Finanzmärkte:
Inländische und europäische Börsen
Anteilseigner des Baukonzerns sehen in den meisten möglichen Szenarien ihr Kapital
nicht wieder
Schlechte Aussichten für Holzmann-Aktionäre
Der Handel der Aktie der Philipp Holzmann AG wurde gestern wieder aufgenommen:
Dem anfänglichen Kurssturz folgte eine Achterbahnfahrt. Die Aussichten für das
Papier bleiben schlecht.Am besten dran sind noch Besitzer der Wandelanleihe. Sie
haben Chancen, zumindest einen Teil ihres Geldes wieder zu sehen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 23. November 1999
fs FRANKFURT/M. Inmitten verzweifelter Rettungsversuche vollführte die Aktie des
praktisch insolventen Holzmann-Konzerns gestern heftige Kurssprünge. Eröffnete das
MDax-Papier mit 12 Euro gut 90 % unter dem Kurs des letzten Handelstags am 12.
November (126,40 Euro), legte es nach einer Berg- und Talfahrt nachmittags bis auf
knapp 25 Euro zu, bevor es kurz vor Handelsschluss wieder auf 23,50 Euro zurückging.
Der Umsatz der Aktie explodierte förmlich: Bis nachmittags wurden allein auf Xetra 1,3
Mill. Stück umgesetzt. Am 12. November liefen über Xetra und Regionalbörsen deutlich
weniger als 10 000 Stück um.
Das plötzliche Interesse ändert nichts daran, dass die Anleger in den meisten
Zukunftsszenarien ihr Geld nicht wiedersehen. Die einzige Hoffnung liegt in der neuen
Insolvenzordnung. Kommt es zu einer Sanierung auf Grund eines Insolvenzplanes, läuft
die alte Aktiengesellschaft weiter. Im Konzept jedoch kann (und wird vermutlich) der
Insolvenzverwalter die für eine Weiterführung der Gesellschaft erforderlichen
Bedingungen festlegen. Dazu gehört ein Kapitalschnitt mit anschließender
Kapitalerhöhung. Bei einem Schnitt von nur 2:1 würde sich das eingesetzte Kapital
halbieren. Vor dem Insolvenzantrag waren weit drastischere Schnitte im Gespräch.
Die anderen, weniger wahrscheinlichen Alternativen: Sollte der Insolvenzantrag
zurückgezogen werden, beginnt das gesamte Verfahren der Vorlage eines
Sanierungskonzeptes von vorne – inklusive des möglichen Kapitalschnitts. Wird
Holzmann abgewickelt, werden die Gelder aus den Vermögenswerten zunächst an
Gläubiger wie Finanzamt und Arbeitnehmer verteilt. Für Aktionäre bleibt „in der Regel
nichts übrig“, sagt Rechtsanwalt Thomas Oberle von der Kanzlei Wellensiek. Auch bei
der letzten Alternative, der so genannten übertragenden Sanierung, erhalten die
Anteilseigner nichts: Hier wird die alte AG abgewickelt und Teile davon auf ein neues
Unternehmen übertragen.
Die Besitzer der bis 2003 laufenden Wandelanleihe über 3,25 % könnten dagegen einen
Teil ihres Geld zurückbekommen. Das Wandeln der Anleihen lohnt sich nicht, zumal sie
ihre Gläubigerrechte verlieren würden. Nur die garantieren ihnen aber Ansprüche. In aller
Regel bleibt nach Gegenüberstellung von Aktivmasse und Schulden zwischen 5 und 8 %
des Nominalbetrags real übrig. Die Auszahlung werde auf Grund des laut Privatrechtler
Marcus Lutter „unglaublich komplizierten Verfahrens“ einer Gegenüberstellung von
realem Vermögen und Schulden inklusive einiger Prozesse Jahre auf sich warten lassen.
Sollte Holzmann nicht zu retten sein, könnte Insolvenzverwalter Ottmar Hermann zudem
ein De-Listing der Aktie beantragen. Hierbei prüft die Deutsche Börse AG zunächst, ob
es „im Interesse der Anleger“ ist, die Aktie aus dem Handel zu nehmen. Schließlich
greife man damit „massiv in die Eigentumsrechte der Anleger ein“, erläutert ein Sprecher
der Deutschen Börse. Es sei immerhin möglich, dass genügend Masse zur Verteilung
vorhanden sei. Deshalb müsse man abwarten, wie dies auch bei der IG Farben in
Liquidation geschieht. Nach dem drastischen Holzmann-Kurssturz steht zu vermuten,
dass Holzmann die 110/110-Regel der Deutschen Börse verletzt. MDax-Unternehmen
sollten auf Grund ihrer Marktkapitalisierung und des Umsatzvolumens jeweils zu den
größten 110 Unternehmen gehören. Während das Umsatzkriterium (noch) kein Problem
darstellt, dürfte die Marktkapitalisierung (bislang Platz 40 mit 721 Mill. Euro) nach dem
Kursrutsch am Boden liegen. Ob die Deutsche Börse Holzmann auf einem
außerordentlichen Prüfungstermin aus dem Index der 70 größten Nebenwerte
herausnehmen wird, wollte der Sprecher der Deutschen Börse nicht sagen: „Wir
versuchen, möglichst flexibel zu reagieren.“