Er galt als reichster Mann Japans: Yasumitsa Shigeta, 25 Milliarden Dollar schwer, einst Gründer und Präsident des Mobilfunkkonzerns Hikari Tsushin. Doch dann kam der Absturz: Insidergeschäfte, Bilanzmanipulationen und Gerüchte um Verwicklungen mit der japanischen Mafia Yakuza legten das Imperium Shigetas in Schutt und Asche. Hikari Tsushin stürzte an der Börse Tokio ab und verlor 99,6 Prozent an Wert. Shigeta, dem fast 70 Prozent der Aktien gehörten, schrumpfte zum einfachen Millionär und gab entnervt seinen Präsidentenjob auf.
Jetzt ist Hikari Tsushin wieder da. Die Verwicklungen mit der Mafia blieben Gerüchte, die Bilanz ist sauber. Shigeta ist inzwischen 39 Jahre alt und Vorstandsvorsitzender, die Aktie notiert nur noch 97,8 Prozent unter dem Allzeithoch. Das klingt nach nichts. Doch nur auf den ersten Blick: Denn vom Allzeittief ist Hikari in den vergangenen eineinhalb Jahren um 500 Prozent nach oben geklettert. Zusätzlicher Clou dieser neuen Solidität: Das Unternehmen will in diesem Jahr ganz brav eine Dividende ausschütten.
Das Stehaufmännchen Hikari Tsushin - eine typische Geschichte für die japanische Börse derzeit. Denn während alle Welt auf die großen Aktien des Nikkei 225, auf Exportwerte wie Sony und Mitsubishi starrt, findet die noch erfolgreichere Japan-Börsenstory wenig beachtet in der zweiten Reihe statt. Bei Hikari Tsushin und Co.
Ein recht simpler Grund: "Wenn ein Markt dreht - und das passiert derzeit in Japan nach 13 Jahren Talfahrt, dann laufen fast schon automatisch die kleinen Aktien zunächst besser", sagt Rainer Vermehren, Fondsmanager bei der DWS. "Kleine Werte werden im Abschwung heftiger bestraft, kämpfen oft mit dem Pleitegeier. Das verleiht ihnen aber auch den größeren Hebel, wenn es wieder nach oben geht."
Das merkt auch Otto Normalanleger, wenn er denn in Japanfonds investiert hat. Ganz vorne in den Ranglisten sind jene Fonds zu finden, die auf die Nebenwerte setzen, die also in Unternehmen investieren, deren Namen hier zu Lande kaum einer kennt: Index, Rakuten oder Leopalace21, um nur drei zu nennen. Teilweise mehr als 50 Prozent war mit den Nebenwertefonds in diesem Jahr schon drin, seit Anfang 2003 hat sich mancher gar verdoppelt. Die Blue-Chip-Fonds dagegen schafften gerade einmal die Hälfte.
Auch die Japan-Aktienindizes zeigen die Diskrepanz: Vorne weg der Jasdaq-Index, so etwas wie das Pendant zur Nasdaq, danach folgt der Topix Small, eine Art MDAX, und erst dahinter kommt der bekannte Japan-Indikator Nikkei 225, der Japan-DAX, in dem Sony und Konsorten zu finden sind.
Alles nur Zockerei? Das gute Abschneiden der kleinen Aktien jedenfalls macht schwindlig. Ein KGV von 121 wie bei Hikari Tsushin beruhigt auch nicht gerade. Zumal mancher Japan-Experte inzwischen warnend den Zeigefinger hebt. "Dort legen doch nur die Dummen an, Day-Trader, Analysten, die ihren Job verloren haben", sagt Ryoichi Arai, Chef-Fondsmanager für Japan bei JP Morgan Fleming. Da kommt noch mehr Schwindel auf.
Bei so manchem Überbleibsel der Hightech- und Interneteuphorie des Jahres 1999 mag man Arai auch Recht geben. Doch alle Aktien zu verdammen, wäre ein Fehler. Denn hinter dem japanischen Small-Cap-Phänomen steckt mehr. "Der Boom bei den Nebenwerten spiegelt die Hoffnung auf einen Konsumaufschwung im Land wider", sagt Fondsmanager Vermehren. Bei den Nebenwerten finden sich viele Aktien, die vom Wohl und Wehe der japanischen Binnenkonjunktur abhängen - ganz im Gegensatz zum exportabhängigen Nikkei. Ganz banal ausgedrückt: Alles hofft darauf, dass die Japaner endlich wieder den Geldbeutel aufmachen und kaufen.
Die besten Aktien unter den Nebenwerten sind Indiz dieser Erwartungen. Beispiel Rakuten: Japans größte Internetauktionsseite - sie funktioniert wie Ebay - legte in diesem Jahr schon um 80 Prozent zu. Oder: Fields Corporation. Kursplus: 120 Prozent. Fields baut Glücksspielautomaten, die zu Dutzenden in den unzähligen und infernalisch lauten Pachinko-Hallen zu finden sind, in denen viele Tokioter ihren Feierabend verbringen. Oder: Index Corporation, ein Unternehmen, das den technik- und Handy-verliebten Japanern schon seit Jahren Spiele und News auf ihr I-Mode- oder J-Phone-Handy zaubert, während in Europa noch immer mehr oder weniger von UMTS geträumt wird. Kursplus: 100 Prozent.
Noch ein Beispiel: Leopalace21. Nur eines von etlichen Immobilienunternehmen, deren Aktien derzeit stark zulegen. Grund: Zum ersten Mal seit vielen Jahren haben die Immobilienpreise in Tokio in einigen wenigen Lagen etwas angezogen. Zuvor waren sie 13 Jahre lang kontinuierlich gefallen.
Hoffnung auf Wachstum im Inland treibt also die Nebenwerte an. Und da führt wie fast überall auf dem Globus auch in Nippon kein Weg am Konsumenten vorbei. 60 Prozent steuern die japanischen Staatsbürger zur gesamten Wirtschaftsleistung bei.
Umso verzückter reagierten daher die Börsianer, als der jüngste Tankan-Report, eine Art Stimmungsbarometer der japanischen Wirtschaft, im März Positives berichtete: Erstmals seit Anfang 2001 nahmen die Umsätze im japanischen Einzelhandel wieder zu.
Einer, der davon profitiert, ist Nobutada Saji, mit einem Vermögen von 6,8 Milliarden Dollar derzeit reichster Japaner. Der 58-Jährige ist Chef von Suntory, Japans viertgrößter Brauerei. Auf deren White-Brand-Bier steht die ganze Insel. Doch nicht nur die. White Brand ist auch das bevorzugte Bier der Shanghai-Chinesen. Saji macht also alles richtig: Er profitiert vom Boom in China ebenso wie vom Aufschwung in der Heimat.
Quelle Cortalconsors