Mails/Nachrichten vom 13.05.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
die nächsten fünf Börsentage bringen eine Vorentscheidung. Nämlich darüber, ob nach dem kürzlichen Zwischenspurt vom Dienstag vergangener Woche und die darauf folgende Korrektur der Anfang einer weiteren Rally war oder aber nur wirklich nur eine Korrektur in einem Bärenmarkt. Das ist mit der Markttechnik vom Freitag in der Tat schwierig zu entscheiden. Besorgniserregend ist dies allerdings nur für alle diejenigen, die ausschließlich auf Technologie fixiert sind. Alle anderen haben wiederum damit rein gar nichts zu tun. Mag sein, daß Sie diese Zweiteilung der Märkte nicht wahrnehmen wollen, aber sie ist nun mal ein Tatbestand.
Auf einen Punkt gebracht: Die Technologie hat eine wahnsinnige Baisse hinter sich, aber längst noch keine große Hausse vor sich. Die Midcaps und sogar Smallcaps zeigen eine unverändert freundliche bis feste Tendenz und darin spiegelt sich die tatsächliche Konjunktur jeden Landes, übrigens nicht nur in den USA, sondern auch bei uns. Denn die Midcap-Indizes kann man bedingt mit dem MDAX vergleichen. Es lohnt sich daher, die nächste AB diesbezüglich etwas sorgfältiger zu lesen.
Der technische Eindruck für den Wochenstart: Der Dow Jones zeigte letzte Woche den Ansatz zur Wende, der bis Freitag wieder in Frage gestellt war. Stütze ist im Moment nur die Daily-Basis, so daß ich davon ausgehe, daß wir zum Wochenende einen höheren Dow Jones haben werden. Der Nasdaq Composite ist die Schwachstelle und hat noch ein Risiko bis knapp unter 1.500, bestimmt aber die Tagesmeinung. Bei seiner hohen Volatilität sind locker 150 Punkte an einem Tag machbar, also auch in dieser Woche. Übertragen auf Deutschland: Der DAX hat seinen Dreh noch nicht geschafft. Darin war ich etwas zu optimistisch, als ich dies für die erste Maiwoche avisierte. Nun wird es die zweite. Rufen Sie den DAX auf der BernSTEIN-Applikation auf. Wählen Sie sowohl die Daily- als auch die Weekly-Basis. Die Situation ist fast so spannend wie Mitte September im letzten Jahr. Das werden Sie kaum glauben.
Näher betrachtet: Das Downside-Volume lag am Freitag an der Nyse wieder bei fast dem Vierfachen des Upside-Volume. Im Nasdaq war es das Siebenfache. Die Verkäufe überwiegen also bedeutend. Damit fiel erstmals seit 6 Wochen die Relation new highs/new lows leicht ins Minus, während es an der Nyse noch knapp im Plus geblieben ist. Auch dies ist kein befriedigendes Signal.
Die Airline-Spekulation breche ich ab. Sie begann unmittelbar nach dem 11. September und brachte bisher ganz gute Gewinne. Den größten in CONTINENTAL, gefolgt von AMR. US-AIR steht aber auf der Kippe. Hier liegt das Ergebnis knapp im Plus, wenn Sie noch heute aussteigen. Übrigens gilt das auch für AIR FRANCE in Paris aus gleichem Grund. Kommt es zu einer Pleite bei US-AIR (Chapter 11), rechne ich mit erheblich eingeschränkten Kommentaren vieler Analysten. Also das übliche Spiel.
In der Telekom-Spekulation, die ich Gott sei Dank noch abgebrochen hatte (trotz Verlust), wäre Chapter 11 für WORLDCOM das Gegenteil. Diese überfällige Marktbereinigung könnte dann beginnen und würde Titel wie AT&T bzw. SPRINT u. a. in eine neue Position bringen. Daraus resultieren im Moment allerdings noch keine Käufe. Schließlich:
Ich hatte die Spekulation in den Energietiteln ebenfalls und abrupt beendet. Die Ermittlungen der Behörden in Sachen Energiehandel im Nachgang zu ENRON sind allerdings eher fragwürdig. Das ändert vorerst aber nichts daran, daß solche Titel in der gegenwärtigen Nervosität sinnlos nach unten geprügelt werden. Wo die neue Basis liegt, ist offen. Worum geht es? Zum Beispiel darum, daß ein Handelsgeschäft über 80 Mio $ (0,02 % des Umsatzes) nicht ordnungsgemäß abgerechnet wurde. Darauf verlor DYNEGY mehr als 50 % seines Börsenwertes, ergo rd. 4,5 Mrd $. Auch das ist New York!
Frankfurt hat eine gute Chance, sich von diesen typischen amerikanischen Hintergründen zu lösen. Die Nachricht, daß die japanische DAIMLER-Tochter in die schwarzen Zahlen gekommen ist, dürfte Sie nicht überraschen. Ich hatte es schon vor einigen Wochen avisiert, ebenso wie für den Fall CHRYSLER. Die Übernahme des LKW-Geschäftes von MM gilt übrigens als sicher. Die Zahlen für die US-Tochter FREIGHTLINER werden sich ab April/Mai ebenfalls bessern. Der Spuk mit der großen Krise der amerikanischen LKW-Tochter wird sich als eine weitere Medienblase erweisen. Sie können es übrigens an den Kursen der Konkurrenten NAVISTAR und PACCAR schon ablesen. Die für MM genannten Verschuldungen von 13 Mrd E. sind ebenfalls unwichtig. Die Nettoverschuldung von MM beträgt nach meinen Informationen nur etwa 4 - 4,5 Mrd E. (umgerechnet).
Die deutschen Technologieaktien fassen Sie weiterhin nicht an. Täglich spielen dürfen Sie, investieren nicht. Was ORACLE in Sachen SOFTWARE soeben von sich gab und MICROSOFT mit dem Kauf von NAVISION in Europa vor hat, läßt die deutschen Softwäreküchen in der Bewertung eher sinken als steigen. Was ich in der letzten AB dazu schrieb, unterstreiche ich heute morgen.
Merken Sie sich das Wort „German Tech“. Ich habe es früher erfunden und gelegentlich in den letzten Briefen verwendet. Es umschreibt die Aktien, die im kommenden Konjunkturaufschwung die wahrscheinlichsten und größten Gewinner sind, weil sie drei Dinge in sich vereinen: 1. Technische Qualität der Produkte, 2. Sogwirkung der Konjunktur im In- und Ausland für den Umsatz und den Ertrag und 3. eine unverhältnismäßig niedrige Bewertung. Diese Aktien haben leider ein Handicap: Enge Märkte und mithin schwierige Markttechnik. Damit umzugehen, ist nicht einfach, aber machbar.
Von allen Finanzdienstleistern, gleich welcher Art, halten Sie sich weiterhin fern. Ich nenne ausdrücklich keine Namen, um diese „armen Teufel“ nicht noch stärker unter Druck zu bringen. Von mir bis auf eine oder zwei nie empfohlen (Ausnahme BAADER), aber auch hier gilt: Erst wenn sie verschwunden sind, ist der Markt sauber.
DT. TELEKOM ist weiterhin eine Schicksalsaktie für den ganzen Markt. Ich sage dies ausdrücklich, auch wenn ich hierbei für einige Wochen schiefliegen mag. Genauso wie es richtig war, bei Kursen über 100 E. die damalige Bewertung zu bezweifeln und als absurd zu bezeichnen, so gilt jetzt das Gegenteil. Dazu bitte merken: Wenn der letzte Analyst das Schiff verlassen hat, wird es nicht sinken, sondern flotte Fahrt aufnehmen.
Einige Termine sind zu beachten: Heute ist HEIDELBERGER DRUCK mit den vorläufigen Zahlen für 2001 dran. Morgen kommen BEIERSDORF und SAP SI sowie MÜHLBAUER als neues Mitglied im Nemax 50. Am Mittwoch folgen LOEWE, PFLEIDERER und RHEINHOLD & MAHLA sowie RINOL, die ich alle ausdrücklich erwähne. Am Donnerstag läuft es eine Nummer größer mit den Quartalszahlen von ALLIANZ und E.ON sowie RHÖN-KLINIK. Alle Zahlen empfehle ich Ihrer Beachtung.
Zum Dollar gibt es heute die ersten größeren Schlagzeilen. Sogar die ersten „Besorgnisse“ einiger Experten, nämlich Banker und Analysten. Ich hatte Ihnen diese Entwicklung frühzeitig aufgezeichnet. Lesenswert ist dennoch der heutige Aufmacher in der FAZ im Wirtschaftsteil. Ich stimme darin nicht ganz überein, jedoch tendenziell. Welche Wirkung dies für die Europäer hat, habe ich Ihnen im Brief Nr. 13 schon skizziert. Bitte noch einmal zur Hand nehmen.
Die Gold-Spekulation geht weiter, stößt aber kurzfristig an eine technische Hürde. Sie liegt bei 312/314 $ die Unze. Hier müssen Sie so operieren: Fällt der Goldpreis um 2 - 3 $, so geben die Goldminen meist etwas stärker nach. Dann wird gekauft. Ich erlaube mir dazu einen besonderen Hinweis:
Der „Zürcher Finanzbrief“, den Sie sicher kennen, operiert in diesem Umfeld u.a. mit einem speziellen Gold-Portfolio. Es macht Sinn, dies nachzuvollziehen. Verlangen Sie eine Probenummer unter FAX-Nr. 0041 – 1- 912 0870. Ich kann mich in der AB mit solchen Konstrukten nicht beschäftigen, aber: Der Goldpreis ist keine Verlegenheitslösung, sondern ein längerfristiger Gesamttrend, der nicht zu unterschätzen ist. Denn das Kursziel für Gold liegt wesentlich höher, ist aber nicht kurzfristig erreichbar. Daraus entsteht ein mittelfristiger Trend, der noch längst nicht zu Ende ist.
Herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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