Wirtschaften im Schatten deutscher Diplomatie
von Rafael Seligmann
Bert Brechts Erkenntnis, erst komme das Fressen, dann die Moral, ist während der gegenwärtigen Kriegs- und Friedensdebatte über Irak keineswegs in Vergessenheit geraten. Die Deutschen wollen beweisen, dass sie nicht mehr so zynisch sind wie einst. Wir lassen uns unsere Moral nicht abkaufen. Wir wollen kein Öl, an dem vermeintlich Blut klebt. Wenn wir Auto fahren, dann wollen wir frohen Herzens genießen und uns nicht durch ein schlechtes Gewissen, Mitschuld am Krieg zu tragen, belasten.
Theologen und Philosophen zerbrechen sich den Kopf, ob die Führung eines Präventivkrieges ethisch vertretbar ist. Völkerrechtler debattieren die Frage mit Verve. Der Königsdisziplin Politik aber kommt neben der Berücksichtigung dieser theoretischen und moralischen Argumente die Vertretung unserer nationalen Interessen zu. Denn die Volkswirtschaft besitzt entscheidendes politisches und gesellschaftliches Gewicht.
Deutschland ist Europas vorrangige Handelsnation. Wir führen neun Prozent des Welthandelsvolumens aus. Jeder fünfte Arbeitsplatz unseres Landes ist vom Export abhängig. Die Autoproduktion ist ein entscheidender Motor der deutschen Ökonomie. Jeder siebte deutsche Beschäftigte verdient dort oder in einem Zulieferbetrieb sein Geld. Die deutschen Autofirmen wiederum exportieren bis zu 70 Prozent ihrer Produktion. Größter Abnehmer hier sind die Vereinigten Staaten.
Regierungskreise in Berlin beruhigen besorgte Wirtschaftsvertreter. Export sei ein knallhartes Geschäft. „Die kaufen unsere Produkte, weil sie besser und preisgünstiger sind, nicht, weil sie uns lieben." Das ist gewiss richtig, aber eben nicht ausschließlich. Selbstverständlich lässt sich eine amerikanische Airline beim Erwerb ihrer neuen Flugzeuggeneration nicht von Gefühlen leiten, sondern feilscht um jeden Cent. Ob man bei Airbus oder Boeing kauft, entscheidet nicht die Irak-Politik, sondern ausschließlich das Preis-Leistungs-Verhältnis der angebotenen Produkte. Doch selbst bei Exporteuren technischer Geräte macht sich in Deutschland Unsicherheit breit. So drapierte die Heidelberger Druckmaschinen AG bei der Graph-Expo-Messe in Chicago ihre Erzeugnisse mit amerikanischen Farben. Heidelberger Druckvorstandschef Holger Reichardt begründete dies so: „Wir wollten die Distanzierung zur Politik der Bundesregierung dokumentieren."
Ein Gutteil unserer USA-Exporte sind Luxusautos. Hier entscheidet der Käufer neben Pferdestärken auch bewusst mit menschlichen Gefühlen. Vor kurzem antwortete Porsche-Chef Wendelin Wiedeking auf die Frage, ob man einen Geländewagen benötige, der mehr als 220 Stundenkilometer schnell rasen könne, mit entwaffnender Ehrlichkeit. Man brauche ein solches Auto objektiv nicht, es mache nur Spaß.
Der Spaß ist dem Porsche-Chef letzten Monat gewiss vergangen, als er feststellen musste, dass er 37 Prozent weniger Fahrzeuge in die USA exportieren konnte. Volkswagen verzeichnete im Januar ein Minus von 17 Prozent. Verantwortlich für die Einbrüche ist das schlechte Klima. In Amerika ist es kalt, und noch kälter ist bei vielen Amerikanern das Verhältnis zu Deutschland geworden.
BMW und Mercedes erzielen 30 Prozent ihres Umsatzes in den Vereinigten Staaten. Noch ist das Geschäft stabil. Doch BMW-Chef Panke befürchtet gravierende Folgen für die Wirtschaft, wenn die durch den Irak-Konflikt hervorgerufenen Unstimmigkeiten anhalten. Auch der Vorstandsvorsitzende der Porzellanfirma Villeroy & Boch, Wendelin von Boch, hat Angst vor einem Umschlagen der Stimmung: „Die Amerikaner können ziemlich radikal sein."
Insgesamt investieren deutsche Firmen 140 Milliarden Euro in Amerika. Deutsche Wirtschafts-verbände bangen um das USA-Geschäft. „Wenn wir bad guys sind, gelten auch unsere Produkte als schlecht", erklärt der Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandelns (BGA), Anton Börner. „Die Stimmung in den USA nimmt immer aggressivere Züge an", bestätigt Robert Bergmann, Vertreter des BDI in Washington.
Diese Signale werden durchaus auch von der deutschen Politik wahrgenommen. Es sei eine „Fehlkalkulation, wenn aus innenpolitischen Motiven heraus Außenpolitik betrieben wird", erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Bundestagsausschusses, Hans-Ulrich Klose, SPD. Statt auf seine Worte zu hören, bügelte ihn sein Parteichef und Bundeskanzler vor der versammelten Fraktion nieder.
Außenminister Fischer, dem die vorrangige Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen bewusst ist, erwog zunächst das deutsche Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen offen zu halten. Doch der in der Wählergunst abgestürzte SPD-Kanzler nutzte letzten Herbst die Kriegsangst der Bevölkerung als Vehikel seiner Wiederwahlkampagne. Moral muss ein Kriterium der Politik sein. Auch Opportunismus spielt dabei eine Rolle. Über all dem darf eine Regierung jedoch nicht ihre Verantwortung für das Wohl unseres Landes vergessen.
von Rafael Seligmann
Bert Brechts Erkenntnis, erst komme das Fressen, dann die Moral, ist während der gegenwärtigen Kriegs- und Friedensdebatte über Irak keineswegs in Vergessenheit geraten. Die Deutschen wollen beweisen, dass sie nicht mehr so zynisch sind wie einst. Wir lassen uns unsere Moral nicht abkaufen. Wir wollen kein Öl, an dem vermeintlich Blut klebt. Wenn wir Auto fahren, dann wollen wir frohen Herzens genießen und uns nicht durch ein schlechtes Gewissen, Mitschuld am Krieg zu tragen, belasten.
Theologen und Philosophen zerbrechen sich den Kopf, ob die Führung eines Präventivkrieges ethisch vertretbar ist. Völkerrechtler debattieren die Frage mit Verve. Der Königsdisziplin Politik aber kommt neben der Berücksichtigung dieser theoretischen und moralischen Argumente die Vertretung unserer nationalen Interessen zu. Denn die Volkswirtschaft besitzt entscheidendes politisches und gesellschaftliches Gewicht.
Deutschland ist Europas vorrangige Handelsnation. Wir führen neun Prozent des Welthandelsvolumens aus. Jeder fünfte Arbeitsplatz unseres Landes ist vom Export abhängig. Die Autoproduktion ist ein entscheidender Motor der deutschen Ökonomie. Jeder siebte deutsche Beschäftigte verdient dort oder in einem Zulieferbetrieb sein Geld. Die deutschen Autofirmen wiederum exportieren bis zu 70 Prozent ihrer Produktion. Größter Abnehmer hier sind die Vereinigten Staaten.
Regierungskreise in Berlin beruhigen besorgte Wirtschaftsvertreter. Export sei ein knallhartes Geschäft. „Die kaufen unsere Produkte, weil sie besser und preisgünstiger sind, nicht, weil sie uns lieben." Das ist gewiss richtig, aber eben nicht ausschließlich. Selbstverständlich lässt sich eine amerikanische Airline beim Erwerb ihrer neuen Flugzeuggeneration nicht von Gefühlen leiten, sondern feilscht um jeden Cent. Ob man bei Airbus oder Boeing kauft, entscheidet nicht die Irak-Politik, sondern ausschließlich das Preis-Leistungs-Verhältnis der angebotenen Produkte. Doch selbst bei Exporteuren technischer Geräte macht sich in Deutschland Unsicherheit breit. So drapierte die Heidelberger Druckmaschinen AG bei der Graph-Expo-Messe in Chicago ihre Erzeugnisse mit amerikanischen Farben. Heidelberger Druckvorstandschef Holger Reichardt begründete dies so: „Wir wollten die Distanzierung zur Politik der Bundesregierung dokumentieren."
Ein Gutteil unserer USA-Exporte sind Luxusautos. Hier entscheidet der Käufer neben Pferdestärken auch bewusst mit menschlichen Gefühlen. Vor kurzem antwortete Porsche-Chef Wendelin Wiedeking auf die Frage, ob man einen Geländewagen benötige, der mehr als 220 Stundenkilometer schnell rasen könne, mit entwaffnender Ehrlichkeit. Man brauche ein solches Auto objektiv nicht, es mache nur Spaß.
Der Spaß ist dem Porsche-Chef letzten Monat gewiss vergangen, als er feststellen musste, dass er 37 Prozent weniger Fahrzeuge in die USA exportieren konnte. Volkswagen verzeichnete im Januar ein Minus von 17 Prozent. Verantwortlich für die Einbrüche ist das schlechte Klima. In Amerika ist es kalt, und noch kälter ist bei vielen Amerikanern das Verhältnis zu Deutschland geworden.
BMW und Mercedes erzielen 30 Prozent ihres Umsatzes in den Vereinigten Staaten. Noch ist das Geschäft stabil. Doch BMW-Chef Panke befürchtet gravierende Folgen für die Wirtschaft, wenn die durch den Irak-Konflikt hervorgerufenen Unstimmigkeiten anhalten. Auch der Vorstandsvorsitzende der Porzellanfirma Villeroy & Boch, Wendelin von Boch, hat Angst vor einem Umschlagen der Stimmung: „Die Amerikaner können ziemlich radikal sein."
Insgesamt investieren deutsche Firmen 140 Milliarden Euro in Amerika. Deutsche Wirtschafts-verbände bangen um das USA-Geschäft. „Wenn wir bad guys sind, gelten auch unsere Produkte als schlecht", erklärt der Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandelns (BGA), Anton Börner. „Die Stimmung in den USA nimmt immer aggressivere Züge an", bestätigt Robert Bergmann, Vertreter des BDI in Washington.
Diese Signale werden durchaus auch von der deutschen Politik wahrgenommen. Es sei eine „Fehlkalkulation, wenn aus innenpolitischen Motiven heraus Außenpolitik betrieben wird", erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Bundestagsausschusses, Hans-Ulrich Klose, SPD. Statt auf seine Worte zu hören, bügelte ihn sein Parteichef und Bundeskanzler vor der versammelten Fraktion nieder.
Außenminister Fischer, dem die vorrangige Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen bewusst ist, erwog zunächst das deutsche Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen offen zu halten. Doch der in der Wählergunst abgestürzte SPD-Kanzler nutzte letzten Herbst die Kriegsangst der Bevölkerung als Vehikel seiner Wiederwahlkampagne. Moral muss ein Kriterium der Politik sein. Auch Opportunismus spielt dabei eine Rolle. Über all dem darf eine Regierung jedoch nicht ihre Verantwortung für das Wohl unseres Landes vergessen.