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Hedgefonds-Finanziers
Sie wissen nicht, was sie tun
Von Lutz Knappmann
Hedgefonds betreiben ein undurchsichtiges Geschäft: Ihre Spekulationen finanzieren sie häufig auf Pump, auch mit dem Geld europäischer Banken. Die EZB warnt nun in einer Studie, dass viele Kreditgeber die Risiken unterschätzen.
Hamburg - Als John Meriwether die Zahlen entglitten, schaute das Weltfinanzsystem in den Abgrund. Die Wallstreet-Legende hatte sich verspekuliert. Die Rechenmodelle seines Fonds LTCM, die die renommierten Nobelpreisträger Robert Merton und Byron Scholes entwickelt hatten, bargen Lücken. Und deren Folgen drohten, apokalyptische Ausmaße anzunehmen.
DPAEZB-Sitz: Studie prüft Risiken |
Denn LTCM hatte ausgerechnet auf Kursänderungen bei Staatsanleihen spekuliert. Am Ende ging dem Hedgefonds das Geld aus, um seine Verbindlichkeiten zu besichern. Das Eigenkapital schrumpfte auf 600 Millionen Dollar. Dabei jonglierte der Fonds zeitweise mit Finanzkontrakten im Gesamtwert von 1,25 Billionen Dollar.
Nur eine gemeinsame Rettungsaktion der US-Notenbank und zahlreicher Großbanken rettete LTCM vor dem Kollaps. Mit einer Finanzspritze von rund 3,7 Milliarden Dollar verhinderten sie, dass der gestrauchelte Renditestar auf dem Kapitalmarkt einen fatalen Dominoeffekt auslöste. So sorgte das LTCM-Debakel nur für eine kontroverse Diskussion über die Regulierung riskanter Kapitalmarktgeschäfte.
Heute, sieben Jahre später, ist die Debatte über eine strengere Kontrolle von Hedgefonds nach wie vor hochaktuell. Erst vor wenigen Tagen forderte die Bundestagsfraktion der Linkspartei/PDS, Hedgefonds in Deutschland künftig generell nicht mehr zuzulassen. Sie hätten sich in der Vergangenheit zu einem Problem für die Stabilität der Finanzmärkte entwickelt, formulierten die Antragsteller.
Solche Forderungen sind zwar Extrempositionen in einer häufig emotional geführten Diskussion - und haben wenig Aussicht auf Erfolg. Doch auch die große Koalition in Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, "auf internationaler Ebene für eine angemessene Aufsicht und Transparenz von Hedgefonds" zu kämpfen. Denn abseits sattsam bekannter Heuschrecken-Szenarien, nehmen Politiker und Finanzexperten die Frage, welche Gefahr die riskanten Fonds für die Stabilität des Weltfinanzsystems bergen, sehr ernst.
Woher stammt das Geld?
Die Branche wächst rasant. Weit mehr als 8000 Hedgefonds sind mittlerweile weltweit zugelassen. Sie verwalten ein Fondsvolumen von insgesamt rund einer Billion Dollar. Und längst nicht alle stehen auf so festem Boden wie der Deutsche-Börse-Schreck TCI oder der mit 44 Milliarden Dollar Volumen weltgrößte Anbieter Man Group. Rund 1600 Hedgefonds, so schätzt das London Centre for Economics and Business Research, müssen möglicherweise innerhalb der nächsten zwei Jahre dichtmachen.
Über die Folgen solcher Krisen entscheidet nicht allein die Frage, was die Fonds mit ihrem Geld gemacht haben, sondern vor allem, wo es herkommt. Denn üblicherweise stammt nur ein Bruchteil des Fondsvolumens aus Eigenkapital. Wirklich lohnend wird das Geschäft für die Renditejäger häufig erst, wenn sie ihre Spekulationen mit Hilfe von Krediten finanzieren. Im Extrembeispiel LTCM lag das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital bei fast 1 zu 30 - mit einer entsprechend gewaltigen Hebelwirkung, dem so genannten Leverage-Effekt.
"Der Einsatz von Fremdkapital vergrößert jedoch nicht nur die Renditen, sondern erhöht auch die Liquiditäts-, Markt- und Kreditrisiken", schreibt der Internationale Währungsfonds IWF in einem "Stability Report". Strauchelt ein Fonds, reißt er die Banken, mit deren Geld er spekuliert, mit in die Krise - mit kaum absehbaren Folgen für die Kapitalmärkte.
"Die Risiken wachsen exponentiell", warnte Jochen Sanio, damals Vizepräsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, schon 1998. "Die Selbstregulierung der Märkte hat bei den Risikofonds versagt", so Sanio, heute Chef der Finanzaufsicht BaFin, im Blick auf den LTCM-Crash.
Aber haben die Marktteilnehmer aus dem Zwischenfall von 1998 tatsächlich Konsequenzen gezogen und ihre Kontrollmechanismen verbessert? Oder könnte sich ein Crash von LTCM-Ausmaßen jederzeit wiederholen?
Eine aktuelle Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) zeichnet ein nur vordergründig beruhigendes Bild. Die Bankenaufsichtskommission der Notenbank untersuchte die Abhängigkeit europäischer Großbanken von Hedgefonds - und kam zu einem nüchternen Ergebnis: Die jüngsten Entwicklungen in der Hedgefondsbranche stellten "nicht notwendigerweise eine direkte Gefahr für die finanzielle Stabilität" der EU-Banken und des europäischen Finanzsektors dar.
Hauptgrund sei, dass das Prime Brokerage, also die Abwicklung und Finanzierung der Hedgefondsgeschäfte, von US-Banken dominiert werde. Die Engagements der EU-Banken fielen vergleichsweise klein aus. Die drei größten Prime Broker sind die Investmentbanken Morgan Stanley , Bear Stearns und Goldman Sachs , die jeweils zwischen 50 und 66 Milliarden Dollar an Hedgefonds ausgeliehen haben.
EZB warnt vor ernsten Problemen
Scott Bugie, Managing Director für den Bereich Europäische Finanzdienstleister bei der Ratingagentur Standard & Poor's unterstützt die EZB-These: "In Europa gibt es faktisch keine Abhängigkeit der Großbanken von Hedgefonds", so Bugie gegenüber manager-magazin.de. "Selbst wenn die Hedgefonds allesamt schlössen, wäre das für die Banken keine große Sache." Einige europäische Institute seien zwar im Hedgefondsgeschäft beteiligt. Kein Geldhaus agiere jedoch als treibender Teilnehmer und bei keiner Bank sei das Engagement entscheidend für das Gesamtergebnis.
Doch ganz so leicht wollen es viele Finanzexperten dann doch nicht nehmen. Die EZB-Formulierung "nicht notwendigerweise" ist in ihren Augen eben keine Entwarnung für Europas Banken. Denn die EZB-Studie hat in der Geschäftspolitik der europäischen Marktteilnehmer eine Reihe von Mängeln ausgemacht, "die zu einem ernsten Problem werden könnten, sollten die derzeit freundlichen Marktbedingungen umschlagen".
So kritisieren die europäischen Bankenaufseher, dass einige Geldhäuser angesichts des harten Wettbewerbs ihre Risikoabsicherung aufweichten und große Hedgefonds so besonders freundliche Geschäftsbedingungen herausschlagen konnten. "Die großen Fonds scheinen genügend finanziellen Einfluss zu haben, dass sie Konzessionen erreichen konnten, beispielsweise in Form schwächerer Anforderungen für die Besicherung von Krediten", formulieren die Notenbanker.
Auch Standard & Poor's-Experte Bugie räumt ein, dass die europäischen Banken in der Vergangenheit nur wenig an ihren Kontrollmechanismen verbessert haben. Dass ein Hedgefondscrash heute möglicherweise weniger dramatische Folgen hätte als noch 1998, liege vor allem daran, "dass die Engagements der Banken im Vergleich zu damals weitaus diversifizierter sind", so Bugie.
Noch immer sind die Geschäfte der Hedgefonds für Außenstehende kaum zu durchschauen. "Die Prime Broker sind in diesem Geschäft die Einzigen, die überhaupt wissen, wie die Hedgefonds investieren", sagt der Chefstratege der Fondsgesellschaft Schroders, Alan Brown, im Gespräch mit manager-magazin.de. Doch selbst diese Einschätzung zweifeln Autoren der EZB-Studie an: Nach ihren Beobachtungen haben die Banken oft nur unzureichende Informationen über das Risiko, das die Hedgefonds mit ihren Anlagestrategien eingehen.
"Die meisten Stresstests der Banken überblicken lediglich historische Daten", kritisiert die Studie. "Zudem haben die Banken meist nur Einzelengagements geprüft." Dabei bleibe unklar, ob die Beteiligungen verschiedener Banken die Folgen einer Fondsschieflage im Zusammenspiel möglicherweise noch verstärken. Zumal viele Hedgefonds ihre Kreditgeber offenbar im Unklaren lassen, wie viel Fremdkapital sie insgesamt einsetzen - und wie hoch damit der Leverage-Effekt ausfällt.
Kein Überblick im eigenen Haus
Nicht einmal in ihrem eigenen Haus haben manche Finanzinstitute offenbar den nötigen Überblick: "Einige größere Banken hatten Schwierigkeiten, all ihre Hedgefondsengagements über verschiedene Geschäftsbereiche oder Regionen hinweg aggregiert zu betrachten", schreibt die EZB.
Dass die europäischen Banken im Vergleich mit ihren US-Wettbewerbern eine eher geringe Rolle im Hedgefondsgeschäft spielen, ist da nur ein schwacher Trost. Das geringe Volumen der direkten Engagements europäischer Banken könne die tatsächlichen Risiken verharmlosen, schlussfolgern die Zentralbanker. Im Krisenfall könnten externe Effekte auftreten, "die nicht aus den direkten Engagements selbst abzuleiten sind".
Solche Erkenntnisse sind Wasser auf die Mühlen der Regulierungsbefürworter. Zwar bemüht sich die EZB, die Ergebnisse ihrer Studie nicht zu dramatisieren. Die EU-Banken hätten durchaus klare Regeln für den Umgang mit Hedgefonds getroffen, betonen die Kontrolleure. Doch Forderungen nach mehr Transparenz und Kontrolle im Geschäft der Renditejäger wird das kaum entkräften.
Im nationalen Alleingang dürften strengere Regeln freilich wirkungslos bleiben. Der scheidende US-Zentralbankchef Alan Greenspan, ohnehin ein Gegner staatlicher Fondsaufsicht, warnt seit langem, eine Verschärfung der Kontrollen würde gerade die aggressivsten Fonds aus dem Land treiben. "Wenn die Fonds abwandern", so Greenspan, "dann verlieren wir völlig die Übersicht."
Kontrollen lassen sich umgehen
Das Beispiel USA zeigt aber auch, dass selbst die Einführung von Kontrollmechanismen nicht unbedingt zu mehr Transparenz führt: Vom 1. Februar 2006 an gilt dort eine Meldepflicht für Hedgefonds. Übersteigt das Fondsvolumen 25 Millionen Dollar und sind mindestens 15 Investoren beteiligt, müssen sich die Anbieter bei der Börsenaufsicht SEC registrieren. Sie unterliegen dann zudem strengeren Informationspflichten.
Vor allem die etablierten Fondshäuser begrüßen diese Regeln. Doch einige Branchenvertreter treffen mittlerweile Vorbereitungen, die Kontrollen zu umgehen. Sie erwägen beispielsweise, fortan die Zahl ihrer Kunden auf maximal 15 zu begrenzen, um so der Meldepflicht zu entgehen. Ihre Risikostruktur und Anlagestrategie bleibt damit weiterhin im Dunklen.
Schwacher Trost für die düpierten Aufseher: Eine Größendimension wie der gestrauchelte Fondsriese LTCM dürften diese Kandidaten kaum erreichen. Die Schockwellen eines Fondszusammenbruchs würde das zumindest etwas begrenzen.