Heyde: Fragwürdige Prognosen
26.02.2001
Aktuelles Urteil: untergewichten (zuvor: marktneutral)
Letztes Update: 04.01.01
Aktueller Kurs: 3,63 Euro
Marktkapitalisierung: 135,30 Mio. Euro
KGV 2000/01: 22,55 / 10,41
KUV 2000/01: 0,69 / 0,56
Wie wir heute von Heyde erfahren haben, sollen die Umsätze in 2001 nach vorläufiger Einschätzung nur 360 Mio. DM betragen, nachdem die Umsätze für 2001 am Freitag auf 400 Mio. DM geschätzt wurden. Für dieses Jahr würde das einer Umsatzsteigerung auf Jahresbasis von 6% entsprechen. Diese nun konservative Einschätzung hätte dem Unternehmen schon früher gut zu Gesicht gestanden. Schließlich erwartete Heyde Mitte November letzten Jahres ein Vorsteuerergebnis von 43 Mio. DM, einen Umsatz von 360 Mio. DM und eine Vorsteuerrendite von über 10%. Auch im Januar dieses Jahres hielt man an den Planzahlen fest. Nach den vorläufigen Zahlen lag der Jahresumsatz für 2000 bei 341 Mio. DM, einem Plus von 85% gegenüber dem Vorjahr. Ein Grund ist sicherlich die allgemein negative Marktentwicklung des 4. Quartals. Warum der ehemalige Vorstandssprecher Dieter Heyde dennoch von einem zu erwartendem starken 4. Quartal gesprochen hat, läßt Fragen offen. Für 2002 werden Umsätze in Höhe von 450 Mio. DM bei einer EBIT-Marge von 8% geplant.
Die Hintergründe für den Ergebnisrückgang
Viel schlimmer wiegt der Rückgang des operativen Ergebnisses (EBIT) auf knapp 3 Mio. DM. Ein Grund liegt in den Planabweichungen der britischen Tochter Tantus in Höhe von 8 Mio. DM. In unserem letzten Update haben wir auf diese Probleme bereits hingewiesen, allerdings rechnete Heyde zu diesem Zeitpunkt noch damit, daß Tantus die Absatzprobleme mit ihrem neuen Handelssystem für Banken durch Umlagerung der Kapazitäten auf den Bereich Supply Chain kompensieren kann. Eine zu optimistische Einschätzung, wie sich herausgestellt hat. An der bilanzkosmetischen Maßnahme in 1999, die variablen Gehaltsanteile in Form von Mitarbeiteraktien aufwandsneutral zu verbuchen, hält das neue Management offensichtlich nicht mehr fest. Die Folge ist eine aufwandswirksame Verbuchung in Höhe von 6,6 Mio. DM. Darüber hinaus sind voraussichtlich Aufwendungen im Zusammenhang mit der Neuaufstellung der Gruppe in Höhe von 5 Mio. DM angefallen. Der neue Vorstand um Dirk Wittenborg hat eine Schwachstellenanalyse angeordnet, die zu verringerten Overheadkosten und zu einer Optimierung der Organisationsstrukturen führen soll. Die Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden Dirk Wittenborg lassen den Schluß zu, daß eine Bereinigung verschiedener Geschäftseinheiten ansteht. Wie wir vom Unternehmen erfahren haben, wird der ursprünglich geplante eigene Bereich WAP-Technologie nicht aufgebaut. Die WAP-Technologie wird in den Geschäftsbereich Softwareprodukte integriert. Das Segment Web-Design fließt in den Bereich Systemintegration ein.
Bewertung
Das Geschäft im 1. Quartal dieses Jahres hat ebenfalls schwach begonnen. Das Optimierungsprogramm „Challenge H“ wird vor allem im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres zu weiteren Kostenbelastungen führen. Mit der Frage der reduzierten Umsatzerwartungen muß auch die Frage gestellt werden, inwieweit Heyde das starke Mitarbeiterwachstum der vergangenen Jahre zukünftig verkraftet. Das Unternehmen hat gegenüber der Konkurrenz an Boden verloren, wenngleich andere IT-Dienstleister insbesondere im 4. Quartal auch mit Problemen zu kämpfen hatten. Eine Verkaufsempfehlung halten wir aber aufgrund des massiven Kurseinbruchs bis auf ca. 3 Euro bei einem fairen Wert von ca. 8 Euro nach dem Ertragswertverfahren für unangemessen. Bei unserer Berechnung haben wir einen Kalkulationszinssatz von 13% unterstellt, der die aktuelle Situation von Heyde berücksichtigt.
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Ewige Rente
Umsatz (in Mio.) 195 240 300 375 469 563 647 712
Rendite 3,08 5,42 6,00 6,50 6,50 6,50 7,00 7,50
EpS 0,15 0,32 0,44 0,59 0,74 0,89 1,10 1,30 13,41
Fairer Wert bei Abzinsung der Gewinne mit 13%: 7,96 Euro
Der Ertragswert von Heyde. Angaben in Euro.
Fundamental betrachtet halten wir Heyde weiterhin für vielversprechend. Mit Ausnahme von England liegt die Entwicklung der Auslandsgesellschaften im Plan des Bad Nauheimer Unternehmens. In Großbritannien muß zwischen den Zielgruppen Supply Chain und Financial Services differenziert werden. Während sich das Geschäft im Supply Chain-Segment mit der Zielgruppe Industrie und Handel auch in England erfreulich entwickelt, entpuppte sich das Engagement in die britische Tantus als wenig hilfreich. Zwar wurde von dem ca. 20köpfigen Mitarbeiterteam ein neues Handelssystem für den Banksektor entwickelt, das auf der zukunftsträchtigeren Java-Plattform basiert, die Nachfrage der bisherigen 20-30 Bestandskunden nach der neuen Lösung blieb jedoch weitgehend aus. Zu Recht hat Heyde nun ihre Kapazitäten in England zugunsten des Bereichs Supply Chain verlagert.
In Südamerika hingegen konnte das Unternehmen seine Position deutlich ausbauen. Heyde hat die Systemintegrationsunternehmen CET Brasil und CET Uruguay zu 100% rückwirkend zum 1. Januar 2000 übernommen. Die Akquisition erfolgt auf dem Weg der Kapitalerhöhung aus dem genehmigten Kapital gegen Sacheinlage. Die 1988 gegründete CET Brasil konzentriert sich, wie die 1998 gegründete Schwestergesellschaft CET Uruguay, mit ihren Leistungsangeboten auf den Bereich Warehouse Management und ist mit dem eigenentwickelten Produkt WIS (Warehouse Information System) ein führender Anbieter in beiden Märkten. Für das Jahr 2000 wird ein Gesamtumsatz von knapp 2 Mio. USD, ein Zuwachs um 24 % gegenüber dem Vorjahr, erwartet. Die Unternehmen arbeiten profitabel.
Die Integration in die Heyde-Gruppe wird kurzfristig erfolgen. Die CET Brasil wird dabei mit der Heyde Brasil verschmolzen, die CET Uruguay wird in Heyde Uruguay umbenannt.
Die Heyde-Gruppe, deren Tochterunternehmen Miebach Logistik seit Jahren in Südamerika eine marktführende Rolle im Bereich strategische Logistikberatung einnimmt, verstärkt mit der Übernahme der CET-Gesellschaften ihr Angebot im Geschäftsfeld Supply Chain erheblich.
Allein in Brasilien kann die Heyde-Gruppe nun 65 Mitarbeiter einsetzen. Zugleich schafft sie sich eine solide Plattform, um vom Schlüsselmarkt Brasilien aus auf dem gesamten südamerikanischen Kontinent weiter profitabel zu wachsen.
Das Marktforschungsunternehmen AMR Research prognostiziert für die kommenden Jahre im Bereich Supply Chain Management mit 59% weiterhin überdurchschnittliche Steigerungsraten für den brasilianischen IT-Markt, der 1999 ein Volumen von 4,9 Mrd. USD erreicht hat und den weltweit siebtgrößten IT-Markt darstellt.
Auch in der Schweiz hat Heyde mit der 90prozentigen Übernahme der PC Consult, die durch die Ausgabe junger Aktien aus genehmigten Kapital durchgeführt wurde, Geschick bewiesen. Schließlich handelt es sich um ein profitabel arbeitendes Unternehmen, das mit derzeit 20 Mitarbeitern im vergangenen Jahr Umsätze in Höhe von ca. 3 Mio. CHF erwirtschaftete. Das Schweizer Unternehmen bietet IT-Gesamtlösungen überwiegend für Industrie und Handel an und ist somit eine weitere Verstärkung für den Bereich Supply Chain. Zum Kundenkreis gehören namhafte Unternehmen wie UBS.
In Spanien entwickelt sich die spanische Tochtergesellschaft von Heyde Nekkar, die demnächst in die Heyde Spanien übergeführt wird, ebenfalls vielversprechend. Das aus 7-8 ehemaligen Heyde Mitarbeitern bestehende Nekkar-Team arbeitet mit der spanischen Miebach Gesellschaft und dem Madrider Büro von Consulting Partner erfolgreich zusammen.
Fazit
Die getätigten Übernahmen im internationalen und europäischen Ausland lassen keinen Zweifel an dem starken Wachstum von Heyde aufkommen. Interessant ist auch die kürzlich getroffene Aussage des Unternehmens, daß Heyde keine Umsatzprobleme wie z.B. Intershop hat und sich aufgrund der aktuellen Auftragslage kurzfristig daran auch nichts ändern wird, da sich die Gesellschaft auf den europäischen Markt konzentriert. Dennoch wollen wir die Zahlen für das 4. Quartal abwarten, um uns einen genaueren Überblick über die Ertrags- und Kostensituation von Heyde zu verschaffen. Aufgrund der aktuellen Situation stufen wir Heyde von bisher marktneutral auf untergewichten herunter. Beobachtenswert bleibt der wachstumsstarke IT-Dienstleister jedoch allemal.