Dax-Konzerne fürchten Einmischung der Investoren
Hedge-Fonds – die neue Börsenmacht
Ein Gespenst geht um in der deutschen Wirtschaft, das Gespenst der Hedge-Fonds. Aggressiv seien sie, wollten Unternehmen zerschlagen, heißt es. Die Realität sieht jedoch anders aus.
mm/ret/rob FRANKFURT. In den Vorstandsetagen der Dax-Konzerne breitet sich die Furcht vor aggressiven angelsächsischen Investoren aus. Mittlerweile kontrollieren die Hedge-Fonds 20 bis 25 Prozent des deutschen Aktienmarktes, fünf Prozent mehr als im vergangenen Jahr, schätzt die US-Investmentbank Lehman Brothers.
Bei Daimler-Chrysler sollen die Fonds bereits die Aufspaltung des Konzerns planen. Ähnliche Gerüchte und Spekulationen machen bei Linde, Man und der Commerzbank die Runde. „Das sind Realitäten, auf die sich die Konzerne einstellen müssen, die bequemen Zeiten der Deutschland AG sind endgültig vorbei“, sagt Christian Spieler von Lehman Brothers.
Wozu die Spekulanten fähig sind, hat der Fall Deutsche Börse gezeigt. Im Frühjahr 2005 verhinderte vor allem der britische Investor Chris Hohn mit seinem TCI–Fonds die Übernahme der Londoner Börse LSE durch den deutschen Konkurrenten. TCI zwang die Frankfurter, einen erheblichen Teil ihrer Barmittel auszuschütten. Vorstandschef Seifert musste auf Druck der Aktionäre seinen Hut nehmen. Kein Zweifel, die Macht der Hedge-Fonds wächst: 1998 kontrollierten sie nach Schätzungen von Merrill Lynch ein Vermögen von 375 Mrd. Dollar, heute sind es bereits 1,3 Bill. Dollar, bis 2008 soll die Summe auf 3,1 Billionen steigen.
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn nur ein Bruchteil der Hedge-Fonds verfolgt tatsächlich die aggressiven Strategien, vor denen sich die deutschen Vorstände fürchten. „Natürlich müssen sich die Unternehmen mit dem Phänomen ernsthaft auseinander setzen, aber manchmal wirkt die Reaktion schon etwas übertrieben“, sagt Peter Kollmann von Merrill Lynch. Er warnt vor Panikmache: „Wer ordentlich mit seinen Investoren kommuniziert, und wer keine groben Management-Fehler begeht, der bietet auch kaum Angriffsflächen.“
Merrill Lynch hat den Markt genau analysiert und kommt zu dem Schluss, dass sich die Zahl der aggressiven „Event-Driven“-Investoren in den vergangenen 15 Jahren zwar verdreifacht hat, aber noch immer nur 15 Prozent aller Hedge-Fonds ausmacht (siehe Kasten). Event-Driven-Fonds steigen mit größeren Paketen mittelfristig bei Unternehmen ein, bei denen größere Veränderungen anstehen und versuchen durch Druck auf das Management oder seltener über die Öffentlichkeit wertsteigernde Veränderungen durchzusetzen. Dabei kann es beispielsweise um eine Aufspaltung des Konzerns gehen oder um die Ausschüttung von angehäuften Barreserven.
„Dort, wo diese Hedge-Fonds Ineffizienzen sehen, investieren sie“, erläutert Lars Jäger von der Schweizer Partners Group. „Es ist eindeutig, dass Hedge-Fonds immer stärker die in der Vergangenheit vom Aufsichtsrat nur ungenügend ausgefüllte Rolle einer Kontrollinstanz übernehmen“, sagt Sy Schlüter, Chef des ersten deutschen Hedge-Fonds Copernicus. „Herkömmliche Investmentfonds schließen sich dann gerne unseren Vorschlägen an“, betont ein britischer Hedge-Fonds-Manager.
Nach Einschätzung von Schlüter bieten sich neben Daimler, wo die Hedge-Fonds derzeit mit 20 Prozent engagiert sein sollen, MAN und Linde am ehesten für eine Aufspaltungsstrategie an. Die Überlegungen der Investoren laufen darauf hinaus, dass die Einzelbewertung der verschiedenen Unternehmensteile – also der so genannte „Breakup Value“ – addiert einen höheren Wert als der aktuelle Aktienkurs ergibt. Dies rufe nicht nur Hedge-Fonds, sondern auch Private-Equity-Investoren auf den Plan, die hoffen, abgespaltene Unternehmensteile preisgünstig kaufen zu können, sagt Schlüter.
Solche radikalen Szenarien spielen allerdings nicht nur Hedge-Fonds und Beteiligungsgesellschaften, sondern auch traditionelle Aktienfonds durch. Diese Investoren hätten sich in der Vergangenheit mit der Kritik an den Unternehmen zurückgehalten, weil sie das Diktat der Geschäftsbeziehungen ihrer Mutterhäuser – der Großbanken also – dazu gezwungen habe, heißt es bei einem britischen Hedge-Fonds.
Doch nicht immer geht es bei den Investitionen der Spekulanten um die Ineffizienzen des deutschen Marktes. Einige Hedge-Fonds-Manager in London erklären ihr zunehmendes Deutschland-Engagement auch mit den erfolgreichen Wirtschaftsreformen der vergangenen Jahre und der Hoffnung auf einen Regierungswechsel nach der Bundestagswahl am 18. September. Seit Jahresbeginn hat der Deutsche Aktienindex rund 14 Prozent zugelegt und damit besser abgeschnitten als die Wall Street und auch die meisten anderen europäischen Börsenbarometer übertroffen.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 07. September 2005, 13:46 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Hedge-Fonds – die neue Börsenmacht
Ein Gespenst geht um in der deutschen Wirtschaft, das Gespenst der Hedge-Fonds. Aggressiv seien sie, wollten Unternehmen zerschlagen, heißt es. Die Realität sieht jedoch anders aus.
mm/ret/rob FRANKFURT. In den Vorstandsetagen der Dax-Konzerne breitet sich die Furcht vor aggressiven angelsächsischen Investoren aus. Mittlerweile kontrollieren die Hedge-Fonds 20 bis 25 Prozent des deutschen Aktienmarktes, fünf Prozent mehr als im vergangenen Jahr, schätzt die US-Investmentbank Lehman Brothers.
Bei Daimler-Chrysler sollen die Fonds bereits die Aufspaltung des Konzerns planen. Ähnliche Gerüchte und Spekulationen machen bei Linde, Man und der Commerzbank die Runde. „Das sind Realitäten, auf die sich die Konzerne einstellen müssen, die bequemen Zeiten der Deutschland AG sind endgültig vorbei“, sagt Christian Spieler von Lehman Brothers.
Wozu die Spekulanten fähig sind, hat der Fall Deutsche Börse gezeigt. Im Frühjahr 2005 verhinderte vor allem der britische Investor Chris Hohn mit seinem TCI–Fonds die Übernahme der Londoner Börse LSE durch den deutschen Konkurrenten. TCI zwang die Frankfurter, einen erheblichen Teil ihrer Barmittel auszuschütten. Vorstandschef Seifert musste auf Druck der Aktionäre seinen Hut nehmen. Kein Zweifel, die Macht der Hedge-Fonds wächst: 1998 kontrollierten sie nach Schätzungen von Merrill Lynch ein Vermögen von 375 Mrd. Dollar, heute sind es bereits 1,3 Bill. Dollar, bis 2008 soll die Summe auf 3,1 Billionen steigen.
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn nur ein Bruchteil der Hedge-Fonds verfolgt tatsächlich die aggressiven Strategien, vor denen sich die deutschen Vorstände fürchten. „Natürlich müssen sich die Unternehmen mit dem Phänomen ernsthaft auseinander setzen, aber manchmal wirkt die Reaktion schon etwas übertrieben“, sagt Peter Kollmann von Merrill Lynch. Er warnt vor Panikmache: „Wer ordentlich mit seinen Investoren kommuniziert, und wer keine groben Management-Fehler begeht, der bietet auch kaum Angriffsflächen.“
Merrill Lynch hat den Markt genau analysiert und kommt zu dem Schluss, dass sich die Zahl der aggressiven „Event-Driven“-Investoren in den vergangenen 15 Jahren zwar verdreifacht hat, aber noch immer nur 15 Prozent aller Hedge-Fonds ausmacht (siehe Kasten). Event-Driven-Fonds steigen mit größeren Paketen mittelfristig bei Unternehmen ein, bei denen größere Veränderungen anstehen und versuchen durch Druck auf das Management oder seltener über die Öffentlichkeit wertsteigernde Veränderungen durchzusetzen. Dabei kann es beispielsweise um eine Aufspaltung des Konzerns gehen oder um die Ausschüttung von angehäuften Barreserven.
„Dort, wo diese Hedge-Fonds Ineffizienzen sehen, investieren sie“, erläutert Lars Jäger von der Schweizer Partners Group. „Es ist eindeutig, dass Hedge-Fonds immer stärker die in der Vergangenheit vom Aufsichtsrat nur ungenügend ausgefüllte Rolle einer Kontrollinstanz übernehmen“, sagt Sy Schlüter, Chef des ersten deutschen Hedge-Fonds Copernicus. „Herkömmliche Investmentfonds schließen sich dann gerne unseren Vorschlägen an“, betont ein britischer Hedge-Fonds-Manager.
Nach Einschätzung von Schlüter bieten sich neben Daimler, wo die Hedge-Fonds derzeit mit 20 Prozent engagiert sein sollen, MAN und Linde am ehesten für eine Aufspaltungsstrategie an. Die Überlegungen der Investoren laufen darauf hinaus, dass die Einzelbewertung der verschiedenen Unternehmensteile – also der so genannte „Breakup Value“ – addiert einen höheren Wert als der aktuelle Aktienkurs ergibt. Dies rufe nicht nur Hedge-Fonds, sondern auch Private-Equity-Investoren auf den Plan, die hoffen, abgespaltene Unternehmensteile preisgünstig kaufen zu können, sagt Schlüter.
Solche radikalen Szenarien spielen allerdings nicht nur Hedge-Fonds und Beteiligungsgesellschaften, sondern auch traditionelle Aktienfonds durch. Diese Investoren hätten sich in der Vergangenheit mit der Kritik an den Unternehmen zurückgehalten, weil sie das Diktat der Geschäftsbeziehungen ihrer Mutterhäuser – der Großbanken also – dazu gezwungen habe, heißt es bei einem britischen Hedge-Fonds.
Doch nicht immer geht es bei den Investitionen der Spekulanten um die Ineffizienzen des deutschen Marktes. Einige Hedge-Fonds-Manager in London erklären ihr zunehmendes Deutschland-Engagement auch mit den erfolgreichen Wirtschaftsreformen der vergangenen Jahre und der Hoffnung auf einen Regierungswechsel nach der Bundestagswahl am 18. September. Seit Jahresbeginn hat der Deutsche Aktienindex rund 14 Prozent zugelegt und damit besser abgeschnitten als die Wall Street und auch die meisten anderen europäischen Börsenbarometer übertroffen.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 07. September 2005, 13:46 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter