen, sondern auch
komplette Netzwerk-Hardware an. Die müssen wir, bevor wir Sie für
unsere Kunden maßschneidern, erst einmal einkaufen. Dadurch, und
durch Kosten für freie Mitarbeiter, entstehen die als Materialaufwand
deklarierten hohen Kosten.
Instock:
Welchen Anteil am Umsatz haben denn die einzelnen Geschäftsfelder?
Immes:
20 Prozent Umsatz kommt aus dem Bereich Lizenzhandel für unsere
eigenen Software. Der Bereich Beratung ist ebenfalls mit 20 Prozent am
Ergebnis beteiligt. Die restlichen 60 Prozent kommen aus dem Verkauf
der physischen Netzstrukturen.
Instock:
Worin ist Ihr Verlust vor Steuern und Zinsen in Höhe von 3,7 Millionen
Mark begründet?
Immes:
Das liegt im Kauf von fünf Firmen und den daraus resultierenden
Firmenwertabschreibungen begründet. Beim Gewinn vor
Abschreibungen (EBITDA) waren wir eigentlich profitabel.
Instock:
Sie haben 8,4 Millionen Euro auf der hohen Kante. Was haben Sie
damit vor?
Immes:
Die Zahl stimmt so nicht, auch wenn sie so in unseren Unterlagen
auftaucht. Es handelt sich ja um einen Wert zu einem willkürlichen
Stichtag. Sicher ist aber auch, das wir nicht auf dem letzten Loch pfeifen.
Wir haben derzeit eine Kapitalrücklage von 4,5 Millionen Euro. Das ist
sozusagen unsere Sicherheitsreserve.
Instock:
Wo sehen Sie sich im europäischen Markt bei einem Umsatz von rund
80 Millionen Mark und einem Marktvolumen von zirka 1,8 Milliarden
Mark platziert?
Immes:
Im Moment ist der Markt noch gar nicht fest gefügt. Dazu kommt, dass die
Nachfrage von allen Anbietern kaum befriedigt werden kann. Außerdem
ist der Markt derzeit stark fragmentiert. Klarheit, wie sich der Markt
entwickeln wird, haben wir wahrscheinlich erst in drei Jahren. Dann
wollen wir bei den Führenden dabei sein.
Instock:
Ein großes Ziel. Wie wollen Sie es erreichen?
Immes:
Wir wollen uns mehr zu einem Software-Haus entwickeln, die
Know-how-lastigen Teile werden wir konsequent ausbauen.
Instock:
Bedeutet das den Ausstieg aus dem Hardware-Bereich?
Immes:
Auf keinen Fall. Unsere Kunden wollen alles aus einer Hand, Soft- und
Hardware. Im Bereich Netzaufbau werden wir sicherlich weiter sehr aktiv
sein.
Instock:
Sie bauen sehr stark auf Ihre neue Software netC4. Wann ist mit der
Markteinführung zu rechnen?
Immes:
Das Produkt ist fertig und der Verkauf ist bereits begrenzt angelaufen.
Flächendeckend werden wir netC4 nach dem Börsengang starten. Wir
brauchen dazu einfach Kapital.
Instock:
Wofür wollen Sie die Mittel aus dem Börsengang noch verwenden?
Immes:
Wir werden sehr stark ins Marketing investieren. Für uns ist es sehr
wichtig, die Marke Net AG bekannter zu machen. Genauso wichtig ist für
uns die Investition in „Workingcapital“. Wir wollen unsere Forschungs-
und Entwicklungsabteilung deutlich ausbauen.
Instock:
Personal ist allgemein knapp. Wie gehen Sie mit diesem Engpass um?
Immes:
Personal ist in der Tat schwierig zu bekommen. Teilweise kaufen wir
auch welches dazu. Wir bilden aber auch selber Azubis aus. Für
Hochschulabsolventen bieten wir gezielte Weiterbildungsmaßnahmen
an. Überhaupt arbeiten wir sehr eng mit den Unis in Koblenz, Köln und
Stuttgart sowie der Fachhochschule in Siegen zusammen.
Instock:
Wo wird man zukünftig noch die Leuchtreklame der Net AG überall
sehen?
Immes:
Leuchtreklame ist zwar nicht so ganz unser Stil, wir wollen lieber mit
Leistung und Kompetenz leuchten, aber die Zielrichtung geht Richtung
Norddeutschland. Derzeit arbeiten wir an der Eröffnung eines Büros in
Berlin als Vertriebs- und Service-Center.
Instock:
Bestehen bei Ihnen keine Ambitionen, ins Ausland zu expandieren?
Immes:
Keine Frage, wir wollen uns auch den europäischen Markt erschließen.
Dabei wird unser Fokus klar auf den großen westeuropäischen
IT-Länder, wie Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien liegen.
Die Märkte in den kleineren Ländern erschließen sich dann ganz
automatisch.
Instock:
Auch Osteuropa und Übersee?
Immes:
In Richtung Osteuropa bin ich vorsichtig optimistisch, was ein mögliches
Engagement angeht. Noch hat der dortige Markt aber kein
ausreichendes Volumen. Ansonsten gilt bei anderen internationalen
Aktivitäten unsere Strategie, den Kunden auf die entsprechenden Märkte
zu folgen. Wir werden auf keinen Fall um jeden Preis eine Akquisition
Instock:
Was muss passieren, damit Sie kaufen?
Immes:
Wir verfügen im Unternehmen über sehr große Kompetenz, was das
Finden und den Kauf von Unternehmen betrifft. Die betreffenden Firmen
müssen eine strategische Ergänzung zu uns darstellen und stark im
Vertrieb sein. Wenn sich keine geeigneten Partner finden, gründen wir
lieber eigene Töchter.
Instock:
Sie kündigten ein verstärktes Engagement in den USA an. Wann wird
sich hier Entscheidendes tun?
Immes:
Spektakuläres darf man nicht erwarten. Unsere Strategie ist hier, von
einer kleinen Basis aus zu agieren. Wir werden nicht mit Hilfe großer
Akquisitionen in den amerikanischen Markt einsteigen. Dennoch sind die
USA für uns von großem Interesse, kommen doch von hier viele Trends
und Entwicklungen.
Instock:
Herr Immes, vielen Dank für das Gespräch.
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10.03.2000 - 08:02