"Was macht das Wetter?" Was am Telefon als Einleitung einer bemühten Konversation gilt, könnte sich zur Kernfrage manchen Geschäftsessens entwickeln. Nach der Einführung von Optionen auf Strom 1993 und auf Kredite 1996 ist nun die Zeit für Wetterderivate gekommen. Begründet wird ihre Notwendigkeit mit exorbitanten Auswirkungen der Witterung auf die unterschiedlichsten Branchen. So nimmt zum Beispiel in England bei einem Temperaturanstieg um 3 Grad der tägliche Bierverbrauch um 10% zu, wie es in Studien heißt. Ein Rückgang des Thermometers bringt dagegen Umsatzeinbußen mit sich.
Die Chicago Mercantile Exchange schätzt das mit dem Wetter zusammenhängende Risiko für die gesamte US-Wirtschaft auf 2 bis 9Bill. Dollar. Kaum eine Branche, für die sich eine Absicherung gegen Wetterrisiken durch Derivate nicht lohnte: der Speiseeishersteller gegen zu viel Regen im Sommer, der Skiliftbetreiber gegen zu wenig Schnee im Winter oder der Bekleidungshersteller gegen einen zu warmen Winter.
Um Superlative nicht verlegen
Ob solcher Perspektiven sind die Verfechter der Optionen auf kalte und heiße Tage um Superlative nicht verlegen: Es handele sich um den weltweit am schnellsten wachsenden Derivatemarkt. Wer will da schon abseits stehen?
Wie zu Wochenbeginn bekannt geworden ist, hat nun die Deutsche Börse für das Wetter in 30 europäischen Großstädten Indizes erstellt, die als Basis für einen Handel mit Derivaten auf Wetter dienen sollen. Die Londoner Terminbörse Liffe ist schon weiter: Sie entwickelt Future-Kontrakte auf Wetterindizes für Orte wie Oslo, London und Paris. Im Frühjahr soll der Handel beginnen. Auf dem Over-the-Counter-Markt, auf dem Wetterrisiken bis vor wenigen Jahren allenfalls durch klassische Versicherungspolicen abzusichern waren, hat das Geschäft bereits begonnen. Banken wie BNP und Société Générale, aber auch Swiss Re und Enron haben Online-Plattformen eingerichtet. Im kommenden Jahr dürften zudem Adressen wie Citibank, Morgan Stanley und Chase Manhattan auf den Markt drängen, ist zu hören. Hierzulande beobachtet die HypoVereinsbank den Markt. Der Durchbruch von Hedging-Instrumenten auf Wetterrisiken stehe unmittelbar bevor, will manch ein Beobachter glauben machen - und dies schon seit Jahren, wie Spötter entgegnen.
Durchbruch im Schneckentempo
Nicht ohne Grund verläuft der vielfach beschworene Siegeszug der Wetterderivate bislang im Schneckentempo, weshalb die Börsen auf das große Geschäft noch eine Weile warten werden. Die Zielgruppe - neben Energieversorgern vor allem Unternehmen der Landwirtschaft, der Bekleidungs- und Freizeitindustrie - hegt Vorbehalte. Denn eines unterscheidet Optionen auf die Witterung von allen bisherigen derivativen Produkten: Erstmals liegt Terminkontrakten kein Produkt zugrunde, das seinerseits handelbar ist. Entsprechend genau müssen sich Marktakteure mit den Produkten vertraut machen.
Die Derivate basieren auf Indizes, die für jeden Tag, für jeden Monat sowie halbjahresweise die durchschnittliche Temperatur an einem Ort anzeigen. Der Indexwert wird berechnet anhand der Abweichung der Temperatur von 18,3 Grad Celsius. Diese Marke gilt als Referenzwert, unter dem in den USA die Heizkörper und über dem die Klimaanlagen eingeschaltet werden. Liegt die Temperatur an einem Ort im Tages-, Monats- oder Halbjahresmittel bei 11 Grad, so ergeben sich 7 Heizgradtage (Heating Degree Days). Bei einem Niveau von durchschnittlich 20 Grad weist der Index dagegen 2Kühlgradtage (Cooling Degree Days) an.
Prima Geschäftsklima dank Put-Option
Befürchtet nun ein Energieversorger Umsatzeinbußen, weil seiner Erwartung nach wegen eines ungewöhnlich milden Winters der Energieverbrauch nachlassen wird, kann das Unternehmen eine Put-Option auf die Summe der Heizgradtage im kommenden Winterhalbjahr kaufen. Als Ausübungspreis dient die Anzahl der Heizgradtage, unter welcher der Versorger seiner Erfahrung zufolge einen Umsatzrückgang verbucht. Trifft seine Prognose einer ungewöhnlich milden Witterung zu, grenzen die Einnahmen aufgrund des Optionsgeschäfts den Verlust ein. So weit die Theorie.
Die Praxis zeigt: Die Einsicht eines Unternehmens in die Auswirkungen des Wetters auf das Geschäft ist das eine. Etwas anderes ist es, eine Historie etwa der Umsatzzahlen zu erstellen, um Sondereinflüsse zu bereinigen, sie mit historischen Wetterdaten zu vergleichen, Korrelationen zu ermitteln und schließlich die finanziellen Auswirkungen von Wetterschwankungen auf das eigene Geschäft zu beziffern. Zu einer unendlichen Geschichte kann schon der Versuch ausufern, Informationen zur Witterung an Standorten zu erhalten, bei denen es sich zufällig nicht um die 30 europäischen Großstädte handelt, für welche die Deutsche Börse die Daten seit 1969 ins Internet gestellt hat. Dies gilt vor allem für Europa, wie beklagt wird. In den USA stünden Datensätze in ausreichender Menge preiswert zur Verfügung. In Deutschland dauere es dagegen zuweilen 9 bis 15 Wochen, ehe ein Anbieter von Wetterdaten überhaupt ein Angebot präsentiere, heißt es am Handelstisch eines großen deutschen Stromversorgers. Ein klassisch strukturiertes Optionsgeschäft anzubahnen dauert in den Vereinigten Staaten im Mittel rund drei Stunden, in Europa rund drei Wochen.
Wen dies nicht abschreckt, den dürfte der Preis entmutigen. In Deutschland kosten 30 Jahre Datenhistorie für einige wenige Städte schnell fünf- oder sechsstellige Beträge, berichtet Elmar Werner, bei der deutsch-schweizerischen Terminbörse Eurex verantwortlich für die Produktentwicklung.
Lieber um Zinsen und Ölpreis kümmern
Was Wunder, wenn zahlreiche Unternehmen ihr Wetterrisiko nicht zu beziffern vermögen und sich einstweilen lieber um das Zinsrisiko oder um die Entwicklung des Ölpreises kümmern, wie Händler berichten. Das Ergebnis: Der europäische Markt nimmt sich gegenüber dem amerikanischen verschwindend gering aus. Im Sommer dieses Jahres betrug der Nominalwert europäischer Wetterderivate Schätzungen zufolge rund 1% des Volumens in den USA. In Deutschland dürften am Over-the-Counter-Markt bis Jahresende gerade einmal rund 120 Geschäfte mit einem Volumen von etwa 50 Mill. Euro abgeschlossen worden sein. In den Vereinigten Staaten wurden dagegen in den vergangenen drei Jahren etwa 6000 Transaktionen mit einem Volumen von rund 8 Mrd. Dollar abgewickelt.
Laues Lüftchen statt frischer Wind
Doch selbst in den USA spüren die Börsen kaum einen Hauch des neuen Windes, für den die neue Derivategattung sorgen soll. Die Umsätze sind kaum der Rede wert. An der Chicago Mercantile Exchange, die im September 1999 als erste Börse Optionen und Futures auf Kühl- und Heizgradtage in den Metropolen Atlanta, New York, Chicago und Cincinnati zum Handel zuließ, wechselten in den ersten zwölf Monaten 423 Kontrakte den Besitzer, darunter keine einzige Option - der Handel mit Wetterderivaten ist offensichtlich eine Domäne des Over-the-Counter-Handels. Und nach Meinung mancher Fachleute spricht einiges dafür, dass dies vorerst so bleiben wird.
Als Mangel des Handels an der Börse wird vor allem die geringe Zahl der Orte genannt, für die Indizes erstellt werden, seien es vier wie an der Chicago Mercantile Exchange oder 30 wie an der Deutschen Börse. Denn die Absicherung von Wetterrisiken an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit erfordere individuelle Lösungen, die sich kaum in Standards pressen ließen. Darüber hinaus sei der Kunde auf die Beratung eines Brokers angewiesen. Andere Beobachter halten dagegen, die Online-Plattform eines Energieversorgers biete ebenso wenig Beratung wie eine Börse. Zudem sei die ohnehin geringe Liquidität auf wenige Kontrakte zu konzentrieren, um einen Sekundärmarkt zu schaffen.
Die unterschiedlichen Interessen der Marktakteure dürften in den kommenden Jahren zunehmend für eine Teilung des Marktes sorgen: Am außerbörslichen Primärmarkt sichern Unternehmen mit Hilfe individuell gestalteter Produkte ihre Risiken ab; an den großen Handelsplätzen etabliert sich unterdessen ein Sekundärmarkt, an denen Versicherer und Energieunternehmen ihre am Over-the-Counter-Markt eingegangenen Positionen hedgen können.
Theoretisch herrscht eitel Sonnenschein
Grundsätzlich herrschen in Europa gute Bedingungen für einen Börsenhandel mit Wetterderivaten, wie versichert wird. Aufgrund "extrem hoher Temperatur-Korrelationen" eigne sich der Kontinent hervorragend. So habe die Differenz in den Temperaturen in München und London in den vergangenen 30 Jahren in geringerem Maße geschwankt als der Abstand in der Rendite von 10- und 30-jährigen US-Staatsanleihen. Dies bedeute nicht nur, dass sich das Wetterrisiko eines Biergartens in München somit durch Derivate auf den Londoner Wetterindex absichern lasse.
Die Korrelationen erlaubten es darüber hinaus, Risikopositionen im Stile eines Hedge Fund zu eröffnen und entsprechende Strategien zu fahren. Bezweifelt wird unterdessen auch, ob sich die Nachfrage nach Wetterderivaten in Europa ähnlich entwickeln wird wie in den USA.
Bedarf stark wechselhaft
Schon aufgrund geringerer Temperaturschwankungen stellten sich Wetterrisiken in Europa für Unternehmen als nicht annähernd so gravierend wie in den USA dar, heißt es bei einer großen deutschen Versicherung. Im Falle der Energieversorger komme hinzu, dass die Preise auf dem US-Markt infolge von Deregulierungen weitaus volatiler seien als in Europa. Entsprechend höher sei der Bedarf an Instrumenten der Absicherung.
Optimisten meinen dagegen, gerade das Potenzial an Deregulierungen, die in Europa noch zu erwarten seien, lasse auf ein starkes Wachstum des Marktes schließen, zumal in den beiden vergangenen Jahren bereits eine Menge erreicht worden sei.
Noch herrscht auf dem Energiemarkt in Europa ein Überhang an Kapazitäten. Als Konsequenz aus dem sich verschärfenden Wettbewerb haben aber verschiedene Produzenten angekündigt, Kapazitäten stillzulegen und die Produktion zu verringern. Bis sich abschätzen lässt, wie hoch der Bedarf an Wetterderivaten in einem deregulierten europäischen Energiemarkt sein wird, dürften noch einige Jahre ins Land gehen.
Der Deutschen Börse dürfte dies zupass kommen. Denn beim Aufbau der Strukturen für den Handel mit Futures und Optionen auf Wetterindizes an der Eurex setzt die Gesellschaft ihre Hoffnungen auf einen Ausbau der Frankfurter Strombörse EEX. Dort findet in dieser Woche aber gerade erst der Probelauf für den Terminhandel auf Stromkontrakte statt.
Die Chicago Mercantile Exchange schätzt das mit dem Wetter zusammenhängende Risiko für die gesamte US-Wirtschaft auf 2 bis 9Bill. Dollar. Kaum eine Branche, für die sich eine Absicherung gegen Wetterrisiken durch Derivate nicht lohnte: der Speiseeishersteller gegen zu viel Regen im Sommer, der Skiliftbetreiber gegen zu wenig Schnee im Winter oder der Bekleidungshersteller gegen einen zu warmen Winter.
Um Superlative nicht verlegen
Ob solcher Perspektiven sind die Verfechter der Optionen auf kalte und heiße Tage um Superlative nicht verlegen: Es handele sich um den weltweit am schnellsten wachsenden Derivatemarkt. Wer will da schon abseits stehen?
Wie zu Wochenbeginn bekannt geworden ist, hat nun die Deutsche Börse für das Wetter in 30 europäischen Großstädten Indizes erstellt, die als Basis für einen Handel mit Derivaten auf Wetter dienen sollen. Die Londoner Terminbörse Liffe ist schon weiter: Sie entwickelt Future-Kontrakte auf Wetterindizes für Orte wie Oslo, London und Paris. Im Frühjahr soll der Handel beginnen. Auf dem Over-the-Counter-Markt, auf dem Wetterrisiken bis vor wenigen Jahren allenfalls durch klassische Versicherungspolicen abzusichern waren, hat das Geschäft bereits begonnen. Banken wie BNP und Société Générale, aber auch Swiss Re und Enron haben Online-Plattformen eingerichtet. Im kommenden Jahr dürften zudem Adressen wie Citibank, Morgan Stanley und Chase Manhattan auf den Markt drängen, ist zu hören. Hierzulande beobachtet die HypoVereinsbank den Markt. Der Durchbruch von Hedging-Instrumenten auf Wetterrisiken stehe unmittelbar bevor, will manch ein Beobachter glauben machen - und dies schon seit Jahren, wie Spötter entgegnen.
Durchbruch im Schneckentempo
Nicht ohne Grund verläuft der vielfach beschworene Siegeszug der Wetterderivate bislang im Schneckentempo, weshalb die Börsen auf das große Geschäft noch eine Weile warten werden. Die Zielgruppe - neben Energieversorgern vor allem Unternehmen der Landwirtschaft, der Bekleidungs- und Freizeitindustrie - hegt Vorbehalte. Denn eines unterscheidet Optionen auf die Witterung von allen bisherigen derivativen Produkten: Erstmals liegt Terminkontrakten kein Produkt zugrunde, das seinerseits handelbar ist. Entsprechend genau müssen sich Marktakteure mit den Produkten vertraut machen.
Die Derivate basieren auf Indizes, die für jeden Tag, für jeden Monat sowie halbjahresweise die durchschnittliche Temperatur an einem Ort anzeigen. Der Indexwert wird berechnet anhand der Abweichung der Temperatur von 18,3 Grad Celsius. Diese Marke gilt als Referenzwert, unter dem in den USA die Heizkörper und über dem die Klimaanlagen eingeschaltet werden. Liegt die Temperatur an einem Ort im Tages-, Monats- oder Halbjahresmittel bei 11 Grad, so ergeben sich 7 Heizgradtage (Heating Degree Days). Bei einem Niveau von durchschnittlich 20 Grad weist der Index dagegen 2Kühlgradtage (Cooling Degree Days) an.
Prima Geschäftsklima dank Put-Option
Befürchtet nun ein Energieversorger Umsatzeinbußen, weil seiner Erwartung nach wegen eines ungewöhnlich milden Winters der Energieverbrauch nachlassen wird, kann das Unternehmen eine Put-Option auf die Summe der Heizgradtage im kommenden Winterhalbjahr kaufen. Als Ausübungspreis dient die Anzahl der Heizgradtage, unter welcher der Versorger seiner Erfahrung zufolge einen Umsatzrückgang verbucht. Trifft seine Prognose einer ungewöhnlich milden Witterung zu, grenzen die Einnahmen aufgrund des Optionsgeschäfts den Verlust ein. So weit die Theorie.
Die Praxis zeigt: Die Einsicht eines Unternehmens in die Auswirkungen des Wetters auf das Geschäft ist das eine. Etwas anderes ist es, eine Historie etwa der Umsatzzahlen zu erstellen, um Sondereinflüsse zu bereinigen, sie mit historischen Wetterdaten zu vergleichen, Korrelationen zu ermitteln und schließlich die finanziellen Auswirkungen von Wetterschwankungen auf das eigene Geschäft zu beziffern. Zu einer unendlichen Geschichte kann schon der Versuch ausufern, Informationen zur Witterung an Standorten zu erhalten, bei denen es sich zufällig nicht um die 30 europäischen Großstädte handelt, für welche die Deutsche Börse die Daten seit 1969 ins Internet gestellt hat. Dies gilt vor allem für Europa, wie beklagt wird. In den USA stünden Datensätze in ausreichender Menge preiswert zur Verfügung. In Deutschland dauere es dagegen zuweilen 9 bis 15 Wochen, ehe ein Anbieter von Wetterdaten überhaupt ein Angebot präsentiere, heißt es am Handelstisch eines großen deutschen Stromversorgers. Ein klassisch strukturiertes Optionsgeschäft anzubahnen dauert in den Vereinigten Staaten im Mittel rund drei Stunden, in Europa rund drei Wochen.
Wen dies nicht abschreckt, den dürfte der Preis entmutigen. In Deutschland kosten 30 Jahre Datenhistorie für einige wenige Städte schnell fünf- oder sechsstellige Beträge, berichtet Elmar Werner, bei der deutsch-schweizerischen Terminbörse Eurex verantwortlich für die Produktentwicklung.
Lieber um Zinsen und Ölpreis kümmern
Was Wunder, wenn zahlreiche Unternehmen ihr Wetterrisiko nicht zu beziffern vermögen und sich einstweilen lieber um das Zinsrisiko oder um die Entwicklung des Ölpreises kümmern, wie Händler berichten. Das Ergebnis: Der europäische Markt nimmt sich gegenüber dem amerikanischen verschwindend gering aus. Im Sommer dieses Jahres betrug der Nominalwert europäischer Wetterderivate Schätzungen zufolge rund 1% des Volumens in den USA. In Deutschland dürften am Over-the-Counter-Markt bis Jahresende gerade einmal rund 120 Geschäfte mit einem Volumen von etwa 50 Mill. Euro abgeschlossen worden sein. In den Vereinigten Staaten wurden dagegen in den vergangenen drei Jahren etwa 6000 Transaktionen mit einem Volumen von rund 8 Mrd. Dollar abgewickelt.
Laues Lüftchen statt frischer Wind
Doch selbst in den USA spüren die Börsen kaum einen Hauch des neuen Windes, für den die neue Derivategattung sorgen soll. Die Umsätze sind kaum der Rede wert. An der Chicago Mercantile Exchange, die im September 1999 als erste Börse Optionen und Futures auf Kühl- und Heizgradtage in den Metropolen Atlanta, New York, Chicago und Cincinnati zum Handel zuließ, wechselten in den ersten zwölf Monaten 423 Kontrakte den Besitzer, darunter keine einzige Option - der Handel mit Wetterderivaten ist offensichtlich eine Domäne des Over-the-Counter-Handels. Und nach Meinung mancher Fachleute spricht einiges dafür, dass dies vorerst so bleiben wird.
Als Mangel des Handels an der Börse wird vor allem die geringe Zahl der Orte genannt, für die Indizes erstellt werden, seien es vier wie an der Chicago Mercantile Exchange oder 30 wie an der Deutschen Börse. Denn die Absicherung von Wetterrisiken an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit erfordere individuelle Lösungen, die sich kaum in Standards pressen ließen. Darüber hinaus sei der Kunde auf die Beratung eines Brokers angewiesen. Andere Beobachter halten dagegen, die Online-Plattform eines Energieversorgers biete ebenso wenig Beratung wie eine Börse. Zudem sei die ohnehin geringe Liquidität auf wenige Kontrakte zu konzentrieren, um einen Sekundärmarkt zu schaffen.
Die unterschiedlichen Interessen der Marktakteure dürften in den kommenden Jahren zunehmend für eine Teilung des Marktes sorgen: Am außerbörslichen Primärmarkt sichern Unternehmen mit Hilfe individuell gestalteter Produkte ihre Risiken ab; an den großen Handelsplätzen etabliert sich unterdessen ein Sekundärmarkt, an denen Versicherer und Energieunternehmen ihre am Over-the-Counter-Markt eingegangenen Positionen hedgen können.
Theoretisch herrscht eitel Sonnenschein
Grundsätzlich herrschen in Europa gute Bedingungen für einen Börsenhandel mit Wetterderivaten, wie versichert wird. Aufgrund "extrem hoher Temperatur-Korrelationen" eigne sich der Kontinent hervorragend. So habe die Differenz in den Temperaturen in München und London in den vergangenen 30 Jahren in geringerem Maße geschwankt als der Abstand in der Rendite von 10- und 30-jährigen US-Staatsanleihen. Dies bedeute nicht nur, dass sich das Wetterrisiko eines Biergartens in München somit durch Derivate auf den Londoner Wetterindex absichern lasse.
Die Korrelationen erlaubten es darüber hinaus, Risikopositionen im Stile eines Hedge Fund zu eröffnen und entsprechende Strategien zu fahren. Bezweifelt wird unterdessen auch, ob sich die Nachfrage nach Wetterderivaten in Europa ähnlich entwickeln wird wie in den USA.
Bedarf stark wechselhaft
Schon aufgrund geringerer Temperaturschwankungen stellten sich Wetterrisiken in Europa für Unternehmen als nicht annähernd so gravierend wie in den USA dar, heißt es bei einer großen deutschen Versicherung. Im Falle der Energieversorger komme hinzu, dass die Preise auf dem US-Markt infolge von Deregulierungen weitaus volatiler seien als in Europa. Entsprechend höher sei der Bedarf an Instrumenten der Absicherung.
Optimisten meinen dagegen, gerade das Potenzial an Deregulierungen, die in Europa noch zu erwarten seien, lasse auf ein starkes Wachstum des Marktes schließen, zumal in den beiden vergangenen Jahren bereits eine Menge erreicht worden sei.
Noch herrscht auf dem Energiemarkt in Europa ein Überhang an Kapazitäten. Als Konsequenz aus dem sich verschärfenden Wettbewerb haben aber verschiedene Produzenten angekündigt, Kapazitäten stillzulegen und die Produktion zu verringern. Bis sich abschätzen lässt, wie hoch der Bedarf an Wetterderivaten in einem deregulierten europäischen Energiemarkt sein wird, dürften noch einige Jahre ins Land gehen.
Der Deutschen Börse dürfte dies zupass kommen. Denn beim Aufbau der Strukturen für den Handel mit Futures und Optionen auf Wetterindizes an der Eurex setzt die Gesellschaft ihre Hoffnungen auf einen Ausbau der Frankfurter Strombörse EEX. Dort findet in dieser Woche aber gerade erst der Probelauf für den Terminhandel auf Stromkontrakte statt.